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Politik: „Falsches Signal“

Freiwillig Dienstleistende sollen Steuern zahlen. Politik und Verbände fürchten nun um die Attraktivität.

Berlin - Ist das nur eine weitere Idee aus dem Hause Schäuble, um die Einnahmen des Staates zu erhöhen? Oder steckt mehr dahinter? Tatsache ist, dass anders als bisher künftig Steuern zahlen soll, wer freiwillig Wehrdienst oder soziale Dienste leistet. Das jedenfalls sieht ein Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2013 aus dem Bundesfinanzministerium vor.

Der ist zunächst nicht mehr als genau das: ein Entwurf, der noch zwischen den Ressorts abgestimmt werden muss. Doch das könnte spannend werden, denn das Vorhaben ist in der Koalition umstritten. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) muss mit Widerstand rechnen. Verteidigungsminister Thomas de Maiziére (CDU) will an der Steuerfreiheit als Anreiz festhalten. Im Familienministerium ist von einem falschen Signal die Rede. Die FDP grollt. Opposition und Betroffenenverbände reagieren verständnislos. Dabei geht es offenbar mehr um die Symbolik als um gravierende finanzielle Auswirkungen.

Derzeit leisten 20 000 Menschen freiwillig Wehrdienst. Sie haben sich für sieben bis 23 Monate verpflichtet. Ihre Einkünfte richten sich nach der Länge des Dienstes und bewegen sich zwischen 777 und 1146 Euro pro Monat – plus Sachleistungen wie Verpflegung und Unterkunft. Für sie könnten sich die Einbußen auf durchschnittlich 65 Euro im Monat belaufen, wie eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärt. Im Gegenzug allerdings sollen freiwillig Wehrdienstleistende künftig in den ersten sechs Monaten Kindergeld bekommen können.

Im Bundesfreiwilligendienst sind derzeit etwa 35 000 Menschen tätig. Hier sind 336 Euro als Höchstgrenze für das Taschengeld festgelegt. Nach Angaben des Familienministeriums würde die Steuerpflicht „in weit über 90 Prozent der Fälle“ keine Auswirkungen haben, da das Taschengeld der Bufdis unter den steuerlichen Freigrenzen liege. Für den Fiskus interessant sind Einkünfte erst über dem steuerlichen Grundfreibetrag von 8004 Euro pro Jahr für Ledige. Hinzu kommen weitere steuerliche Freibeträge. Dennoch sei die Regelung „ein völlig falsches Signal“, meint Josef Hecken, Staatssekretär im Familienministerium. Er befürchtet eine „politisch verheerende Wirkung“. Es könne der Eindruck erweckt werden, „als wolle der Staat am freiwilligen Engagement auch noch verdienen“. Damit bestehe „die große Gefahr, dass damit die Engagementbereitschaft abgewürgt wird“.

In der Vergangenheit waren der Sold der Wehrpflichtigen und Bezüge von Zivildienstleistenden steuerfrei. Daran wurde auch nicht gerüttelt, als die Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 ausgesetzt und der freiwillige Wehrdienst sowie der Bundesfreiwilligendienst eingeführt wurden. Jetzt beruft sich das Finanzministerium auf das Gleichheitsgebot und die Steuergerechtigkeit. „Auch angesichts der langen Dauer des vorgesehenen Freiwilligen Wehrdienstes von bis zu 23 Monaten und der doch beachtlich hohen Bezüge liegt eine auf die Einkünfteerzielung ausgerichtete übliche Berufstätigkeit vor, die der regelmäßigen Besteuerung unterliegen muss“, heißt es in der Gesetzesbegründung auf Seite 71.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff zeigte sich von Schäubles Vorschlag überrascht. Vor einem Jahr, als man in der Koalition über die Folgen der Wehrpflichtaussetzung diskutierte, habe die FDP eine einheitliche gesetzliche Grundlage für den Dienst in den Streitkräften auf der Basis des Soldatengesetzes schaffen wollen. Darauf habe sich die Union damals nicht eingelassen. In der Folge seien freiwillig Wehrdienstleistende finanziell schlechter gestellt als kurzdienende Zeitsoldaten. Vor diesem Hintergrund könne sie den jetzigen Vorstoß „politisch nicht akzeptieren“, sagte Hoff, „da damals eine Besteuerung bei der Entscheidung für die Einführung des freiwilligen Wehrdienstes keine Rolle spielte.“ Wenn der Finanzminister nun plötzlich eine Steuerpflicht für unverzichtbar halte, müsse eine neue Rechtsgrundlage für freiwillig Wehrdienstleistende geschaffen werden.

Der SPD-Abgeordnete Sönke Rix wirft dem Finanzminister angesichts der niedrigen Bufdi-Bezüge Ahnungslosigkeit vor. Die Grünen-Sprecherin für Abrüstungspolitik, Agnieszka Brugger, sagt: „Engagierte müssen für ihren Einsatz von der Gesellschaft mehr zurück bekommen als warme Worte.“ Die Arbeiterwohlfahrt spricht von „einem echten Armutszeugnis“. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnt vor einer neuen Verunsicherung bei Freiwilligen und Einsatzstellen. Der Bundeswehrverband beklagt, die Armee habe nach dem Aussetzen der Wehrpflicht auch mit dem Vorteil der Steuerfreiheit für den freiwilligen Dienst geworben – für den dürften sich, so die Befürchtung, weniger Männer und Frauen interessieren, sollte Schäuble sich durchsetzen.

Michael Schmidt

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