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Im BLICK: Folter – das absolute Böse

Der Eifer der Gefechte im „Krieg gegen den Terror“ hat es in den vergangenen Jahren etlichen Rechtsstaatsprinzipien schwer gemacht. Am deutlichsten und dramatischsten war das beim Folterverbot der Fall.

Der Eifer der Gefechte im „Krieg gegen den Terror“ hat es in den vergangenen Jahren etlichen Rechtsstaatsprinzipien schwer gemacht. Am deutlichsten und dramatischsten war das beim Folterverbot der Fall. Dass Rechtsstaaten auch zu diesem Mittel greifen könnten, schien bis zum 11. September 2001 undenkbar; schließlich hatten mehrere internationale Vereinbarungen Folter zu einem absoluten Tabu erklärt. Doch nach dem Angriff auf New York wurden die Fragen dringlicher: Ob man in höchster Not nicht sogar foltern müsse, um Informationen zu bekommen, die Unschuldige retten könnten, fragten die Juristen von US-Präsident Bush. Ob man tatsächlich nützliche Aussagen verwerfen wolle, die erfoltert worden seien, fragte Bundesinnenminister Schäuble.

Der Fall des Frankfurter Polizeipräsidenten Daschner hatte 2002 Deutschland in zwei Lager gespalten. Daschner hatte dem Entführer und Mörder Jakob von Metzlers mit Folter gedroht, um das Versteck des Kindes zu erfahren. Die Gegner des absoluten Folterverbots bildeten „schon lange keine kleine Minderheit mehr“, stellte vor drei Jahren besorgt Heiner Bielefeldt fest, damals Direktor des Instituts für Menschenrechte in Berlin.

Neuerdings sieht es so aus, als besinne sich der Westen wieder auf die Prinzipien, die mit dem Anti-Terror-Krieg verteidigt werden sollten. Am Donnerstag zerpflückte ein New Yorker Gericht sämtliche 286 Anklagepunkte gegen einen Häftling des US-Lagers Guantanamo bis auf einen und ließ einen wichtigen Zeugen der Anklage nicht zu, weil man ihm durch CIA-Verhöre auf die Spur gekommen war – vermutlich mit „robusten“ Methoden. Und die britische Regierung fürchtet die Aufdeckung eigener Schuld an diesen Methoden so sehr, dass sie sich dieser Tage bereit erklärte, Millionen als Entschädigung zu zahlen, um einer Klage von Folteropfern zu entgehen. Man schämt sich wieder, dieses verbindliche und absolute Tabu gebrochen zu haben. Nur George W. Bush rühmt sich in seinen eben erschienen Memoiren noch, diese „effektive Methode“ zur Informationsgewinnung angeordnet zu haben.

Seltsam, dass seine Sicht so lange geteilt wurde. Dieses zentrale Argument für die Folter ist nämlich schon vor bald vierhundert Jahren zertrümmert worden. In seiner Streitschrift „Cautio criminalis“ schrieb 1631 der deutsche Jesuit Friedrich Spee nicht nur gegen den Hexenaberglauben, sondern auch gegen das grausame Nutzdenken der Folterer an: „Die Gewalt der Schmerzen erzwingt alles, auch das, was man für Sünde hält, wie lügen und andere in üblen Ruf bringen. Die dann einmal angefangen haben, auf der Folter gegen sich auszusagen, geben später nach der Folter alles zu, was man von ihnen verlangt, damit sie nicht der Unbeständigkeit geziehen werden. Und die Kriminalrichter glauben dann diese Possen.“ Spee, den das Schicksal jener „Hexen“ empörte, die er als Seelsorger betreut hatte, wusste auch: Am stärksten wirkt die Folter nicht auf die Schuldigen, sondern auf die Empfindsamen.

Hexerei hatte zu Spees Zeit übrigens keinen anderen Rang als der Terror heute: Sie galt als crimen exceptum, als außergewöhnliches Verbrechen. Dagegen schien jedes Mittel erlaubt, einst wie jetzt.

Andrea Dernbach

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