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Politik: Ex-Serbenführer Milosevic ist tot

Der wegen Kriegsverbrechen und Völkermord angeklagte 64-Jährige stirbt im UN-Gefängnis in Den Haag

Den Haag/Salzburg - Der als Kriegsverbrecher angeklagte frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic ist im Gefängnis gestorben. Das UN-Tribunal in Den Haag teilte mit, der 64-Jährige sei am Samstag leblos auf dem Bett seiner Zelle im UN-Gefängnis in Scheveningen gefunden worden. Ein sofort herbeigerufener Mediziner habe den Tod festgestellt. Ob der seit knapp fünf Jahren inhaftierte Milosevic eines natürlichen Todes gestorben ist, blieb zunächst offen. Es wurde eine Obduktion angeordnet.

Der Serbe Milosevic galt als maßgeblicher Anstifter der Kriege in den 90er Jahren auf dem Balkan, in deren Verlauf zehntausende Menschen bei so genannten ethnischen Säuberungen getötet wurden. Milosevic war seit Juni 2001 in Haft, seit Februar 2002 lief ein Völkermordprozess gegen ihn. Die mündliche Verhandlung hätte im Mai beendet werden sollen. Erst kürzlich hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass dem früheren Staatschef lebenslange Haft drohe. Milosevic litt unter häufigen Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen, weshalb der Prozess mehrmals unterbrochen werden musste. Ende Februar hatte das Gericht einen Antrag der Pflichtverteidiger abgelehnt, ihn zur Behandlung in einer Spezialklinik vorübergehend nach Moskau zu entlassen. Das Gericht hatte befürchtet, der Angeklagte werde nicht zurückkehren. In Moskau leben nach russischen Medienberichten auch seine Frau und sein Sohn.

Die Verantwortung am Tod seines Bruders liege beim „UN-Tribunal“, sagte Borislav Milosevic in Moskau. Dort hatte er noch vor wenigen Jahren als Botschafter gewirkt. Die Sozialistische Partei Serbiens, deren Chef Slobodan Milosevic trotz seiner Haft geblieben war, sprach sogar von Mord. Das russische Außenministerium kritisierte indirekt die Richter des Tribunals. „Wir bedauern, dass ungeachtet unserer Garantien das Tribunal Milosevic die Möglichkeit einer ärztlichen Behandlung in Russland untersagt hatte“, sagte ein Sprecher.

An der vom Haager Gerichtspräsidenten Fausto Pocar angeordneten Autopsie sollten serbische Ärzte mitwirken, verlangte der serbisch-montenegrinische Minister Rasim Ljajic. Damit solle allen Spekulationen über den Tod von Milosevic der Boden entzogen werden, so der Regierungsbeauftragter für das Kriegsverbrechertribunal. Vor einer Woche hatte sich der bereits verurteilte frühere serbische Politiker Milan Babic im UN-Gefängnis umgebracht, als er darauf wartete, in einem Prozess als Zeuge vernommen zu werden.

Die EU nahm Milosevics Tod zum Anlass, die Menschen in Serbien zur Aussöhnung aufzurufen. Außenminister Frank- Walter Steinmeier sagte, die Bemühungen sollten erneuert werden, auf dem Balkan Frieden und Stabilität zu erreichen. „Politisch gesehen, ändert der Tod nichts an der Notwendigkeit für die Region und für Belgrad, die Altlast der Vergangenheit zu bewältigen“, sagte die derzeitige EU- Ratspräsidentin, Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik, in Salzburg. „Eine Altlast, von der Slobodan Milosevic ein Teil war.“ EU-Chefdiplomat Javier Solana zeigte sich betroffen vom Tod Milosevics. „Ich hatte für eine sehr lange Zeit eine sehr komplizierte Beziehung zu ihm. Er ist in sehr intensiver Weise Teil meines Lebens gewesen“, sagte er. Solana war während des Kosovo-Krieges im Jahr 1999 Nato-Generalsekretär.

Der frühere Bosnien-Beauftragte der EU, Paddy Ashdown, äußerte Bedauern, dass der Kriegsverbrecherprozess gegen Milosevic nicht zu Ende gebracht werden konnte. Im Sender Sky News beschrieb der Brite den Verstorbenen als „schlauen, charismatischen Politiker ohne viel Moral“. Milosevic sei „weniger ein Nationalist als vielmehr ein Opportunist“ gewesen.

Der kroatische Präsident Stjepan Mesic, als letzter Staatspräsident von Jugoslawien einer der Gegner von Milosevic, sagte: „Schade, dass Milosevic nicht das Ende seines Prozesses und seine verdiente Strafe erlebt hat.“ Der serbische Außenminister Vuk Draskovic, dessen Familie vom Milosevic-Regime verfolgt und der selbst in Zeiten der Diktatur mit dem Tode bedroht worden war, bedauerte das unerwartete Ende Milosevics: Der Angeklagte entgehe seiner Verurteilung vor einem internationalen Gericht und damit der Gerechtigkeit. dpa/tog

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