Urteil beim Bundesverfassungsgericht: Fragen und Antworten zur Grundsteuer
Grundstücke sollten regelmäßig neu bewertet werden, um sie angemessen besteuern zu können. Dazu kommt es aber oft nicht. Nun klären die Verfassungsrichter, ob der Einheitswert das Grundgesetz verletzt.
Unter dem Strich soll es nicht teurer werden. Doch wer verliert und wer gewinnt, ist bei der geplanten Reform der Grundsteuer noch offen. Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe steht zunächst die Entscheidung an, ob die bisherige Besteuerungsgrundlage mit Einheitswerten gegen das Grundgesetz verstößt. Im Januar hatte der Erste Senat über drei Vorlagen des Bundesfinanzhofs und zwei Verfassungsbeschwerden verhandelt.
Worüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht?
Bei der Berechnung der Grundsteuer werden Einheitswerte zugrunde gelegt. In den alten Bundesländern wurden diese 1964 festgelegt, in den neuen Bundesländern reichen sie sogar bis 1935 zurück. Inzwischen haben sich Gemeinden und Städte verändert und damit auch die Werte von Grundstücken und Gebäuden. Ob damit gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen wird, ist die Frage, über die das Bundesverfassungsgericht entscheidet.
Was ist die Grundsteuer?
Grundgedanke ist, dass Grundstücke und Gebäude Kosten für die Kommunen verursachen, die zum Beispiel die Infrastruktur unterhalten. Die Eigentümer sollen diese Lasten mittragen. Dazu gibt es die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und die Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude. Die Bemessungsgrundlage ist bundesweit einheitlich geregelt. Jede Kommune bestimmt aber mit einem Hebesatz die tatsächliche Höhe der Steuer.
Die Grundsteuer deckt etwa zehn Prozent der kommunalen Steuereinnahmen und ist damit eine wichtige Finanzierungsquelle. Die Einnahmen aus der Grundsteuer A lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2016 bei rund 400 Millionen Euro. Die Grundsteuer B brachte etwa 13,3 Milliarden Euro. Die Grundsteuer wird an Mieter weitergegeben und ist Teil der Nebenkosten.
Wie wird die Grundsteuer berechnet?
Ein je nach Art des Grundstücks oder Gebäudes unterschiedlicher Anteil des Einheitswertes ist die Grundsteuermesszahl - für Wohnungen beträgt sie zum Beispiel 3,5 von Tausend. Wenn der Einheitswert 20.000 Euro beträgt, errechnet sich ein Grundsteuermessbetrag von 70 Euro (20.000 geteilt durch 1000 multipliziert mit 3,5). Diese 70 Euro werden mit dem von jeder Gemeinde individuell festgelegten Hebesatz multipliziert. Liegt er bei 500 Prozent, beträgt die Steuer 350 Euro pro Jahr. Der Hebesatz ist je nach Kommune sehr unterschiedlich und reicht von weniger als 100 bis mehr als 900 Prozent.
Was ist der Einheitswert?
Für jedes der mehr als 35 Millionen Grundstücke in Deutschland ist ein Wert festgelegt. Eigentlich sollte dieser alle sechs Jahre neu festgestellt werden, damit Veränderungen etwa der Bausubstanz oder des Umfeldes berücksichtigt werden können. Das ist in Paragraf 21 des Bewertungsgesetzes festgelegt. Doch zu Neubewertungen ist es wegen des hohen Aufwands nicht gekommen. So sind die Differenzen bei vergleichbaren Häusern in ähnlicher Lage im Laufe der Jahrzehnte immer größer geworden. Bei Sanierungen oder Aufteilung in Eigentumswohnungen gibt es allerdings auch Neubewertungen.
Was sagt der Bundesfinanzhof?
Das Gericht sieht eine Verfassungswidrigkeit spätestens ab dem Jahr 2009. Die Richter monieren einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1). Nach einem Beschluss vom 22. April 2014 (II R 16/13) kommt es darauf an, ob es durch den Verzicht auf Hauptfeststellungen zu Wertverzerrungen bei den Einheitswerten innerhalb einer Gemeinde kommt. Die Richter sind überzeugt, dass dies besonders in größeren Städten der Fall ist.
Was könnte das Bundesverfassungsgericht entscheiden?
Nach der Verhandlung gingen die Beteiligten davon aus, dass der Erste Senat die Einheitswerte für verfassungswidrig erklärt. Unwahrscheinlich ist eine Entscheidung, die der Steuer komplett die Grundlage entzieht, so dass sie nicht weiter erhoben werden kann.
Üblicherweise räumt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist ein, eine verfassungskonforme Regelung zu beschließen. Die Länder rechnen mit bis zu zehn Jahren Zeitbedarf. Von Kommunen und Verbänden kommt die Forderung nach schnellem Handeln. Der Eigentümerverband Haus & Grund hält zwei Jahre für angemessen.
Welche Modelle sind im Gespräch?
Hauptdiskussionspunkt ist, ob und wie stark der Bodenwert einbezogen werden soll. Der Deutsche Mieterbund und andere Verbände fordern, die Grundsteuer ausschließlich als Bodensteuer zu gestalten. Das könnte den Wohnungsbau besonders in Städten fördern und Spekulation verhindern, argumentieren sie. Mieter von Wohnungen würden entlastet und Besitzer von Einzelhäusern oder unbebauten Grundstücken belasten.
Nach dem Modell der Bundesländer soll das Gesamtaufkommen unverändert bleiben. Der Hamburger Senat befürchtet aber zum Teil deutlich höhere Steuern. Eine Verzehnfachung auf 6000 Euro im Jahr für eine Wohnung in der Hansestadt sei möglich, hatte der damalige Finanzsenator und heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in der Verhandlung gesagt. Auch der Präsident von Haus & Grund, Kai H. Warnecke, warnte vor Verzerrungen. (dpa)
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