Krisengipfel in Cannes: Euro-Rettung unter Palmen
Das vom griechischen Premier Giorgos Papandreou angekündigte Referendum überschattet den G-20-Gipfel. Wie geht die Welt nun mit den Griechen um?
- Albrecht Meier
- Antje Sirleschtov
- Christoph von Marschall
Es hätte eigentlich ein glanzvoller Moment für Nicolas Sarkozy werden sollen. Frankreichs Präsident, der am Donnerstag und Freitag die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) nach Cannes eingeladen hatte, wollte das Treffen dazu nutzen, die Finanzsysteme zu bändigen. Doch anders als geplant wird der Gipfel nun im Zeichen des Griechenland-Dramas stehen. Nach der Ankündigung des griechischen Premiers Giorgos Papandreou, das neue Rettungspaket für Athen seinen Landsleuten zur Abstimmung vorzulegen, ist die Welt aufgeschreckt und Panik an die Finanzmärkte zurückgekehrt. Deshalb trafen sich vor dem eigentlichen Gipfel am Mittwochabend Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den EU-Spitzen José Manuel Barroso, Herman Van Rompuy und Jean-Claude Juncker sowie IWF-Präsidentin Christine Lagarde. Sie stoppten zunächst die bereits zugesagten Hilfen für Athen.
Gefährdet die Referendums-Ankündigung den Zeitplan zur Euro-Rettung?
Der Euro-Gipfel in der vergangenen Woche hatte sich auf ein Paket verständigt, mit dem die Staats- und Regierungschefs die Schulden- und Finanzkrise endlich in den Griff bekommen wollten. Dazu gehört ein Schuldenschnitt für Griechenland sowie eine Verstärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF, mit dessen Hilfe ein Übergreifen der Griechenland- Krise auf andere gefährdete Euro-Länder wie Italien verhindert werden soll. Nachdem Papandreou das Griechenland-Hilfspaket nun durch die geplante Volksabstimmung absegnen lassen will, droht auch das ganze Paket wieder auseinanderzufallen, das noch vor einer Woche in einer mühevollen Nachtsitzung beschlossen worden war.
So steht nun auch der geplante Schuldenschnitt für Griechenland wieder infrage. Eigentlich ist geplant, dass die griechische Regierung den Banken und Versicherungen bis Anfang kommenden Jahres ein Angebot macht, die Hälfte ihrer Anleihen in neue Bonds umzutauschen. Gleichzeitig sollen 50 Prozent der Schulden, mit denen der griechische Staat bei den Privatgläubigern in der Kreide steht, verfallen. Doch dieser Deal könnte platzen. Zwar beteuert der internationale Bankenverband IIF, der an den nächtlichen Verhandlungen in Brüssel beteiligt war, dass die Gespräche über die Details des Schuldenschnitts mit der Regierung in Athen trotz Papandreous Ankündigung weitergehen. Allerdings sind Zweifel angebracht – schließlich erklärte der deutsche Bankenverband am Mittwoch, dass der freiwillige Verzicht auf die Hälfte der Forderungen so lange auf Eis liege, wie das geplante Referendum in Griechenland nicht über die Bühne sei.
Bekommt Griechenland die nächste
Zahlung aus dem Hilfspaket?
Der augenfälligste Beleg dafür, dass das Hilfspaket der Euro-Länder vom vergangenen Donnerstag durch die Ankündigung eines griechischen Referendums wieder aufgeschnürt wird, ist die Griechenland-Hilfe selbst. Aktuell geht es dabei um die Tranche von acht Milliarden Euro aus dem sogenannten ersten Griechenland-Hilfspaket, das 2010 verabschiedet wurde. Die Euro-Finanzminister hatten in der vorletzten Woche zugestimmt, dass die nächste Kredittranche ausgezahlt wird. Deutschland ist mit 1,7 Milliarden Euro beteiligt. Ursprünglich sollte das Geld dieser Tage fließen.
Nun jedoch wird es vorerst keine Auszahlung geben – das wurde am Mittwochabend bei dem Treffen in Cannes beschlossen. Deutschland und Frankreich knüpfen die Auszahlung der sechsten Tranche an Bedingungen: Die Griechen müssten die Beschlüsse des Brüsseler Gipfels vom 27. Oktober erfüllen, und das geplante Referendum müsse positiv für den Euro ausgehen, sagte Merkel am Mittwochabend in Cannes nach ihrem Treffen mit Sarkozy und Papandreou. Da die Volksabstimmung erst Anfang Dezember stattfinden soll, müssen sich die Griechen in jedem Fall noch gedulden, bis die Staatskasse die dringend benötigten acht Milliarden Euro erhält.
Was wird aus dem Hebel, der die Wirkung des Rettungsfonds erweitern sollte?
Die Ankündigung Papandreous erschwert die geplante Verstärkung des Rettungsfonds EFSF. In Cannes hatten sich die Europäer unter zahlungskräftigen G-20-Ländern wie China, Japan oder Indien eigentlich auf die Suche nach Investoren machen wollen, die dem EFSF zu seiner viel beschworenen Hebelwirkung verhelfen sollen. Doch daraus wird jetzt erst einmal nichts. Denn Investoren fürchten nichts so sehr wie politische Risiken – und die hat Papandreous Ankündigung zweifellos ausgelöst. So dämpfte etwa Indiens Finanzminister Pranab Mukherjee bereits die Erwartungen. Die Europäer müssten zunächst die Probleme lösen, sagte er.
Welche Erwartungen haben die USA
an die Europäer?
Aus US-Sicht hat Europa erneut die Hoffnung enttäuscht, dass es die Euro-Krise durch schnelles und entschlossenes Handeln entschärft. An der Wall Street brach der Dow Jones am Dienstag um 3,5 Prozent ein, der stärkste Kurssturz seit Monaten, und erholte sich am Mittwoch nur zögerlich. Präsidentensprecher Jay Carney mahnte: „Die Europäer müssen Klarheit schaffen und die äußerst wichtigen Rettungsmaßnahmen, die sie in der vergangenen Woche beschlossen haben, rasch umsetzen.“ Auf die skeptischen Fragen der Korrespondenten im Weißen Haus, ob das griechische Referendum die erhoffte Stabilisierung entwerte, sagte Carney: Die Europäer „verfügen über die Möglichkeit, das Problem zu lösen“. Obama und sein Finanzminister Geithner hielten es aber für nötig, „die europäischen Partner zu beraten und zu leiten“.
Ein zusätzlicher Nachteil für Obama ist, dass alle Aufmerksamkeit und alle Energien der G 20 sich nun auf die verschärfte Euro-Krise richten. Das beeinträchtigt seine Chancen, amerikanische Ziele zur Sprache zu bringen.