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Das IW kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der derzeit angewendete Königsteiner Schlüssel keinen geeigneten Mechanismus zur Verteilung der Flüchtlinge auf die Länder darstellt.
© Stefan Rampfel/dpa

Flüchtlinge in Deutschland: Experten fordern andere Verteilung der Flüchtlinge

Dringend reformbedürftig: Zwei Gutachten kritisieren die Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland. Bei der Finanzierung bekämen vor allem ostdeutsche Flächenländer zu wenig Geld.

Von Ronja Ringelstein

Der Königsteiner Schlüssel - das Prinzip, nachdem in Deutschland Flüchtlinge auf einzelne Bundesländer verteilt werden - ist ungeeignet. Zu diesem Schluss kommen sowohl das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln als auch das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut der Uni Köln. Die maßgeblichen Kriterien, die für Integration wichtig sind, würden dabei nicht berücksichtigt. Die Verteilung der Flüchtlinge auf Länder und Kommunen sollte sich in Zukunft stärker an Kriterien wie Wohnraumkapazitäten und Integrationsmöglichkeiten orientieren. Dies und auch die Verteilung der Bundesfinanzmittel auf die Länder sei dringend reformbedürftig.

Bereits die Erstversorgung und Registrierung der Flüchtlinge stellt deutsche Behörden vor enorme Herausforderungen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland mehr Asylanträge gestellt als jemals zuvor. Ausreichend Wohnraum und die nötige Infrastruktur für deren Versorgung müssen aber auch langfristig zur Verfügung gestellt werden. Das IW und das Fifo haben im Auftrag der Robert Bosch Stiftung untersucht, wie Integration künftig besser gewährleistet werden kann, die beiden Gutachten wurden am Mittwoch in Berlin vorgestellt.

Königsteiner Schlüssel zur Verteilung ungeeignet

Bislang wird die Verteilung der Asylsuchenden mit dem Königsteiner Schlüssel geregelt. Der Anteil, den ein Land danach zu leisten hat, richtet sich zu zwei Drittel nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl. Die Quote wird jährlich neu ermittelt. Im Jahr 2015 hat etwa Nordrhein-Westfalen die höchste Quote und Bremen die niedrigste Quote Asylsuchende aufzunehmen. Das sei aber nicht der perfekte Weg, wie das Gutachten des IW zeigt. Der Schlüssel sei angesichts der großen Zahl von Asylbewerbern nicht mehr zeitgemäß. Denn er bilde nicht ab, wie gut die Kommunen in der Lage seien, Flüchtlinge unterzubringen, zu versorgen und zu integrieren. Diese Kriterien seien aber wichtig: "Vor allem sollten die Perspektiven für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem berücksichtigt werden, denn sie sind für die erfolgreiche Integration der Flüchtlinge von zentraler Bedeutung", so Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer des  IW. Außerdem müssen zugleich Anreize für die Länder und Kommunen geschaffen werden, diese Kriterien auch zu erfüllen und Flüchtlinge aufzunehmen.

Besondere Bedürfnisse müssen Rolle spielen

Bei der Verteilung der Flüchtlinge müsse man verstärkt auf besondere Bedürfnisse einzelner Flüchtlingsgruppen eingehen und etwa Flüchtlinge mit angefangenem Studium oder Hochschulzugangsberechtigung gezielt an Hochschulstandorten unterbringen, so das IW-Gutachten im Ergebnis. Erstaufnahmeeinrichtungen sollten erheblich ausgebaut werden und nur Flüchtlinge mit guten Bleibeperspektiven auf die Kommunen verteilt werden. Die Kommunen wiederum müssten genügend Vorlauf haben, die Unterbringung und Versorgung zu organisieren.

"Die Gutachten bieten eine Analyse der aktuell unbefriedigenden Verteilung von Flüchtlingen und der finanziellen Leistungen auf die Länder und Kommunen. Und sie geben konkrete Empfehlungen, wie ein gerechterer Mechanismus aussehen kann", sagt Armin Laschet, Vorsitzender der Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik.

Finanzmittel müssen "treffsicher" ankommen

Das Gutachten des FiFo Köln kommt zu dem Schluss, dass es nötig sei, die Verteilung der finanziellen Leistungen durch den Bund zu reformieren. Damit die Finanzmittel auch "treffsicher" ankämen, müsse man sie nach dem Leitsatz "Geld folgt Flüchtling" verteilen. Für 2016 hat der Bund den Ländern für die Finanzierung der Flüchtlingsleistungen 3,64 Milliarden Euro zugesagt. Aber: „Die Verteilung der Gelder in der Flüchtlingspolitik berücksichtigt nicht, welche Länder bei der Flüchtlingsversorgung besonders viel leisten“, so FiFo-Geschäftsführer Dr. Michael Thöne.

Vor allem ostdeutsche Flächenländer bekämen zu wenig Mittel

Verglichen mit der Verteilung der Flüchtlinge bekämen vor allem die ostdeutschen Flächenländer zu wenige Bundesmittel, wohingegen die Stadtstaaten zu viel Geld erhielten. Als Beispiel werden Mecklenburg-Vorpommern und Bremen aufgeführt: 5,8 Prozent fehlt dem ostdeutsche Bundesland an Mitteln, an Bremen gehen hingegen 11,3 Prozent mehr als durchschnittlich. Die Verteilungsmaxime „das Geld folgt dem Flüchtling“ erklärt das FiFo Köln so: Finanzielle Mittel sollen mit dem gleichen Maßstab wie bei der Verteilung der Flüchtlinge auf Länder und Kommunen umgelegt werden. Vor allem in Bildung müsse langfristig investiert werden, deshalb empfiehlt das FiFo Köln, die Mittel in einem bildungsorientieren Finanzausgleich dorthin zu lenken, wo eine große Bildungsnachfrage entsteht.

Bayern übernimmt 90% der pauschalierten Kosten

Einige Bundesländer wie etwa Bayern übernahmen im Jahr 2015 über neunzig Prozent der pauschalierten Kosten für Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen - das sei erheblich mehr als andere Länder erstatten. Allerdings würden die Erstattungen nirgends auf realistischen Erhebungen der Kosten beruhen, die die Kommunen tatsächlich aufbringen müssen. Um solche Ungleichgewichte zu beheben, so die Empfehlung der Expertenkommission, sollte man weitere kommunale Sozialleistungen vom Bund übernehmen zu lassen und Bundesmittel ohne den Umweg über die Länder auch direkt an die kommunale Ebene zu leiten. Es sei deshalb eine Diskussion über die unterschiedlichen Regelungen bei der Kostenerstattung der Länder an die Kommunen nötig, um Ungerechtigkeiten zu beheben: „Entscheidend für die Integration der neuen Zuwanderer ist, dass sie in unserer Gesellschaft  Chancen erhalten, um Fuß fassen zu können“, sagt Uta-Micaela Dürig, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung „Die Ergebnisse der Gutachten sollen eine konstruktive Diskussion darüber anregen, wie Kommunen und Länder dabei besser unterstützt werden können.“  

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