Propaganda gegen Propaganda: EU bereitet sich auf Informationskrieg mit Russland vor
Propaganda, Lügen, Desinformation: Russland wird im Ringen um die Deutungshoheit im Ukraine-Konflikt der Griff zu unfairen Mitteln unterstellt. Die EU will nun kontern. Aber wie soll das geschehen?
Lässt Kremlchef Präsident Wladimir Putin mit Hilfe von TV und Internet gezielt die Bevölkerung in Europa manipulieren? Drohen sogar westliche Politiker auf Propaganda und Lügen hereinzufallen? Aus Sicht von EU-Staaten wie Großbritannien, Dänemark oder Litauen muss diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet werden. Nach monatelanger Lobbyarbeit ist es ihnen nun gelungen, das Thema auf die Tagesordnung des EU-Gipfels zu setzen. Bis Juni soll ein Anti-Propaganda-Aktionsplan erarbeitet werden. Es sei notwendig, auf die anhaltende „Desinformationskampagnen“ zu reagieren, lautet die Begründung.
Wer wissen will, was die Initiatoren des Projektes meinen, wenn sie von russischer Propaganda sprechen, braucht nur einen Blick auf die vom Kreml-finanzierten Medienimperium Rossija Segodnja („Russland heute“) gesteuerte Website Sputnik zu werfen. Seit November vergangenen Jahres werden dort unter dem Motto „Sputnik berichtet über das, worüber andere schweigen“ scheinbar objektive Nachrichten zu unterschiedlichsten Themen angeboten - auch in deutscher Sprache.
So wird beispielsweise ausführlich über die Feiern zum ersten Jahrestag des „Beitritts“ der Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu Russland geschrieben. Der große Trauermarsch für den ermordeten Kremlkritiker Boris Nemzow findet hingegen lediglich in einem Stück über die „Stimmungsmache“ westlicher Medien gegen Russland Erwähnung. Und die Separatisten in der Ostukraine werden „Befürworter einer Föderalisierung des Landes“ genannt.
„Die Russen haben jahrzehntelange Erfahrung mit so etwas. Die sind Experten für aggressive und effiziente Propaganda“, kommentiert ein EU-Botschafter in Brüssel. Die große Frage sei nur, wie man mit dieser Art von Kommunikation umgehe.
Das Verbot russischer Medien wird diskutiert
Dabei gehen die Meinungen bislang weit auseinander. Die Außenminister aus Dänemark, Estland, Litauen und Großbritannien schlugen bereits im Januar eine ganze Reihe von Propaganda-Abwehrmaßnahmen vor. Sie reichen vom Aufbau einer Fakten-Check-Website bis hin zu einer stärkeren Prüfung von russischsprachigen Medien durch Medienaufsichtsbehörden - mit dem Hintergedanken, sie vielleicht sogar verbieten zu können. Zumindest hinter vorgehaltener Hand fragen viele Politiker aber, ob ein solches Vorgehen wirklich zielführend ist.
Im Ukraine-Konflikt werden aber auch die Stimmen derjenigen lauter, die nicht nur die Kommunikation der russischen Seite kritisieren. Derselbe Botschafter, der von aggressiver Kreml-Propaganda spricht, räumt ein, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Vormittag teilweise genau das Gegenteil von dem erzähle, was er dann am Nachmittag sage.
Und selbst der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zweifelte jüngst von hochrangigen Nato-Militärs verbreitete Informationen zum Ukraine-Konflikt an. Der böse Verdacht lautet, dass westliche Verteidigungsbündnis könnte bewusst falsche Informationen lancieren, um die Spannungen mit Russland aufrechtzuerhalten. Der Konflikt verschafft der Nato schließlich die Bedeutung, die sie zuletzt im Kalten Krieg hatte.
Aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten Kommunikationswissenschaftler wie Thomas Hanitzsch die Diskussion. Handelt es sich bei dem, was kritisiert wird, tatsächlich immer um Propaganda im klassischen Sinne, das heißt um gezielt gesteuerte Desinformation? Oder vielleicht eher um eine aus der politischen Überzeugung erfolgten Deutung der Ereignisse? Darüber wisse man bislang viel zu wenig, gibt der Professor an Ludwig-Maximilians-Universität München zu bedenken.
Wie die Propaganda-Diskussion ausgeht, wird sich zeigen, wenn im Juni der erste Vorschlag für einen Aktionsplan auf dem Tisch liegt. Aus der Welt scheint nur die Idee, nach dem Vorbild von ARD und ZDF ein paneuropäisches Vollprogramm für russischsprachige EU-Bürger zu finanzieren. Zu teuer, lautet das Hauptargument. dpa