Politik: Fluchthilfe aus Budapest
Vor 15 Jahren nahm eine Gemeinde in Ungarn DDR-Bürger auf – nun wird ihr ein Denkmal gesetzt
Auch „kleine Leute“ können Weltgeschichte schreiben, nicht nur Präsidenten und Regierungschefs. Heute wird ihnen ein Denkmal gesetzt, in Budapest. In einem unscheinbaren Kirchgarten in den Bergen über der Donau haben einfache Ungarn vor 15 Jahren den entscheidenden Stein aus der Berliner Mauer gebrochen. Die Gemeinde zur Heiligen Familie wurde zum Sammelpunkt der DDR- Flüchtlinge, die im August 1989 in den Westen wollten. Pfarrer Imre Kozma hatte erfahren, dass in der deutschen Botschaft bereits rund 120 Flüchtlinge vom Keller bis zum Dach campierten und dort kein Platz mehr sei. Er bat seine Gemeindemitglieder, Ostdeutsche aufzunehmen. Bald nahmen auch Zelte jedes freie Eckchen des Gartens um die Kirche ein.
Binnen weniger Tage wuchs die anfangs überschaubare Bewegung zum mächtigen Strom, die professionellen Hilfswerke rückten mit Feldküchen, sanitären Anlagen und technischem Gerät an. Staatliche Pionierlager und Ferienkolonien am Plattensee wurden in Beschlag genommen. Mehr als 6000 Ostdeutsche saßen dort schließlich. Am 10. September 1989 öffnete Ungarn seine Westgrenze, zwei Monate später fiel die Mauer.
Begonnen hat alles in Budapest-Zugliget. Am neogotischen Portal hängt schon seit Jahren eine Gedenktafel: „In der Zeit vom 14. August bis zum 14. November 1989 fanden in dieser Kirche und in dem an der Kirchenmauer errichteten Lager – auf halbem Weg zum freien Deutschland – Deutsche, die sich auf der Flucht vor der Willkür einer untergehenden Ideologie befanden, den Schutz des Ungarischen Malteser Caritasdienstes.“ Heute weiht Staatspräsident Ferenc Madl das Denkmal „Aufnahme“ ein: Zwei Menschen, die sich wie zur Begrüßung in die Arme nehmen, darunter der Bibelspruch „Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen“.
Pfarrer Imre Kozma, ein freundlicher, nicht sehr großer 64-jähriger Herr mit rosigem Gesicht, sagt heute: „Als Christen konnten wir gar nicht anders handeln. Wir hatten die Kraft, auf die Worte Jesu zu hören – entgegen allen Mahnungen, die uns zur Vorsicht rieten.“ Damals standen in Ungarn noch sowjetische Panzer, höchst vorsichtig bereitete das Land die ersten freien Wahlen im Ostblock vor.
Traurig ist Kozma nur, dass kein deutscher Politiker die Einladung zu dieser Feier angenommen hat. Kanzler Schröder kommt erst Mitte September, um Ungarns Regierung „köszönöm“ (danke) zu sagen. Mut hatte Kozma schon vor 1989 bewiesen. Er machte mit, als Csilla Freifrau von Boeselager, eine im Aufstandsjahr 1956 geflohene Ungarin, eine katholische Hilfsorganisation nach dem Muster der deutschen Caritas aufbauen wollte.
Über Ungarn und Österreich suchten die DDR-Flüchtlinge den Weg in den Westen, weil die Außenminister Gyula Horn und Alois Mock im April 1989 vor laufenden Kameras den Grenzzaun zerschnitten hatten. Dort werde nicht mehr geschossen, hieß es. Am 19. und 20. August luden Otto von Habsburg und der ungarische Reformer Imre Pozsgay zum „Paneuropäischen Picknick“ auf den Grenzstreifen zwischen Sopron und Moerbisch. Das Picknick wurde zur Fluchtchance für 600 Ostdeutsche.
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