Schweden verschärft Grenzkontrollen: Flüchtlings-Rückstau in Norddeutschland erwartet
Ab Montag will Schweden den Zustrom der Flüchtlinge drosseln. Der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, erwartet deshalb einen Rückstau von Schutzsuchenden in Norddeutschland.
Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, erwartet angesichts der bevorstehenden Verschärfung der Passkontrollen zwischen Dänemark und Schweden einen Rückstau von Flüchtlingen in Norddeutschland. „Die Passkontrollen werden die logische Folge haben, dass sich mehr Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein aufhalten werden“, sagte Radek dem Tagesspiegel. „Dies trifft die Bundespolizei in einer Situation, in der wir Personal aus Schleswig-Holstein an die deutsch-österreichische Grenze abziehen“, sagte der GdP-Vizechef mit Blick auf die seit September durchgeführten Kontrollen im Süden Deutschlands.
Passagiere in Zügen, Bussen und auf Fähren zwischen Dänemark und Schweden müssen sich ausweisen können
Weiter im Norden der EU müssen sich ab dem kommenden Montag sämtliche Passagiere, die Zug-, Bus- und Fährverbindungen von Dänemark nach Schweden benutzen, ausweisen können. Zu diesem Schritt hatte sich die schwedische Regierung entschlossen, um den Zustrom der Flüchtlinge zu drosseln. Mitte des Monats hatte der schwedische Reichstag die Neuregelung der Regierung angenommen, die maximal für sechs Monate gelten soll. Das Gesetz sieht vor, dass ab dem kommenden Montag Transportunternehmen mit Strafen rechnen müssen, wenn sie Passagiere ohne Ausweis von Dänemark nach Schweden befördern.
Die Neuregelung wird eine Einschränkung des Verkehrs zwischen den beiden Ländern zur Folge haben, die Mitglied der seit 1954 geltenden Nordischen Passunion sind. Diese Union führte zur Beseitigung der Grenzkontrollen zwischen Dänemark und Schweden, bevor die Staaten später dem Schengener Abkommen beitraten. Das Schengen-Abkommen sieht ebenfalls den Wegfall der Kontrollen vor, allerdings sind vorübergehende Ausnahmen möglich.
Als Folge der schwedischen Grenzkontrollen ist derweil ein Dominoeffekt zu erwarten, der auch in Deutschland zu spüren sein dürfte. Nach der Entscheidung in Stockholm, die meistens per Zug über die Öresund-Brücke ankommenden Flüchtlinge stärker zu kontrollieren, hatte der dänische Regierungschef Lars Lökke Rasmussen die Möglichkeit von Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland ins Spiel gebracht.
Deutschland kann Flüchtlinge nach Schweden voraussichtlich nicht mehr einfach durchwinken
Bislang werden Flüchtlinge von Deutschland häufig einfach Richtung Norden durchgewunken, wenn sie angeben, dass sie nach Schweden weiterreisen möchten. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hatte jüngst gesagt, sein Bundesland habe 2015 rund 60.000 Flüchtlinge unregistriert nach Schweden durchreisen lassen. Diese Praxis wird voraussichtlich aber mit der Verschärfung der schwedischen Grenzkontrollen erschwert werden. Der Grund: Die Regierung in Kopenhagen will vermeiden, dass sich in Dänemarks als Konsequenz der von Schweden verfügten Passkontrollen ein Rückstau von Flüchtlingen bildet. Zudem will die vom Rechtskonservativen Rasmussen geführte Regierung, die von der einwanderungsfeindlichen Dänischen Volkspartei DPP unterstützt wird, das Land möglichst unattraktiv für Flüchtlinge machen.
Zu diesem Zweck hatte Rasmussen ein Gesetz vorgelegt, mit dem Asylbewerber in Dänemark gezwungen werden sollen, ihren Aufenthalt möglichst selbst zu finanzieren.
Deutschland macht wegen der Flüchtlingskrise ebenfalls seit Mitte September von einer Ausnahmeregelung im Schengen-Abkommen Gebrauch und führt an der Grenze zu Österreich stichprobenartige Grenzkontrollen durch. Dabei werden nach den Worten des GdP-Vizechefs Radek „maximal zehn Prozent der Einreisenden“ registriert. Radek geht davon aus, dass es aufgrund der geografischen Voraussetzungen für die schwedischen Behörden leichter ist, Vollkontrollen durchzuführen: Während Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland gegebenenfalls auch eine Route über die grüne Grenze nehmen können, ist ihren diese Möglichkeit weiter im Norden versperrt: Sie passieren in aller Regel das Nadelöhr der Öresund-Brücke, die Dänemark und Schweden verbindet.
Auch Norwegen will seine Asylregelung verschärfen
Unterdessen stellte Norwegens Regierung Pläne für strengere Asylregeln vor. Wie die neue Ministerin für Einwanderung und Integration, Sylvi Listhaug, am Dienstag sagte, solle Norwegen so weniger attraktiv für Menschen werden, die „nicht wirklich“ Asyl brauchten. Konkret soll die Wartezeit für eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung von drei auf fünf Jahre erhöht werden. Bei der Familienzusammenführung muss ein Flüchtling in Zukunft ein höheres Jahreseinkommen nachweisen als bisher und mindestens vier Jahre in Norwegen studiert oder gearbeitet haben.
Die Maßnahmen seien notwendig, da für 2016 zwischen 10.000 und 100.000 Asylanträge erwartet würden, sagte Listhaug. In letzterem Fall hätte dies extreme Auswirkungen auf das Sozialsystem des Landes. 2015 seien in Norwegen etwa 30.000 Asylanträge eingegangen, sagte die Ministerin.
Kritik kam bereits von den Christdemokraten und Flüchtlingsorganisationen, wie die Nachrichtenagentur NTB berichtete. Listhaug ist erst seit Mitte Dezember im Amt. Sie gehört der populistischen einwanderungskritischen Fortschrittspartei an, die gemeinsam mit den Konservativen in Norwegen regiert. (mit dpa)