Versagen bei der NSU-Aufklärung: Experten empfehlen strengere Kontrollen für V-Leute
Darf der Staat mit Mitgliedern der rechten Szene kooperieren? Die Bund-Länder-Kommission zum Rechtsterrorismus findet den Einsatz solcher V-Leute zulässig und nötig. Die Experten fordern aber klarere Regeln und Kontrolle - nicht nur für den Verfassungsschutz.
Der Verfassungsschutz soll nach Einschätzung der Bund-Länder-Kommission zum Rechtsterrorismus auch künftig mit V-Leuten in der rechten Szene zusammenarbeiten dürfen. Um Ermittlungspannen wie bei der NSU-Mordserie zu verhindern, müssten jedoch der rechtliche Rahmen und die Kontrolle neu geregelt werden.
Zu diesem Ergebnis kommt die vierköpfige Kommission in ihrem Abschlussbericht, den das Gremium am Donnerstag bei der Innenministerkonferenz in Hannover vorstellte.
Die Bundesregierung hatte die Kommission im Februar 2012 eingesetzt - als Folge der schwerwiegenden Versäumnisse im Fall NSU.
Die Runde sollte Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern erarbeiten. Diese waren der rechtsextremen Terrorzelle NSU jahrelang nicht auf die Spur gekommen.
Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ werden zehn Morde zur Last gelegt: Zwischen den Jahren 2000 und 2007 soll die Bande neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer und eine Polizistin umgebracht haben. Bei der Aufarbeitung der Ereignisse seien mehr als 60 Schnittstellen identifiziert worden, „an denen es ganz konkret Versäumnisse gegeben hat“, sagte Kommissionssprecher Eckhart Müller.
„Insbesondere fehlte es aus unserer Sicht an drei wesentlichen Merkmalen: Klarheit, Kommunikation, Kontrolle“, betonte er. Nur durch „klare, einheitliche und verpflichtende Regeln“ könne erreicht werden, dass es keine Unsicherheiten beim Austausch von Informationen mehr gebe. „Es darf nicht sein, dass Polizei und Verfassungsschutz parallel gefährliche Personen beobachten, ohne voneinander zu wissen oder die erlangten Erkenntnisse zu teilen.“ Unter anderem empfiehlt die Kommission in dem 365-seitigen Bericht, den Schutz von Informanten des Verfassungsschutzes zu überarbeiten. Solche V-Leute hatten in der NSU-Affäre eine zwielichtige Rolle gespielt.
„Der Quellenschutz ist nicht absolut“, heißt es in dem Kommissionsbericht. Der Schutz von Leib und Leben der Quelle, die Arbeitsfähigkeit der Behörden und die berechtigten Belange von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr seien in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Bei der Aufarbeitung der NSU-Morde war mehrfach der Vorwurf aufgekommen, Sicherheitsbehörden hätten dem Schutz von V-Leuten Vorrang vor der Aufklärung gegeben.
Ferner dürfe es keine Freibriefe für V-Leute geben, wenn diese Straftaten begangen hätten. „Das kommt nicht in Betracht“, heißt es in dem Bericht. Letztlich müsse es aber Sache der Staatsanwaltschaften bleiben, bei Rechtsbrüchen von V-Leuten und deren Führern gegebenenfalls von einer Strafverfolgung abzusehen.
Darüber hinaus müsse es auf Bund- und Länderebene eine starke Dienst- und Fachaufsicht für Polizei und Verfassungsschutz geben. Die Experten schlagen hierzu die Einrichtung eines Regierungsbeauftragten für die Kontrolle vor. „Wir brauchen Mechanismen, die greifen, wenn etwas bei den Sicherheitsbehörden nicht richtig läuft“, betonte Müller. Denkbar sei dies nach dem Vorbild des Bundesdatenschutzbeauftragten. Die Experten empfehlen auch eine Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hin zu einer „Zentralstelle“, vergleichbar mit dem Bundeskriminalamt.
Der Generalbundesanwalt soll nach dem Willen der Experten mehr Befugnisse bekommen. Bislang sind den Kompetenzen der Bundesanwaltschaft enge Grenzen gesetzt: Die Karlsruher Behörde darf derzeit nur dann die Ermittlungen übernehmen, wenn dies in den komplizierten Zuständigkeitsvorschriften vorgesehen ist. (dpa)