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Polizisten verhaften Demonstranten in Ankara.
© dpa

HDP-Politiker verhaftet: Festnahmen türkischer Kurdenpolitiker erinnert an dunkelste Zeiten

Die Volksdemokratiepartei (HDP) ist die drittstärkste Partei in der Türkei. Präsident Erdogan lässt die Vorsitzenden verhaften. So endete in der Nacht zum Freitag wieder einmal die Hoffnung auf Frieden zwischen der Türkei und ihren Kurden.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht setzte Selahattin Demirtas per Twitter noch einen Hilferuf aus seiner Wohnung in Diyarbakir ab. Dann brach ein Sondereinsatzkommando der Polizei die Türe auf und führte den Vorsitzenden der drittstärksten Partei im türkischen Parlament gewaltsam ab. So endete in der Nacht zum Freitag wieder einmal die Hoffnung auf Frieden zwischen der Türkei und ihren Kurden.

Als strahlender Wahlsieger war Demirtas noch im vergangenen Jahr ins türkische Parlament eingezogen. Mehr als sechs Millionen Wähler stimmten im Juni 2015 für die Volksdemokratiepartei (HDP) und den charismatischen Rechtsanwalt an ihrer Spitze – nicht nur kurdische Wähler, sondern auch viele liberale Türken, die damit den Umbau der Türkei zum Präsidialsystem unter Recep Tayyip Erdogan verhindern wollten. Genau das wurde der Partei jetzt zum Verhängnis.

Immer schneller dreht sich der Strudel, der die Türkei in den Abgrund zieht. Zeitgleich mit Demirtas wurden bei nächtlichen Razzien landesweit ein Dutzend weitere HDP-Abgeordnete festgenommen, darunter die Ko-Vorsitzende Figen Yüksekdag und Fraktionschef Idris Baluken. Einige wurden am Freitag bereits dem Haftrichter vorgeführt. Nach Bericht der offiziellen Agentur Anadolu wird ihnen unter anderem Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Die Festnahmen waren möglich, weil allen HDP-Abgeordneten schon vor sechs Monaten die parlamentarische Immunität aberkannt worden war – und zwar mit den Stimmen der anderen Oppositionsparteien ebenso wie denen der AKP.

„Was soll die Aufregung darüber?“

Nach Angaben von Justizminister Bekir Bozdag waren insgesamt 15 HDP-Abgeordnete von der Staatsanwaltschaft zur Festnahme ausgeschrieben. „Was soll die Aufregung darüber?“, fragte der Minister. „Die Türkei ist ein Rechtsstaat, unsere Gesetze gelten eben auch für Abgeordnete, die keine Immunität mehr genießen.“ Die HDP-Politiker wären abgeholt worden, weil sie Vorladungen zum Verhör über die Terrorvorwürfe nicht gefolgt seien, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim. Der Regierungschef bestätigte, dass die Behörden das Internet blockierten, um Proteste und Aufrufe über soziale Medien wie Twitter und Facebook zu verhindern. „Das ist eine vorübergehende Sicherheitsmaßnahme, die manchmal notwendig ist“, sagte Yildirim.

Von den türkischen Medien wurden die nächtlichen Festnahmen der Abgeordneten überwiegend als „Anti-Terror-Operation“ bezeichnet. Fast alle kritischen, oppositionellen oder unabhängigen Medien waren in den vergangenen Monaten schon verboten oder mundtot gemacht worden, zuletzt erst am vergangenen Wochenende ein Dutzend Zeitungen und Agenturen im kurdisch besiedelten Südosten. Ebenfalls am Wochenende waren die gewählten Oberbürgermeister der kurdischen Millionenstadt Diyarbakir verhaftet worden, nachdem in den vergangenen Monaten schon zahlreiche andere kurdische Kommunen unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt wurden.

Das Projekt scheiterte, als Staatspräsdent Erdogan sich davon distanzierte

Die nächtlichen Festnahmen der HDP-Abgeordneten gemahnten an ähnliche Szenen im März 1994, als mehrere kurdische Abgeordnete aus dem türkischen Parlament heraus verhaftet wurden. Unter ihnen war die spätere Sacharow-Preisträgerin Leyla Zana, die 15 Jahre hinter Gittern blieb und heute wieder für die HDP im Parlament sitzt. Ihre Verhaftung und Verurteilung beendete damals die Suche der Kurden nach einer politischen Lösung auf parlamentarischem Wege und läutete weitere Jahre des gewaltsamen Konfliktes ein.

Die kurdische Rebellenorganisation PKK rief am Freitag auch sofort alle Kurden im In- und Ausland zum Aufstand auf. In Diyarbakir explodierte wenige Stunden nach den Festnahmen eine Autobombe vor einer Direktion der Bereitschaftspolizei und tötete acht Menschen, davon zwei Polizisten und sechs Zvilisten.

Erst im Februar letzten Jahres hatte die Regierung mit den HDP-Abgeordneten einen Fahrplan zur Beilegung des Kurdenkonflikts abgesteckt. Im Dolmabahce-Palast am Bosporus gaben damals Vizeministerpräsident Yalcin Akdogan und der HDP-Abgeordnete Sirri Süreyya Önder feierlich eine gemeinsame Erklärung über den Weg zum Frieden ab. Das Projekt scheiterte, als Staatspräsdent Erdogan sich davon distanzierte. Akdogan und der damalige Regierungschef Ahmnet Davutoglu wurden seither entlassen. Und Sirri Süreyya Önder wurde in der Nacht zum Freitag festgenommen.

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