Berliner Initiative: EU-Länder wollen Jugendarbeitslosigkeit gemeinsam bekämpfen
Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa nimmt gefährliche Ausmaße an. Die EU will nun jungen Leuten zu Jobs verhelfen und eine gemeinsame Arbeitsmarktpolitik forcieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel lädt dafür zu einer gemeinsamen Konferenz nach Berlin ein.
Die Europäische Union will mit einer gemeinsamen Wachstumsinitiative die europaweite Jugendarbeitslosigkeit zurückdrängen und erste Schritte zu einer gemeinsamen EU-Arbeitsmarktpolitik gehen. Geplant sind dazu Investitionen von rund 6 Milliarden Euro innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre. Konkrete Verabredungen darüber will die deutsche Regierung mit den 26 Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission bei einer gemeinsamen Tagung am 3. Juli in Berlin treffen. Dazu will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Arbeitsminister aller 27 Länder und Kommissionspräsident José Manuel Barroso einladen. Ein Baustein der Wachstumsinitiative war die Unterzeichnung einer bilateralen deutsch-spanischen Vereinbarung zur gemeinsamen Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte dazu am Dienstag in Madrid gesagt, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit werde zum „Gradmesser der Funktionsfähigkeit Europas“.
Unter dem Dach der gemeinsamen Wachstumsinitiativen soll in allen Ländern in Ausbildungsplätze für junge Leute investiert und deren europaweite Mobilität unterstützt werden. Dazu stehen bereits seit längerer Zeit rund sechs Milliarden Euro zur Verfügung, die die EU-Kommission unter dem Stichwort „Jobgarantie“ ausgegeben hat, die aber bisher kaum genutzt wurden. Weitere 16 Milliarden Euro sollen aus nicht abgerufenen Mitteln der Europäischen Strukturfonds (ESF) zum Aufbau dualer Ausbildungssysteme nach deutschen Vorbild genutzt werden. Mit der Europäischen Investitionsbank EIB soll ein Investitionsmittel-Kreditprogramm für kleine und mittlere Unternehmen zu zinsgünstigen Konditionen vereinbart werden. Die EIB soll dafür rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung stellen, durch die ein Investitionsvolumen von 50 bis 60 Milliarden Euro ermöglicht werden soll. Die Kredite sollen an Jobs für junge Leute gebunden werden.
Die deutschen Initiatoren wollen das gemeinsame Projekt auch dazu nutzen, die bisher offenbar nicht über Lippenbekenntnisse hinausgehende Zusammenarbeit der Arbeitsminister und Arbeitsvermittlungsagenturen zu entwickeln. Dazu sollen feste Regeln zum Vergleich der jeweiligen arbeitsmarktpolitischen Instrumente errichtet und europaweite Vermittlungssysteme aufgebaut werden. Leyen hat dazu auf rund 33 000 offene Lehrstellen in Deutschland hingewiesen. Wenn zur gleichen Zeit in anderen EU-Ländern tausende Schulabgänger ohne berufliche Chancen seien, dann sei das ein „Alarmzeichen“ für Europa. Durch die Förderung von Sprachkursen und länderübergreifenden Vermittlungsagenturen sollen junge Leute „Europa als Chance“ begreifen. Für die Deutschen ist die Wachstumsinitiative darüber hinaus auch so etwas wie eine Antwort auf die Vorwürfe sowohl aus Südeuropa als auch weltweit, die von Deutschland verordnete Austeritätspolitik, also eine Politik des strikten Sparens der Staaten, zerstöre die Wirtschaft und damit den Glauben an eine gemeinsame europäische Zukunft.
Damit allzu großer politischer Druck nicht zur ungesteuerten Aufgabe der Konsolidierungspolitik führt, hat die Bundesregierung nun offenbar die Wachstumsinitiative initiiert. „Die Konsolidierung ist zwar richtig“, sagte Leyen in Madrid, aber die Unternehmen und vor allem die Jugend müssen mit Europa „Hoffnung verbinden“. Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit haben insbesondere Deutschland, Frankreich und Spanien in jüngster Zeit verschiedene Initiativen gestartet. So gibt es mittlerweile mehrere Möglichkeiten für spanische Jugendliche, sich um Ausbildungs- oder Arbeitsplätze in Deutschland zu bewerben und dafür finanziell von Deutschland unterstützt zu werden. In Spanien hat das etwa schon zu einem Boom bei den Deutschkursen an den Goethe-Instituten geführt. Außerdem haben die Arbeitsagenturen aller 27 Länder der Europäischen Union vereinbart, die Wirksamkeit ihrer arbeitsmarktpolitischen Instrumente zu vergleichen und sich bei der Übernahme von gut funktionierenden Modellen zu unterstützen.
Anfang kommender Woche wollen Politiker und Unternehmer aus ganz Europa in Paris über die Wachstumsinitiative sprechen. Der Milliardär Nicolas Berggruen hat dazu ein eintägiges Town Hall Meeting organisiert. Den offiziellen Startschuss für die gemeinsame Wachstumsinitiative jedoch soll es am 3. Juli in der deutschen Hauptstadt geben.
Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der G-20-Länder Ende Juli in Moskau treffen, sollen zum ersten Mal nicht nur EU-Finanzminister, sondern auch fünf Arbeitsminister dabei sein und die Jugend-Wachstumsinitiative als europäischen Beitrag zur Stabilisierung und Ankurbelung des weltweiten Wirtschaftswachstums vorstellen. Denn nicht nur innerhalb Europas, sondern auch anderswo auf der Welt wird die Frage immer lauter, ob die Union einen Weg aus der Staatsschuldenkrise finden kann oder nicht.