EU-Austritt Großbritanniens: EU setzt Briten Zwei-Wochen-Frist für Brexit-Einigung
Ultimatum für Großbritannien: Binnen 14 Tagen will die EU aus London Zugeständnisse für die Brexit-Bedingungen. Für Deutschland könnte der britische EU-Austritt teuer werden.
Der EU-Chefunterhändler Michel Barnier machte am Freitag in Brüssel zum Abschluss der jüngsten Brexit-Verhandlungsrunde darauf aufmerksam, dass seit dem historischen Brexit-Referendum am 23. Juni 2016 mehr als 500 Tage verstrichen sind. In dieser Zeit ist einiges geschehen: Großbritannien hat mit Theresa May eine neue Premierministerin bekommen, deren Stuhl inzwischen gehörig wackelt. Das Datum des EU-Austritts, nämlich der 29. März 2019, steht seit dem vergangenen Frühjahr auch schon fest. In einem Punkt gibt es allerdings überhaupt noch keine Klarheit: welche Summe die Briten beim EU-Austritt bei der Begleichung der Abschlussrechnung nach Brüssel überweisen werden.
May hat sich bislang nur schwammig geäußert
Angesichts dieser Hängepartie machte Barnier am Freitag deutlich, dass er von der Regierung in London innerhalb der nächsten 14 Tage eine Antwort auf die Frage erwartet, welchen Beitrag Großbritannien beim Exit aus der EU zahlen will. Bislang hat Regierungschefin May in ihrer Rede in Florenz im September lediglich vage erklärt, dass Großbritannien seine Verpflichtungen erfüllen wolle, die während der EU-Mitgliedschaft entstanden sind. In Brüssel wird der daraus resultierende Betrag auf 60 Milliarden Euro geschätzt.
In London herrscht allerdings Funkstille, was die britische Zahlungsbereitschaft anbelangt. May hatte beim letzten EU-Gipfel im Oktober lediglich angekündigt, man werde im Interesse der britischen Steuerzahler „Zeile für Zeile“ bei den Verhandlungen über Londons Zahlungsverpflichtungen durchgehen. Allerdings hatte May die Frage, ob man dann anschließend bei der Summe von 60 Milliarden Euro landen könnte, offen gelassen.
Weil das Team des Londoner Brexit-Ministers David Davis bei der jüngsten Verhandlungsrunde in Brüssel auch wieder mit leeren Händen angereist war, entschloss sich Barnier nun, den Druck auf das Vereinigte Königreich zu erhöhen. Wenn innerhalb der kommenden zwei Wochen keine Antwort auf die Finanzforderungen vorliege, dann werde es vorerst auch nichts mit dem Beginn der Gespräche über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und den verbleibenden 27 EU-Staaten, sagte er bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Brexit-Runde.
Beim letzten EU-Gipfel im Oktober war anvisiert worden, dass beim nächsten EU-Spitzentreffen im Dezember der Startschuss für die Handelsgespräche fällt – unter der Voraussetzung, dass bei den Verhandlungen über die Scheidungsfragen „ausreichender Fortschritt“ erzielt wird. Zu den Scheidungsfragen gehören neben der Londoner Austrittsrechnung auch die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien sowie die Regelung an der Grenze zwischen Irland und Nordirland.
Streit um mögliche Güterkontrollen innerhalb des Vereinigten Königreichs
Bei der Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland setzt die Europäische Union nach Angaben aus EU-Kreisen derweil darauf, dass Nordirland auch weiterhin der EU-Zollunion angehört. Auf diese Weise könnte eine „harte Grenze“ mit strengen Pass- und Güterkontrollen in der ehemaligen Bürgerkriegsregion vermieden werden. Davis wandte sich in Brüssel aber gegen das Gedankenspiel, die Zollgrenze künftig zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs zu ziehen. Die Verhandlungen dürften nicht zu einer neuen Grenze innerhalb von Großbritannien führen, sagte er.
Bericht: Mehrkosten von 3,8 Milliarden Euro für Deutschland
Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) kommt Deutschland teuer zu stehen. Nach einer Studie des EU-Parlaments, aus der die Zeitungen der Funke Mediengruppe zitieren, dürften dem EU-Haushalt nach einem Brexit dauerhaft netto 10,2 Milliarden Euro fehlen. Davon müsste Deutschland als größter Nettozahler bei unveränderten Rahmenbedingungen rund 3,8 Milliarden Euro übernehmen. Das entspreche einer Steigerung der jährlichen Beitragszahlungen um 16 Prozent.
„Der Brexit erhöht nicht nur die Finanzierungslast für die EU-27, sondern verändert auch die Verteilung der Belastungen“, heißt es dem Medienbericht zufolge in der Expertise. Deutschland und Länder wie die Niederlande und Schweden profitierten derzeit von einem Rabatt auf den „Britenrabatt“, mit dem London seine Zahlungen reduzieren konnte. Diese Vergünstigungen fielen nach dem Brexit weg.
Frankreich müsste nach dem Brexit dem Bericht zufolge 1,2 Milliarden Euro mehr bezahlen, Italien rund eine Milliarde. Bislang zahlten Deutschland jährlich netto mehr als 14 Milliarden und Frankreich 5 bis 6 Milliarden Euro. Wie viel am Ende jedes Land zusätzlich tragen muss, hängt aber auch davon ab, ob die EU sich wegen des Brexits zu einer Sparpolitik gezwungen sieht oder neue Steuern einführt. (mit dpa)