Suche nach verschwundenen Jugendlichen: Festnahmewelle im Westjordanland
Israel setzt alles daran, drei verschwundene Jugendliche zu finden. Die Hamas soll sie entführt haben. Im Westjordanland gibt es nun eine Festnahmewelle.
Die Lage ist ernst, einige Beobachter halten sie gar für brandgefährlich. Auf jeden Fall markiert die Entführung von drei jüdischen Jugendlichen einen neuen Tiefpunkt im ohnehin angespannten Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern. Denn die Regierung in Jerusalem ist davon überzeugt, dass es Aktivisten der Hamas waren, die Ende vergangener Woche Schüler einer Religionsschule gekidnappt haben – womöglich um Gefangene freizupressen. Die Radikalislamisten bestreiten das, doch Israels Premier Benjamin Netanjahu fühlt sich bestätigt: Er hält die Hamas für eine Terroristenorganisation, mit der man keinesfalls verhandeln dürfe. Deshalb setzt der Ministerpräsident auch alles daran, die Jugendlichen mithilfe von Sicherheitskräften und des Inlandgeheimdienstes zu finden.
Die Suche nach den Verschwundenen läuft auf Hochtouren. Tausende Polizisten und Soldaten sind im Einsatz. Die Sicherheitskräfte durchsuchen in Teilen des Westjordanlands Haus für Haus. 150 Menschen wurden bereits festgenommen, darunter auch der Präsident des Palästinenser-Parlaments – ein Mitglied der Hamas. Es ist seit Jahren die größte Verhaftungswelle in den besetzten Gebieten. Hebron und mehrere umliegende Orte wurden abgeriegelt, ebenso alle Zugänge zum Gazastreifen und die Grenze zu Jordanien. Dies soll verhindern, dass die Entführer ihre Opfer außer Landes schaffen. Dennoch weiß derzeit niemand, ob die Teenager noch am Leben sind.
Polizisten hielten den Notruf für einen Scherz
Gilad Schaar, Naftali Frenkel und Eyal Yifrah sind seit Donnerstagabend spurlos verschwunden. Sie wollten übers Wochenende nach Hause trampen. Unweit der Siedlung Gusch Etzion südlich von Jerusalem soll auch ein Auto angehalten haben. Doch was danach geschah, ist unklar. Unmittelbar nach der Entführung soll allerdings einer der Jugendlichen die Polizei informiert haben, dass sie verschleppt worden seien. Aber die Beamten hielten den Notruf für einen Scherz.
Dabei hätte es die Polizei besser wissen müssen. Allein 2013 gab es nach Angaben des Inlandgeheimdienstes Schabak mehr als 30 Versuche, Israelis zu entführen, die allesamt verhindert werden konnten. Umso größer ist nun das Entsetzen im Land. Es herrscht so etwas wie Ausnahmezustand. Radio- und Fernsehsender berichten rund um die Uhr. Am Sonntag versammelten sich Tausende an der Klagemauer in Jerusalem, um für die Rückkehr der Verschwundenen zu beten. Und die Politik erwägt „weitreichende Konsequenzen“. Unter anderem wird darüber nachgedacht, Hamas-Funktionäre aus dem Westjordanland in den Gazastreifen abzuschieben.
Eine Forderung bringt den Palästinenserchef ernsthaft in Bredouille
Zudem erwartet Israels Regierung von Mahmud Abbas, nichts unversucht zu lassen, damit die Jugendlichen wohlbehalten zurückkehren können. Eine Forderung, die den Palästinenserchef ernsthaft in Bredouille bringt. Denn Abbas hatte bei der Bildung einer Einheitsregierung beteuert, die Hamas sei dem Ziel einer friedlich erreichten Zweistaatenlösung verpflichtet. Sollte sich bewahrheiten, dass die Islamisten hinter der Entführung stecken, würde er immens an Vertrauen einbüßen. Womöglich würden Geberstaaten ihn auffordern, mit der Hamas zu brechen – was sich Abbas innenpolitisch nicht leisten kann. Schon seit langem werfen ihm große Teile seines Volkes vor, sich gegenüber Israel zu kooperativ zu zeigen.