Hassparolen auf Facebook: Farce Talk statt Task Force
Was passiert, wenn ein übermächtiges Unternehmen (Facebook) auf einen ohnmächtigen Justizminister (Maas) trifft? Das Unternehmen tut nichts, und der Minister zeigt sich trotzdem zufrieden. Ein Kommentar.
Mit großer Bugwelle ist Heiko Maas ins Gespräch mit Facebook gezogen, lautstark Forderungen formulierend, Erwartungen schürend, die Botschaft: Jetzt greift der Justizminister durch im Kampf gegen „Hatespeech“, gegen Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Nazipropaganda. Am Ende zeigte sich der Minister vollständig zufrieden und sprach: „Ich bin Facebook sehr dankbar, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen.“
Worauf auch immer Maas seine Dankbarkeit gründet – die veröffentlichte Vereinbarung kann es nicht sein. Im Gegenteil: Erstens ist diese geradezu demonstrativ unverbindlich, und zweitens verschiebt sie die Verantwortung von Facebook weg, hin zu NGOs und „Beschwerdestellen“.
Überdeckt werden soll diese Schlappe durch den auch von Maas hervorgehobenen „signifikanten finanziellen Beitrag“, mit dem Facebook künftig dritte Institutionen wie Beschwerdestellen unterstützen will. Was ist denn für Facebook – Börsenwert 234 Milliarden Euro – ein „signifikanter finanzieller Beitrag“? In der Vereinbarung steht davon nichts, weil es ein relativ großer Witz sein wird – und ein relativ kleiner Beitrag.
Und warum überhaupt so? Glaubwürdiger wäre es, Facebook würde zu seinen zehntausend Mitarbeitern selbst eine angemessene Zahl von Lektoren einstellen, um Hassbotschaften und strafrechtlich relevante Beiträge zu löschen.
Vollends grotesk wird es aber beim Blick auf die Aufgaben der zu gründenden „Task Force“, auf die sich immer schnell verständigt, wer nicht wirklich weiter weiß (hier: Maas) oder will (hier: Facebook). Steht da wirklich, diese wie auch immer zusammengesetzte Gruppe soll sich mit „Abgrenzungsfragen“ beschäftigen? Wer soll denn da mit welchem Recht etwas „abgrenzen“?
Die „Abgrenzung“ ist doch klar – sie verläuft zwischen Recht und Unrecht
Bisher gibt es dafür noch immer – trotz Facebook – Gesetze und Gerichte. Die „Abgrenzung“ ist doch klar – sie verläuft zwischen Recht und Unrecht. Sie festzulegen, ist Sache des Parlaments, an ihr entlang zu urteilen, ist Sache der Justiz. Oder will der Minister das zur Disposition stellen, darüber mit einem Privatunternehmen verhandeln? Das läuft auf einen Nazirabatt hinaus – im Dutzend billiger.
Je wirtschaftlich stärker und damit mächtiger ein Unternehmen ist, desto höher ist das Tempo, mit dem der Nutzer eines bestimmten Markenautos die Geschwindigkeitsbeschränkung ungestraft reißen kann? Alles Verhandlungssache? Kann ja wohl nicht sein.
Zugleich, und das mag Maas zupasskommen, lenkt der Focus auf das, was Facebook tut – nein, richtiger: vielleicht tun zu wollen behauptet –, ab von den Versäumnissen im Verantwortungsbereich der Politik. Die Ermittler sind überfordert und brauchen dringend Unterstützung, technisch und personell. Das kostet Geld und bedarf eines Plans. Beides zu organisieren, ist mühsam. Zu mühsam für Maas?
Angesichts der Menge an strafrechtlich Relevantem, was in den sozialen Netzwerken zu finden ist, oft nicht einmal anonymisiert, ist die Zahl der tatsächlich vor Gericht gebrachten Verfahren lächerlich: Es ist die Ausnahme, dass – wie gerade in Berlin – jemand zu einer Geldstrafe verurteilt wird, weil er die Erschießung von Ausländern gefordert hatte. Es wäre schön, könnten wir dem Minister dankbar dafür sein, dass er seine Verantwortung wahrnimmt.