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Der 28-jährige Syed Rizwan Farook und seine 27-jährige aus Pakistan stammende Frau Tashfeen Malik: Das Paar hat am Mittwoch in einer Sozialeinrichtung in San Bernadino 14 Menschen erschossen und 21 verletzt.
© AFP
Update

Attentat von San Bernardino: FBI wertet Blutbad als Terrorismus - Fernsehteams durchwühlten Wohnhaus

Das Täterpaar von Kalifornien wird von Islamisten gefeiert, die Frau schwor dem IS-Chef die Treue – trotzdem bleiben Fragen. Für Kritik sorgten indes Fernsehteams, die das Haus des Ehepaares gestürmt hatten.

Die US-Bundespolizei geht bei dem Attentat eines muslimischen Ehepaares in Kalifornien mit 14 Toten inzwischen von Terrorismus als Motiv aus. „Wir behandeln diese entsetzliche Tat als einen Akt des Terrorismus“, sagte der stellvertretende FBI-Direktor von Los Angeles, David Bowdich, am Freitag am Tatort. Eine Verbindung zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ sei jedoch bisher nicht gefunden worden. „Wir können das aber noch nicht abschließend beantworten“, sagt Bowdich.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) erklärte am Samstag über ihren Radiosender Al-Bajan, „zwei Unterstützer“ hätten den Anschlag verübt. Die Täter wurden aber nicht als Mitglieder oder wie ansonsten häufig üblich als „Soldaten des Kalifats“ bezeichnet

Zuvor hatten US-Medien berichtet, dass das Paar durchaus eine Verbindung zum IS habe. Der Sender CNN meldete, die Frau habe bei Facebook dem Anführer der Terrormiliz „Islamischer Staat“, dem selbst ernannten „Kalifen“ Abu Bakr al Baghdadi, die Treue geschworen. Das hätten drei Experten berichtet, die mit den Ermittlungen vertraut seien, berichtete CNN. Tashfeen Malik habe ihren Treueschwur allerdings unter einem anderen Namen gepostet. FBI-Vertreter Bowdich sagte dazu, dies werde nun untersucht.

Chaotische Szenen in der Wohnung der Attentäter von Kalifornien

Noch bevor die FBI den Anschlag offiziell als "Terrorakt" einstufte, hatten US-Fernsehsender das Haus des Ehepaares gestürmt und live daraus berichtet. Danach hagelte es Kritik am Voyeurismus der Medien, aber auch am FBI. Gegen 09.15 Uhr (Ortszeit) hatte der Eigentümer der Wohnung, in der das Ehepaar Syed Farook und Tashfeen Malik gewohnt hatte, die Polizeisiegel entfernt und die Presse eingelassen. Nicht nur dutzende Reporter, Fotografen und Kameraleute stürmten daraufhin in die Wohnung und durchwühlten den Ort, der für die Ermittler von höchstem Interesse ist, weil dort vermutlich der Anschlag geplant wurde.

Noch bevor die FBI den Anschlag offiziell als "Terrorakt" einstufte, hatten US-Fernsehsender das Haus des Ehepaares gestürmt und live daraus berichtet.
Noch bevor die FBI den Anschlag offiziell als "Terrorakt" einstufte, hatten US-Fernsehsender das Haus des Ehepaares gestürmt und live daraus berichtet.
© Reuters/Mario Anzuoni

Auch Neugierige aus der Nachbarschaft stöberten in der Wohnung herum, darunter eine Frau mit ihrem Hund. Einige Reporter zeichneten in der Wohnung Bilder des Ehepaares auf, das eine sechs Monate alte Tochter hatte und von der Polizei nach seiner Attacke auf eine Sozialeinrichtung in San Bernardino am Mittwoch erschossen worden war. Auch ein Foto der 29-jährigen, pakistanischen Attentäterin - vermutlich das erste von ihr - wurde veröffentlicht. "Die Leute haben alles angefasst, einige Reporter haben Bilder aus Fotoalben herausgenommen und sie fotografiert", berichtete AFP-Fotografin Robyn Beck über das Chaos. Das Bett und Kuscheltiere des Kindes wurden ebenso live im Fernsehen gezeigt wie ein Gebetsteppich, Rechnungen der Familie, Führerscheine, Sozialversicherungsausweise, Konservenbüchsen, dreckiges Geschirr und der geschredderte Inhalt des Papierkorbs. Unter den Dingen, die in der Wohnung zu sehen waren, war auch eine FBI-Liste mit beschlagnahmten Gegenständen: Notebooks, Computer-Zubehör, Handy-Karten, Kassetten und Munition. Dem Sender MSNBC zufolge hatte ein Journalist dem Eigentümer der Wohnung 1000 Dollar für den Zutritt bezahlt - die anderen Medienvertreter waren dann ebenfalls hineingedrängt. "Das ist das Chaos hier", rief Eigentümer Doyle Miller aus, der von den Ereignissen offenbar überrollt wurde. Nach etwa 90 Minuten warf der ältere Mann alle wieder hinaus. Dass Fotos und Ausweise zur Identität der beiden Attentäter "kurz" im Fernsehen gezeigt wurden, bedauerte der Sender MSNBC später öffentlich. Andere Medien wie CNN hatten gleich beschlossen, keine Nahaufnahmen von Fotos oder Papieren zu senden, die eine Identifizierung erlaubt hätten. Bei Journalistenkollegen, aber auch bei Strafrechtsexperten war das Entsetzen über den Vorfall groß. CNN-Kriminalitätsexperte Paul Callan kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus: "Ich habe sowas noch nie gesehen", sagte er. "Der Tatort ist jetzt verunreinigt." Das zeuge von einem "schockierenden Maß an Nachlässigkeit und richtiger Rücksichtslosigkeit der Strafverfolgungsbehörden".

Sein CNN-Kollege Jonathan Gilliam pflichtete ihm bei. Er sprach von "dem größten sichtbaren Desaster" für die Behörden in der Geschichte. Die Bundespolizei FBI verteidigte sich gegen den Vorwurf, sie habe die Wohnung nicht ausreichend abgeriegelt. Die Beamten hätten in weniger als 48 Stunden ihre wissenschaftlichen Analysen in der Wohnung in Redlands nicht weit von San Bernardino entfernt abgeschlossen. Wenn ein Tatort den Besitzern wieder überlassen werde, "dann ist das nicht mehr unser Problem, wer da reingeht", sagte David Bowdich vom FBI in Los Angeles. Im Haus des 28-jährigen US-Bürgers Farook und seiner Frau hatten die Ermittler zuvor rund 5000 Schuss Munition und zwölf Rohrbomben gefunden. Außerdem wurde Material zum Bombenbau sichergestellt.

Verbindungen zu Islamisten im In- und Ausland

Für die Sicherheitsbehörden in den USA wie in Deutschland sind noch viele Fragen offen. Zunächst war vermutet worden, dass ein eher privates Motiv oder ein Mix aus islamistischem Fanatismus und persönlichen Problemen dahinter steckt. „Wir halten weiter alles für möglich“, hieß es am Freitag in deutschen Sicherheitskreisen. Hinweise auf Kontakte von dem 28-jährigen Syed Rizwan Farook und seiner 27-jährigen aus Pakistan stammenden Frau Tashfeen Malik zu Salafisten in Deutschland gebe es nicht.

US-Medien sprachen aber von Verbindungen Farooks zu Islamisten im In- und Ausland. Die „Los Angeles Times“ berichtete unter Hinweis auf einen Sicherheitsexperten der Regierung, Farook habe mit mutmaßlichen Extremisten und auch einem Terrorverdächtigen in Verbindung gestanden. Vor allem dieser Kontakt deute auf eine „tiefe Terrormatrix“ bei den „San Bernardino shootings“ hin, zitiert die Zeitung die namenlose Quelle.

Der hatten in einem Sozialzentrum bei einer Feier von Angestellten der städtischen Gesundheitsbehörde um sich geschossen. Das Paar floh, die Polizei spürte die beiden in einem Geländewagen auf. Es kam zu einer weiteren Schießerei, Farook und Malik wurden getötet. In ihrem Haus entdeckte die Polizei später zwölf Rohrbomben sowie mehrere tausend Schuss Munition für Sturmgewehre, Pistolen und weitere Waffen. Farook und Malik hatten sich offenbar darauf vorbereitet, Anschläge zu begehen.

An der Feier im Sozialzentrum hatte Farook, der bei der Gesundheitsbehörde angestellt war, teilgenommen. Er soll nach Angaben von Zeugen still dabeigesessen haben und abrupt mit verärgerter Miene gegangen sein. In Kampfkleidung und schwer bewaffnet kam er mit seiner ebenfalls martialisch ausstaffierten Frau zurück. Das Paar schoss in die Menge, doch offenbar ohne islamistische Parolen zu rufen, wie das meist bei Terrorangriffen zu hörende „Allahu akbar“.

Dennoch feierten mutmaßliche Sympathisanten des IS bei Twitter die Tat mit den Worten „America burning“. Ein Islamist schrieb, „möge Gott Angst verbreiten in den Häusern der Kreuzfahrer“. Der Amoklauf wird bei militanten Islamisten als weiterer Angriff von Glaubensbrüdern auf die USA interpretiert, obwohl die Botschaft der Tat keineswegs eindeutig ist. „Das Angriffsziel ist merkwürdig“, sagen deutsche Sicherheitskreise. Schüsse in einem Sozialzentrum seien nicht so leicht als gezielter Terrorakt gegen Ungläubige zu vermitteln wie eine Attacke auf einen Weihnachtsmarkt oder einen Konzertsaal wie in Paris.

Angehörige hätten keinerlei Anzeichen für „extremistische Ansichten“ gesehen

Deshalb sei zu vermuten, dass Farook und Malik keinen Befehl einer Terrororganisation wie dem IS oder Al Qaida erhalten hätten und auf eigene Faust handelten. Offen ist auch, wie sich Farook und die Frau radikalisiert haben könnten. Und mit wem Farook und Malik in Saudi-Arabien in Kontakt standen.

Nach der Tat. Ermittler untersuchen das Fahrzeug der Angreifer, die von Sonderkommandos getötet wurden.
Nach der Tat. Ermittler untersuchen das Fahrzeug der Angreifer, die von Sonderkommandos getötet wurden.
© REUTERS

Farook hatte 2013 eine „Hadsch“ absolviert, eine Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten in Mekka. Im Juli 2014 reiste Farook wieder in das Königreich und brachte von dort Malik mit einem Verlobungsvisum in die USA. Die Frau beantragte eine Aufenthaltsgenehmigung, im Juli 2015 erhielt sie eine Greencard für den unbefristeten Aufenthalt in den Vereinigten Staaten.

Die Angehörigen des Attentäters wussten nach Angaben ihrer Anwälte nichts von angeblichen Verbindungen zu Terrorgruppen. Sie hätten keinerlei Anzeichen für „extremistische Ansichten“ von Syed Farook gesehen, sagte Anwalt David Chesley am Freitag in Kalifornien. Die Familie, darunter zwei Schwestern und der Bruder von Farook, seien von der Bluttat total schockiert gewesen. Die Familie und die Anwälte würden eng mit der Bundespolizei FBI kooperieren.

"New York Times" kritisiert Waffengesetze - Zeitung druckt erstmals seit 1920 Leitartikel auf der Titelseite

Die renommierte US-Zeitung "New York Times" hat zum ersten Mal seit fast hundert Jahren einen Leitartikel auf ihrer Titelseite veröffentlicht und sich für schärfere Waffengesetze ausgesprochen. In dem Artikel "Beendet die Waffen-Epidemie in Amerika", der am Freitagabend im Internet und am Samstag in der gedruckten Ausgabe erschien, wird ein Verbot bestimmter Waffen und Munition für Privatleute gefordert.

So verschieden die Terroraktivitäten - groß oder klein - in den letzten 15 Jahren auch sind- bei fast allen gibt es irgendeine Verbindung zu Saudi-Arabien - meist erhalten die Täter ihre ideologische Inspiration von dort oder es fließt Geld von Spendern aus diesem Land.

schreibt NutzerIn alterschwede

Es sei ein "moralisches Verbrechen und eine nationale Schande", dass Zivilisten in den USA legal Waffen kaufen könnten, die "in brutalem Tempo und mit brutaler Effizienz" Menschen töten, schrieb die Zeitung. Sie forderte ihre Leser auf, nach der Bluttat in San Bernardino ihre "Aufmerksamkeit und Wut" auch auf Politiker zu richten, denen die Waffenlobby wichtiger sei als die Sicherheit der Bürger. Diese Politiker unterstützten "Möchtegern-Killer, indem sie Waffenmärkte für sie schaffen". Die Wähler erlaubten diesen Politikern, "ihre Jobs zu behalten".

Konkret forderte die "New York Times" ein Verbot von Waffen wie den leicht veränderten Sturmgewehren, die auch die Attentäter von San Bernardino verwendeten, für den privaten Besitz. (mit dpa)

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