Anti-Terror-Einsatz in afrikanischem Krisenstaat: Frankreich kündigt Abzug aus Mali an – Macron sieht kein Scheitern
Die Zweifel am Einsatz in Mali sind gewachsen. Frankreich und einige Partner ziehen die Konsequenz. Der Bundeswehr-Einsatz steht mehr denn je infrage.
Frankreich, seine europäischen Partner und Kanada beenden den militärischen Anti-Terror-Einsatz im westafrikanischen Mali. Das teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit, die der Élyséepalast nach Beratungen am Donnerstag in Paris veröffentlichte. Die gemeinsamen Missionen sollen bis zum Juni diesen Jahres beendet werden. Die deutschen Militäreinsätze sind davon zunächst einmal nicht direkt betroffen.
Neben dem französischen Kampfeinsatz „Barkhane“ geht es um die Militäroperation „Takuba“, an der unter französischer Führung mehrere europäische Länder beteiligt sind. Man wolle in der Sahelzone trotz des Rückzugs aus Mali weiterhin aktiv bleiben, hieß es.
[Der tägliche Nachrichtenüberblick aus der Hauptstadt: Schon rund 57.000 Leser:innen informieren sich zweimal täglich mit unseren kompakten überregionalen Newslettern. Melden Sie sich jetzt kostenlos hier an.]
In der Sahelzone, die sich südlich der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer erstreckt, sind etliche bewaffnete Gruppen aktiv. Einige haben den Terrorgruppen Islamischer Staat (IS) oder Al-Kaida die Treue geschworen. In Mali laufen neben den Anti-Terror-Kampfeinsätzen auch der EU-Ausbildungseinsatz EUTM und der UN-Stabilisierungseinsatz Minusma, an denen die Bundeswehr mit gut 1350 Soldaten beteiligt ist. Nach französischen Angaben sind in dem Gebiet insgesamt etwa 25.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz.
Zuletzt hatten Spannungen zwischen der mit einem Militärputsch an die Macht gekommenen Regierung Malis und Frankreich zugenommen; Mali schickte den französischen Botschafter nach Hause. Es gebe wachsende Zweifel am Sinn, das Engagement in Mali aufrechtzuerhalten, hieß es in Paris schon seit einiger Zeit. Die terroristische Bedrohung breite sich auf mehrere Länder der Region aus. Darauf müsse man sich einstellen und Soldaten verlegen.
„Wir haben das Schlimmste verhindert“
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hält ungeachtet des Rückzugs den vor neun Jahren begonnenen französischen Militäreinsatz in Mali nicht für gescheitert. „Das weise ich entschieden zurück“, sagte er. „Was wäre denn passiert, wenn wir nicht eingegriffen hätten?“ Damals seien dschihadistische Gruppen in Mali kurz davor gewesen, regionale Kalifate zur errichten und bis in die Hauptstadt Bamako vorzudringen.
„Wir haben das Schlimmste verhindert“, erklärte Macron, räumte aber ein, dass sich seitdem die Bedingungen für den Einsatz massiv geändert hätten. Frankreich habe 2013 auf Bitten der malischen Regierung gehandelt. Für die Militärjunta, die sich seitdem an die Macht geputscht hat, habe der Kampf gegen terroristische Gruppen keine Priorität. „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Rolle des Staates zu übernehmen“, sagte Macron.
Macron warf der Militärjunta vor, russische Söldner zu engagieren, die in erster Linie wirtschaftliche Interessen verfolgten, sagte Macron. „Sie kommen mit der Absicht, das Land auszubeuten“, sagte er. Er sagte, dass es sich nicht ausschließlich um russische Söldner handle, und dass sie nicht von der russischen Regierung entsandt seien.
„Wir können nicht militärisch an der Seite von Machthabern engagiert bleiben, deren Strategie und deren versteckte Ziele wir nicht gutheißen“, sagte Macron. Der Abzug der französischen Soldaten und ihrer Partner aus Mali werde etwa vier bis sechs Monate dauern. Es deutet sich an, dass ein Teil der Soldaten ins benachbarte Niger verlegt wird, um von dort den Kampf gegen dschihadistische Gruppen fortzusetzen.
Lambrecht zweifelt an Fortführung der Bundeswehr-Missionen
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stellt die Fortführung der EU-Ausbildungsmission EUTM in Mail infrage. „Ich muss sagen, dass ich sehr skeptisch bin, ob es bei EUTM zu einer Verlängerung des Mandates kommt“, sagte Lambrecht am Donnerstag in Brüssel. Es sei die Frage, wen man bei dieser Mission eigentlich ausbilde, fügte sie mit Blick auf die Militärregierung in dem Land hinzu. Die Verschiebung der Wahlen um Jahre entspreche nicht den Erwartungen, die malische Führung habe ihr Zusagen nicht eingehalten.
Nach dem angekündigten Abzug der Franzosen aus den Anti-Terror-Einsätzen müsse zudem die Zusammenarbeit in der UN-Friedenstruppe Minusma überprüft werden. Denn dabei habe man sich auf französische Fähigkeiten wie ein Lazarett und Kampfhubschrauber gestützt. Man müsse darüber sprechen, wer dies übernehmen können, sagte Lambrecht. Das Lazarett könne Deutschland relativ einfach und unkompliziert kompensieren. Aber der Einsatz von Kampfhubschraubern zum Schutz der Truppe würde ein völlig verändertes Mandat bedeuten, dem der Bundestag zustimmen müsse.
Die Bundeswehr hat rund 1000 Soldaten als Teil der UN-Friedenstruppe Minusma in Mali stationiert. Weitere etwa 300 Soldaten sind an der europäischen Ausbildungsmission EUTM beteiligt. Die aktuellen Mandate für die Beteiligungen an EUTM und Minusma gelten noch bis zum 31. Mai 2022.
Der französische Schritt werde „auch Auswirkungen auf das gemeinsame internationale Engagement haben, dazu stimmen wir uns eng mit unseren Partnern ab“, erklärte Außenstaatsministerin Katja Keul (Grüne) am Donnerstag in Berlin.
Das Ziel der Einsätze bleibe bestehen - „nämlich dass wir die Sicherheit der Menschen und die Stabilität der Region verbessern wollen“, hieß es weiter. Zu klären sei nun aber die Frage, „ob und wie wir diese Ziele erreichen können".
Wie zuvor die französische Regierung richtete auch die deutsche Staatsministerin Vorwürfe an die Führung in Mali: „Die Militärregierung in Bamako hat bisher keine glaubhaften Signale gesendet, zügig zur Demokratie zurückzukehren, und legt zudem dem französischen Engagement Steine in den Weg“, erklärte Keul. „Das ist bedauerlich und jetzt auch folgenschwer.“
Deutschland sei sich mit Frankreich und anderen Partnern in der Sache und der Konsequenz völlig einig: „Für Frankreich sind unter diesen Bedingungen die Missionen Barkhane und Takuba auf malischem Boden nicht mehr leistbar.“ An diesen Einsätze ist die Bundeswehr in Mali allerdings nicht beteiligt.
Der Einsatz der Bundeswehr in Mali hat bisher knapp zwei Milliarden Euro gekostet. Das sagte eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Dabei handele es sich um „einsatzbedingte Zusatzausgaben“. Die Kosten des Afghanistan-Einsatzes beliefen sich auf rund zwölf Milliarden Euro.
Seit Einsatzbeginn 2013 seien insgesamt 4900 Soldatinnen und Soldaten an der EU-Mission EUTM in Mali beteiligt gewesen, sagte die Sprecherin weiter. Unter dem Dach der Mission werden Angehörige der malischen Streitkräfte ausgebildet. An der Minusma-Stabilisierungsmission der UN haben demnach rund 12.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr teilgenommen. (dpa, AFP)