Österreich und Deutschland: FPÖ und AfD - über Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Im Nachbarland regieren die Rechten mit. Können die Deutschen mit einem Blick nach Österreich die eigene Zukunft sehen? Darüber sprachen Experten auf einer Podiumsdiskussion.
Österreich ist den Deutschen weit voraus - zumindest wenn es um die Etablierung der Rechtspopulisten in der politischen Öffentlichkeit geht. Seit mehr als 30 Jahren ist die FPÖ eine mittelstarke Partei im Parlament, seit 1949 schon dort vertreten. Seit Dezember 2017 besetzt sie als Regierungspartei wichtige Posten wie den des Vizekanzlers und des Innenministers.
Im Fokus der Regierung steht seit deren Amtsantritt die Migrations- und Flüchtlingspolitik, der "politische Islam", wie es bei Stellungnahmen der Regierungsvertreter oft genannt wird, und die Kritik am Öffentlich Rechtlichen Rundfunk. Asylwerber bekommen nicht die volle Mindestsicherung ausgezahlt, wenn sie nicht gut genug Deutsch sprechen, Moscheen werden geschlossen, mehrere Imame sollen ausgewiesen werden. Es gibt Angriffe auf den Öffentlich Rechtlichen Rundfunk allgemein sowie auf einzelne Journalisten zum Beispiel durch den Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrates Norbert Steger (FPÖ) und sogar durch Vizekanzler Heinz-Christian Strache.
Die AfD hat es in Deutschland nicht so weit gebracht - noch nicht. Kann man in Österreich ein mögliches Zukunftsszenario für Deutschland beobachten? Wie konnte es im Nachbarland so weit kommen und wie könnte man das hierzulande verhindern? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung "Schwarz-braun ist das Nachbarland" am Montagabend.
Die FPÖ ist nicht neu in Österreich
Anti-muslimischer Rassismus, Nationalismus, Pläne zu Beschneidungen von Minderheitenrechten - die Ähnlichkeiten zwischen AfD und FPÖ seien groß, sagt Moderatorin und Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion. Wissenschaftlerin und Rechtsextremismusexpertin Judith Götz sprach von einer "Ethnokratie", die in Österreich drohe die Demokratie abzulösen. Das heißt, Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe entscheidet über die zugesprochenen Rechte, nicht alle sind gleich. Doch es gibt auch Unterschiede zwischen den Rechten in Deutschland und Österreich, vor allem historische, sagt Götz und verweist auf die schwache bis fehlende Aufarbeitung der Nazizeit in Österreich. Lange galt im Land der sogenannte Opfer-Mythos, demnach Österreich von Deutschland überfallen wurde und nicht zu den Tätern zu zählen sei. Das erleichterte vielen ehemaligen Nationalsozialisten nach Kriegsende wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen, häufig ausgerechnet im Bildungsbereich, erklärt Götz.
Zudem sei die FPÖ, anders als die AfD, in Österreich schon seit 1949 im Parlament, sagt der ehemalige Grüne Nationalratsabgeordnete Albert Steinhauser. Die Partei sei immer ein Auffangbecken für Nationalsozialisten gewesen. Erste große Erfolge feierte sie in den 90er Jahren unter Jörg Haider. "In Österreich haben wir 30 Jahre rechtes Brainwashing hinter uns", sagt Steinhauser. Er meint die ständige Präsenz rechter "Ausrutscher", oder den "Einzelfall der Woche", wenn wieder mal ein Funktionär eine antisemitische Karikatur auf Facebook teilt. Es sei immer das selbe Muster, sagt Steinhauser: Provokation, zurückrudern, die verantwortliche Person kurz abstrafen, weitermachen. Die Menschen seien dadurch abgestumpft, die Tabu-Grenzen weit gedehnt, sagt auch Judith Götz: "Rechtes Gedankengut ist alltäglich geworden". Gezielte Provokation und mediale Inszenierung - das war schon unter Jörg Haider die Strategie der FPÖ und bei der AfD lässt sich ähnliches Beobachten, sagt Markus Sulzbacher, Redakteur der österreichischen Zeitung "Der Standard". Dafür würden auch die sozialen Medien massiv genutzt - FPÖ-Chef Strache folgen mehr als 774.000 Menschen auf Facebook (mehr als Bundeskanzler Kurz), die AfD hat laut Datenportal Statista mehr Fans auf Facebook als jede andere Bundestagspartei.
Lernen von Österreich
Dieser "Dauerbeschuss" mit rechten Provokationen, wie Steinhauser es nennt, habe dazu beigetragen, dass die FPÖ nun in der Regierung sitzt. Es gebe kaum mehr Tabus, kaum mehr Empörung und damit weniger zivilen Widerstand. Dieser sei jedoch besonders wichtig, sagt Steinhauser. Er versucht zu rekonstruieren, was in Österreich "schief gelaufen" ist und was man in Deutschland besser machen könnte. Denn die Parallelen sind nicht zu leugnen. Auch der Machtkampf, zwischen einem bürgerlichen und einem nationalistischem Flügel, den es in der AfD gibt, erinnert an Österreich. Die AfD befinde sich zurzeit in jener Phase, in die die FPÖ zur Zeit der Machtübernahme durch Jörg Haider steckte, sagt Steinhauser.
Um einen Rechtsruck wie in Österreich zu verhindern, müsse man vor allem Druck auf die Volksparteien ausüben, sich den Rechten nicht anzunähern. Denn wenn deren Widerstand bröckelt, "kommt alles ins Rutschen", sagt der Ex-Politiker. Ein Knackpunkt sei auch in Österreich gewesen, dass die ÖVP sich der FPÖ annäherte und 2000 schließlich sogar eine Regierung mit den Blauen bildete. Inzwischen gibt es auf Landesebene sogar eine Koalition zwischen den Sozialdemokraten und den Freiheitlichen.
Zum anderen sei es wichtig, mit Kritik vor allem an der Sozial- und Wirtschaftspolitik anzusetzen. Hier würden sich die Rechten als Partei des kleinen Mannes geben, in Wahrheit aber "stehen sie immer auf der Seite der Mächtigen" und würden neoliberale Politik betreiben.
Der ehemalige Grüne übt jedoch auch Selbstkritik - die Partei schaffte die vier Prozent Hürde bei der vergangenen Wahl nicht und sitzt seitdem nicht mehr im Nationalrat. Man habe reflexartig, alles als Tabu betrachtet, was die FPÖ angesprochen habe. Sprachen die Rechten von Problem bei der Integration, hätten die Grünen komplett abgeblockt und das Thema nicht aufgegriffen - und somit den Blauen das Feld überlassen. Auch dürfe man den Kontakt zu den Wählern, auch jenen der FPÖ, nicht verlieren, egal, welche "grauslichen" Sachen sie auch sagen mögen.
Die Auseinandersetzung mit den Rechten
Neben Steinhauser, Götz und Sulzbacher war auch die Steirische KPÖ-Politikerin Claudia Klimt-Weithaler vertreten. Funktionäre der FPÖ oder der AfD saßen nicht auf dem Podium. Eine bewusste Entscheidung. "Es verbirgt sich ein falsches Objektivitätsverständnis dahinter, im vorauseilenden Gehorsam die rechten Positionen mitrepräsentieren zu müssen", sagt Judith Götz. Opfer von rassistischer Gewalt kämen unterdessen so gut wie nie als Diskutanten vor. Man müsse die Grenzen des Tolerierbaren wieder schärfen indem man sich weigere, sich mit Rechtsextremen auf ein Podium zu setzen. Die Diskussion mit solchen Menschen sei kein argumentativer Austausch auf Augenhöhe, es gebe hier nichts zu gewinnen. Rechtsextreme würden ihre Gegner persönlich angreifen, vor laufender Kamera lügen und so die Aufmerksamkeit bündeln. Und schließlich gehe es nicht mehr um die Themen, die eigentlich besprochen werden sollten, sondern letztlich um diese rechtsextreme Person. "Rechtsextreme Äußerungen sind keine Meinung unter vielen", sagt Götz, es handle sich hierbei um menschenverachtendes Gedankengut, dem man keinen Raum geben dürfe.
Claudia Klimt-Weithaler verwies jedoch auf den Unterschied zwischen rechtsextremen und rechten Positionen, sie selbst würde regelmäßig mit Vertretern der FPÖ diskutieren, um deren Positionen etwas entgegenzustellen und um die Ansichten ihrer eigenen Partei an die Öffentlichkeit zu tragen. Auch aus dem Publikum kam die Kritik, dass die Rechten sagen könnten, was sie wollen, wenn Wissenschaftler, Journalisten oder andere Parteien sich nicht mit ihnen auseinandersetzen.