"Watergate" in BND-Zentrale: Fehler beim Durchspülen von Leitungen
War es nun ein Unfall oder ein Anschlag? Polizei ermittelt weiter "in alle Richtungen". Die Bauleute machen sich ihre eigenen Gedanken. Es gibt heftige Kritik an der Sicherheit auf der Baustelle. Die Videoaufzeichnungen sind noch in der Auswertung.
Beim BND ist alles anonym, auch der Bauarbeiter-Treff gegenüber dem Neubau an der Chausseestraße. Hier frühstücken die Sicherheitsleute mit den Installateuren und tauschen den neuesten Tratsch aus. Der Wasserschaden hat dabei natürlich höchste Priorität. Zwei Männer vom Abwassergewerk glauben, die Sache mit den verschwundenen Armaturen könne am ehesten in die Kategorie „banaler Baustellenklau“ eingeordnet werden. Dennoch: „Das Landeskriminalamt ermittelt in alle Richtungen“, erklärt die Polizei, also auch in die Richtung eines politisch motivierten Anschlags auf den BND. Die Informationen zu diesem peinlichen Zwischenfall fließen spärlich. Nach Experteneinschätzung könne der Schaden in Millionenhöhe liegen.
Am Donnerstagabend endlich meldete sich das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung mit einer Pressemitteilung zum "aktuellen Vorfall beim BND-Neubau". Danach wurde am Dienstagmittag durch den Wachschutz ein Wasserschaden gemeldet. In Putzmittelräumen der Bürobereiche in den Obergeschossen vier bis sechs des Hauptgebäudes seien insgesamt fünf Wasserhähne abgebaut worden. Da die Wasserleitungen unter Druck gestanden hätten, seien rund zehn Kubikmeter Wasser ausgetreten, das bis ins Erdgeschoss geflossen sei. Zurzeit würden die sichtbaren Schäden aufgenommen und die notwendigen technischen Untersuchungen veranlasst.
"Wasserüberströmte Personen" wurden von Zeugen gesehen
Aus Sicherheitskreisen hieß es, man gehe mangels Einbruchsspuren derzeit von sogenannten „Binnentätern" aus, also Personen, die für das Gelände akkreditiert gewesen seien. Die Videoaufzeichnungen vom Tatort – die Baustelle wird flächendeckend videoüberwacht – würden derzeit ausgewertet. Zeugen wollen zwei „wasserüberströmte" Personen auf dem Gelände gesehen haben. Der BND selbst hält sich offiziell aus der Sache raus. Die Pressestelle konnte am Donnerstag nur vertrösten. Man habe ja mit der Vorhut von 170 Mitarbeitern nur das nördliche Bürogebäude direkt an der Straße bezogen. Der eigentliche Gebäudekomplex sei ja noch Baustelle und damit in der Regie des Bundesamtes für Bauwesen, das als Bauherr auftritt. Das mit dem Durchspülen von Wasserleitungen haben die Bauarbeiter vom Abwassergewerk auch gehört. „Das ist Routine, muss man wegen der Legionellen machen.“ Offenbar ahnte die Spülfirma nicht, dass einige Wasserhähne fehlten. Dass ein vergleichsweise kleiner Baustellendiebstahl der Polizei gemeldet wird, hat in der Regel versicherungstechnische Gründe. Darauf wies auch gleich der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft hin. „Der Bundesnachrichtendienst ist nur einer von vielen Immobilienbesitzern mit einem Leitungswasserschaden.“ Offenbar ein milliardenschweres Thema.
Auf der Baustelle sind Handys verboten
Dass auf einer Großbaustelle wie dem BND Fehler und Unfälle passieren, kann auch an der mangelnden Kommunikation liegen. Auf der Baustelle sind Handys verboten. „Da findet dich keiner“, sagt ein Elektriker, der im südlichen Klinkerbau, der künftigen Spionageschule, arbeitet. Auch einen Bauleiter aufzutreiben, sei unter diesen Umständen schwierig. „Das ist die ruhigste Baustelle seit 20 Jahren.“ Die Handwerker im Hauptgebäude machen derzeit den Innenausbau und werden dabei von einer ungenannten Zahl von Wachleuten beaufsichtigt. „In die Sicherheitsbereiche kommt man nur nach Voranmeldung rein. Da sitzt dann jemand und bewacht die verschlossenen Türen“, erzählt ein Möbelbauer aus Bremen.
"Die Stasi hätte alles abgeriegelt"
Einer der Wachleute frühstückt Spiegeleier im Bauarbeiter-Treff und freut sich, dass er zum Tatzeitpunkt schon Feierabend hatte. Sagen dürfe er ja gar nichts, aber historische Einordnungen werden ja noch erlaubt sein. „Bei der Stasi wäre da keiner mehr rausgekommen. Die wären mit drei Bussen vorgefahren, hätten alles abgeriegelt und jeden einzeln verhört.“ Und natürlich eine Nachrichtensperre verhängt. An der Ida-von-Arnim-Straße liegen Parkhaus und Technikzentrale des BND-Geländes. Hier fahren die großen Tieflader mit Materialnachschub vor, werden von einem Wachmann eingewiesen und müssen anschließend Ladepapiere vorlegen und sich ausweisen.
Der Wachmann, in signalgelbem Anorak gehüllt, erklärt, dass „sporadisch“ auch die Ladung geprüft werden. Bei der Einfahrt. Beim Rausfahren wird nur noch gegrüßt. „Angesichts des erheblichen Schadens muss nicht bloß ermittelt werden, wer die Täter waren, sondern auch die Vorkehrungen zur Eigensicherung auf der Baustelle müssen auf den Prüfstand", forderte der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz. Zwar gibt es ein eingespieltes Verfahren zur Sicherheitsüberpüfung von Bauarbeitern und Anmeldung von Lieferungen, aber ob diese Mechanismen bei Subunternehmern aus Osteuropa greifen, ist unklar. Das Bundesamt für Bauwesen wollte ursprünglich nur Bauarbeiter mit deutschem Wohnsitz beschäftigen, das ließ sich aber nicht durchhalten.
In einem Jahr sollen die Spione einziehen
Auf Leibesvisitationen verzichtet das Bundesamt bislang. Das würde die Bauarbeiten weiter verzögern. Von Schnelligkeit könne beim BND ohnehin keine Rede sein, sagen die Bauleute. Kein Termindruck wie sonst. „Die wollen gar nicht fertig machen“, glauben die Abwasserfachleute. „Eine Trödelbaustelle“, sagt der Elektriker. Dennoch soll in einem Jahr alles fertig sein. Ob es nun zu Verzögerungen beim BND-Umzug kommt, konnte das Bundesamt nicht beantworten.
Der Bundesnachrichtendienst muss sich nach dem Wasserschaden im Neubau der Zentrale in Berlin Spott und Kritik gefallen lassen. "Wenn Wasserhähne von Dieben unbemerkt ausgebaut werden können, fragt man sich, was andere Geheimdienste dort unbemerkt einbauen können", sagte Konstantin von Notz (Grüne) dem Tagesspiegel mit Blick auf den internationalen Überwachungsskandal des amerikanischen Geheimdienstes NSA. Der Grünen Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele sagte der Nachrichtenagentur AFP bezüglich der Tathintergründe seien nun "der Fantasie Tür und Tor geöffnet." CSU-Innenexperte Stephan Mayer nannte den Vorfall gegenüber dem Tagesspiegel "höchst unerfreulich". Er verwies aber darauf, zunächst die Ermittlungen des Bundesnachrichtendienstes abzuwarten.
Im Netz bekam der Vorfall den Titel "Watergate" verpasst.
Baupläne kamen an die Öffentlichkeit
An das Chaos auf der Flughafen-Baustelle reicht der BND nicht heran, aber die Pannenbilanz kann sich trotzdem sehen lassen. Seit Jahren streitet sich das Bundesamt für Bauwesen mit Firmen, die angeblich schlechte Qualität geliefert haben. Komplett eingebaute Lüftungskanäle wurden wieder herausgerissen, weil die Bauexperten des Bundesamtes auf Pfusch erkannten. Die Firma klagte vor Gericht, die Bauarbeiten verzögerten sich erheblich. Und ein Millionenschaden für den Steuerzahler entstand. Wie bei BER fehlt beim BND-Bau ein Generalunternehmer, der für alles verantwortlich zeichnet. Wegen Umplanungen während der Bauphase wurden viele Baupläne Makulatur. Erschwerend kam hinzu, dass Pläne nur gestückelt herausgegeben wurden, damit nicht zuviel Wissen nach außen gelangt.
Trotz dieser Vorsichtsmaßnahme gelangten 2011 Pläne der sogenannten Nordbebauung, also der Technikzentrale, an die Öffentlichkeit. Der damalige BND-Präsident Ernst Uhrlau spielte die brisante Affäre herunter. Ein Anlass zur Besorgnis bestehe nicht, sagte er.
Der BND-Bau ist über die Jahre erheblich teurer geworden. Von ursprünglich knapp 700 Millionen Euro auf weit über eine Milliarde. Auch der Bundesrechnungshof hat diese Kostenexplosion schon kräftig moniert. Parallelen zum BER drängen sich auch hier auf. Weil Termine und Pläne immer wieder verändert worden, verlangten Firmen üppige Nachzahlungen. Auch Firmeninsolvenzen machten den Bauplanern zu schaffen. Eine Endabrechnung steht noch aus.