Familienmodelle: Feindbild Prenzlauer-Berg-Mutter
Die Arbeitsministerin hat sieben Kinder, die Familienministerin wird demnächst Mutter. Wie perfekt muss eine Mutter sein? Ein Ortstermin im Familienplanungszentrum.
Irgendwann traut er sich dann doch. Lange genug hat er schweigend dagesessen, jetzt hebt einer der wenigen Männer die Hand, um mitzuteilen, dass er mit dem Begriff der „Supermutter“ nun wirklich nichts anfangen könne. Und Ursula von der Leyen erst: „Warum muss ausgerechnet sie als Paradebeispiel für eine Supermutter herhalten?“ Ja, warum eigentlich gilt die Bundesarbeitsministerin und CDU-Vizevorsitzende als Vorzeigefrau? Das ist eine der Fragen, mit der sich viele Mütter und auch ein paar Väter an diesem Mittwochabend im „Familienplanungszentrum Balance“ beschäftigen. „Mütter 2011: Wie perfekt muss eine Mutter sein?“ – um diese Frage soll es gehen.
Die Antwort folgt prompt. Sieben Kinder hat Leyen, und trotzdem macht sie große Ministerkarriere. Damit prägt sie eine moderne Vorstellung vom Muttersein. Kind plus Karriere, so lautet die angesagte Formel. Dass mit Kristina Schröder (CDU) in Deutschland erstmals auch noch eine amtierende Ministerin schwanger ist, passt in dieses Bild, findet Bettina Borchardt. „Viele Frauen ziehen ihre Zufriedenheit heutzutage aus einer Kombination von Mutterschaft und ihrer Arbeitssituation.“ Wenn man so will, ist die große schlanke Frau, die ihre dunklen Haare zu einem strengen Zopf im Nacken gebunden hat, so etwas wie die Supermutter dieser Veranstaltung. Zwei Kinder hat die 44-Jährige, erzählt sie, „eines im Kindergarten-, eines im Schulalter“. Beschäftigt ist die Frau mit der sonoren tiefen Stimme als Professorin – nebenbei engagiert sie sich im Verband berufstätiger Mütter, in dem sie es bis zur Regionalstellenleiterin gebracht hat. Früher hat Bettina Borchardt in der Werbebranche noch 70 bis 80 Stunden in der Woche gearbeitet; jetzt, da ihre Kinder einen Teil ihrer Aufmerksamkeit auf sich ziehen, kommt sie an der Design-Akademie in Berlin auf 30.
Für die meisten der Anwesenden klingt die Geschichte von Bettina Borchardt wie der perfekte Lebenslauf. Selbstverständlich ist er aber keineswegs. Haben viele Arbeitgeber bei der Stellenvergabe doch immer noch Vorbehalte gegenüber Frauen mit Kindern, wie eine Umfrage des Bürodienstleisters Regus erst kürzlich gezeigt hat. „Mütter werden bei der Arbeitsplatzsuche regelrecht schikaniert“, sagt auch eine Teilnehmerin. „Das habe ich von Bekannten gehört.“
Vom traditionell-konservativen Mutterbild will jedenfalls kaum jemand etwas hören. Vielmehr werden die Frauen kritisiert, die sich jahrelang auf einen solventen Partner verlassen. „Prenzlauer-Berg- Mütter“ nennen sie dieses Phänomen bei der Gesprächsrunde, und schieben das Wort „Naivität“ gleich hinterher. „Wenn man irgendwann auf den Rentenbescheid schaut, fehlen plötzlich zehn Jahre. Und dann?“, fragt Bettina Borchardt spät am Abend in den Raum, ohne eine Antwort zu erwarten. Und überhaupt: „Wer garantiert schon, dass eine Partnerschaft ewig hält?“
Eine Partnerschaft, genau. Einige in der Runde fragen sich, wo denn die Väter in der ganzen Diskussion bleiben. Doch das Thema ist nicht der moderne Mann, hier geht es um die Supermutter, die Powerfrau, um die Superpowermütter – die Beteiligten überschlagen sich mit Superlativen für die Frauen, die Karriere und Kind miteinander zu verknüpfen wissen, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Nur ganz am Schluss bemerkt noch eine, dass es „die perfekte Mutter gar nicht gibt“, schließlich sei sie nur ein Mensch. Das gilt sogar für Ursula von der Leyen.
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