Nach deftiger Kritik an Berliner SPD: Ex-SPD-Chef Gabriel unterstützt Buschkowsky
Hat die SPD sich zu wenig für die „arbeitende Bevölkerung“ eingesetzt? Nachdem der Neuköllner Ex-Bürgermeister Buschkowskys seine Partei das vorgeworfen hat, bekommt er nun Unterstützung von Sigmar Gabriel.
Nachdem der ehemalige Bürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), scharfe Kritik an seiner Partei geübt hatte, erfährt er Unterstützung durch den Ex-SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. "Der britische Historiker Timothy G. Ash hat vor wenigen Tagen gesagt, dass wir die Gleichheit der Aufmerksamkeit und der Chancen vernachlässigt haben", sagte der ehemalige Außenminister dem Tagesspiegel. Buschkoswsky habe das selbe gesagt - nur eben etwas deftiger. Der Teil der Gesellschaft, der nicht studiert habe, fühle sich in einer offenen kosmopolitischen Welt "vernachlässigt, marginalisiert, ignoriert und verachtet", sagte Gabriel. Dies sei ein Fehler der liberalen Eliten.
Buschkoswsky hatte in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich hart gegen die eigene Partei ausgeteilt. Er bezeichnete die SPD als „Klugscheißerpartei“, die „auf dem Weg zurück zu Klassenkampf, Volkshochschulpolitik, Avantgarde des Proletariats“ sei. Aus Buschkowskys Sicht ist die eigentliche Klientel die „arbeitende Bevölkerung“. Für deren Belange setze sich die Partei zu wenig ein, seitdem sie mehr und mehr von akademisierten Funktionären und immer weniger von Menschen aus Arbeiterfamilien geführt werde, sagte er in dem Interview. Stattdessen kämpfe die SPD für „für gesellschaftliche Randgruppen“. Sie spendiere „Geld ans Milieu. An Menschen, die weder ihren Eltern noch der Lehrerin zugehört haben. Sie haben keinen Beruf, liegen morgens zu Schichtbeginn noch im Bett ... die Kinder schwänzen die Schule.“ Und weiter: „Sie sind halt benachteiligt und diskriminiert. Das versteht kein Normalbürger.“
Gabriel über Buschkowsky: "Sozialdemokrat von echtem Schrot und Korn."
Besonders hatte es der ehemalige Bürgermeister von Neukölln aber auf den Berliner Landesverband abgesehen, in dem er selbst Mitglied ist. Seine Kritik an den Berliner Genossen gipfelte in den Sätzen, die hauptstädtische SPD gelte „nicht umsonst als unterirdischster Landesverband der deutschen Sozialdemokratie. Da sind viele Kranke unterwegs.“
"Man muss seine kräftige Ausdrucksweise und nicht mal seine Meinung teilen, aber seine großartigen Wahlergebnisse zeigen: seine Wähler verstehen ihn und fühlen sich von ihm verstanden", sagte Sigmar Gabriel. Dieser sei ein "Sozialdemokrat von echtem Schrot und Korn." Inhaltlich liegen Gabriel und Buschkowsky auf der selben Linie. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2017 sagte der Ex-Außenminister, die SPD habe sich zu wenig um die einfachen Menschen gekümmert, zu viel um Hipster und Gender, zu wenig um Gerechtigkeit.
Viele Sozialdemokraten schätzen das längst anders ein. Als ob Emanzipation nur etwas für die Elite wäre, hielten Kritiker Gabriel postwendend entgegen. Und sie sehen sich von Sozialforschern bestätigt. Besonders in Berlin, dessen klassische Industriearbeiterschaft stark geschrumpft ist, während der Dienstleistungssektor kräftig wuchs. Die SPD sei „schon lange keine Arbeiterpartei mehr“, sie werde „von der Dienstleistungsklasse gewählt“, sagte die Sozialwissenschaftlerin an der Berliner Humboldt-Universität Naika Foroutan am Sonntag im Tagesspiegel-Interview.
Auch beim Rest der Partei kommt Buschkowskys Attacke schlecht an. Die Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli, schreibt auf Twitter lapidar: „Noch so einer, der vom SPD-Bashing lebt.“ Daniel Buchholz, SPD-Sprecher für Stadtentwicklung und Umwelt im Abgeordnetenhaus, sagte auf Anfrage, normalerweise schätze er Buschkowskys klare Worte. „Aber ich glaube, diesmal hat er drei Nächte lang schlecht geschlafen.“