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Frankreichs Regierungschef Manuel Valls.
© dpa

Streit um Schulden und Investitionen: Frankreich kann Deutschland nicht kopieren

50 Milliarden Euro Einsparung gegen 50 Milliarden Euro an Investitionen: Frankreich will von Deutschland ein Tauschgeschäft - und vergleicht dabei Äpfel mit Birnen. Denn auch deutscher Straßenbau hilft der französischen Wirtschaft nicht weiter. Ein Kommentar.

Das wäre mal ein Deal: Jemand lebt über seine Verhältnisse und verspricht zu sparen, wenn im Gegenzug der finanziell zurückhaltend operierende Nachbar richtig in die Vollen geht und Geld raushaut, als könne das beim anderen das Geschäft ankurbeln. Das dürfte im Kleinen funktionieren – Bank leiht Schuldner nochmals Geld, damit der investieren, mehr produzieren und mehr umsetzen kann. Aber zwischen zwei Ländern, Frankreich und Deutschland, ergibt dieses Geschäft, wie es der französische Wirtschaftsminister gemeinsam mit dem Ressortchef für Finanzen am Vorabend seines Berlin-Besuchs vorschlug, wenig Sinn. Und das, obwohl nicht nur Frankreich sparen, sondern auch Deutschland dringend investieren muss.

Denn der Deal, wie ihn die Minister Emmanuel Macron und Michel Sapin vorschlugen, ähnelt einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Fangen wir mal bei den Deutschen an. Die Bundesregierung hat sich die schwarze Null zum Ziel gesetzt, keine Neuverschuldung schon 2015. Das ist gut, weil die Staatsverschuldung dringend abgebaut werden muss. Schlecht daran ist nur, dass die Regierung dringend nötige Investitionen in die Infrastruktur vernachlässigt und Verkehrswege, ob nun Wasserwege oder betonierte Straßen und Brücken, verkommen lässt. Dass PPPs, Private-public-Partnerships, kein Ausweg wäre, hat sogar Deutsche- Bank-Chef Fitschen zugegeben – durch die Renditeforderung des Privatinvestors wird das Ganze teurer, als wenn der Staat beauftragt. Finanzminister Wolfgang Schäuble signalisierte denn auch vorsichtig ein Mehr an Investitionen.

Leider hilft der deutsche Straßenbau der französischen Wirtschaft nicht auf die Beine. Die ökonomische Krise unseres Nachbarn hat sich über Jahrzehnte hinweg zu einer Bedrohung für das Land ausgewachsen, weil es lange kaum ernsthafte Ansätze zu Reformen gab. Viele Probleme in Frankreich sind Folge eines zentralstaatlich organisierten Wirtschaftslebens, in dem Impulse, wenn überhaupt, nur von der Regierung und den lange staatlich beeinflussten Großkonzernen ausgingen. Ein Mittelstand wie in Deutschland, ein vieltausendfach verästeltes Wirtschaftsleben in föderalen Strukturen, ist in Frankreich unbekannt. Die französische Industrie ist auf qualitative Mittelklasse spezialisiert. So konkurrieren die Autobauer mit ähnlichen Massenangeboten aus Korea, ohne so günstig produzieren zu können. Wenn dann in der Wirtschaftskrise traditionelle Abnehmer aus Griechenland, Spanien oder Portugal auch noch ausfallen, ist Rettung kaum möglich.

Man muss dem Nachbarn trotzdem mehr Zeit geben

Louis Gallois, der ehemalige EADS-Chef und bis April 2014 Regierungsbeauftragter für Reformen, machte eine Reihe weiterer Wachstumshemmnisse aus. Deutschland investiert mehr in Forschung und Entwicklung, die duale Berufsausbildung ist effizienter, die Produktivitätsfortschritte sind größer. Das deutsche Bildungssystem ist offen, das französische hingegen abgeschottet und auf den Erhalt der bestehenden Eliten fixiert.

Frankreich ist anders, es kann Deutschland nicht kopieren. Aber man muss dem Nachbarn, auch seitens der EU, deutlich mehr Zeit zum Wandel geben. Dabei kann Deutschland mit seinem Einfluss in Brüssel helfen – erfolgreicher als durch Konjunkturprogramme, deren Wirkung an der Grenze endet.

Gerd Appenzeller

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