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Die dritte große Koalition geht dem Ende entgegen.
© Maurizio Gambarini/dpa

Vier Jahre große Koalition: Es wurde viel geschafft – und vieles verschlafen

Es geht diesem Land nach der dritten großen Koalition besser, als es vor ein paar Jahren noch zu erwarten war. Aber es wurde auch vieles verschlafen. Ein Resümee.

Von Antje Sirleschtov

Einen „Vertrag für die Menschen“ hatte Sigmar Gabriel versprochen und Angela Merkel sogar, dass es allen 2017 „besser gehen soll als heute“. Das ist fast vier Jahre her. Jetzt ist wieder Wahlkampf und jeder lobt sich selbst in dem Maße, wie er den politischen Gegner tadelt. Dabei droht das Erreichte dieser Koalition zu verschwimmen, nämlich das: Zu viel haben sie uns nicht versprochen, kurz vor Weihnachten 2013, die Kanzlerin und ihr Vize von der SPD. Es geht diesem Land und seinen Menschen nach der dritten großen Koalition in der deutschen Geschichte nicht nur gut. Es geht uns alles in allem besser, als wir 2013 erwartet hatten.

Aber reicht ein solcher Befund der Zufriedenheit wirklich, um die letzten vier Regierungsjahre ins rechte Licht zu rücken? Zunächst einmal: Ja natürlich!

Es war Zeit, für sozialen Ausgleich zu sorgen

2013 steckten den Menschen noch immer die sozialen Folgen einer tiefgreifenden Arbeitsmarktreform, die Finanzkrise und der Beinahe-Zusammenbruch ihrer Sparkonten sowie vier Jahre schwarz-gelbe Chaosregierung in den Knochen. Nicht wenige fürchteten um ihren kleinen Wohlstand. Heute ist es beinahe vergessen, das Abrutschen der unteren Lohngruppen ins Bodenlose, die Sorge vieler, trotz Arbeit in Armut abzurutschen. Es war Zeit, für sozialen Ausgleich zu sorgen. Union und SPD führten den Mindestlohn ein, trotz großer Ängste vor allem kleiner Unternehmen vor der Pleite, wenn die Lohntüten vom Staat kontrolliert werden.

Heute gibt es Rekordbeschäftigung und historisch niedrige Arbeitslosenzahlen. Und der Mindestlohn ist allgemein akzeptiert. Das sollte man nicht kleinreden.

Es gab Schritte in die richtige Richtung

Genauso übrigens wie die Einführung der Rente mit 63 Jahren, Rentenpunkten für ältere Frauen, die Kinder erzogen haben, die Verbesserung von Pflegeleistungen und die Mietpreisbremse. Über „teure Wahlgeschenke“ kann hier nur schimpfen, wer im Dachgeschoss logiert und die Preise von Altenpflege (noch) nicht kennt. Das mag alles nicht ausreichend, nicht wirksam oder zu wenig zukunftsweisend sein. Aber es waren Schritte in die richtige Richtung.

Die große Koalition hat, auch das wird in der Hitze des Wahlkampfes gern unterspielt, auch für die komplizierte Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen gesorgt. Obwohl das kaum jemand versteht, sorgt es dafür, dass Bürgermeister in Zukunft nicht nur immer neue Aufgaben aus Berlin bekommen, sondern auch das Geld, um sie zu erfüllen. Und nicht zu vergessen die Bewältigung eines Flüchtlingszuzuges ungeahnten Ausmaßes, neuer Asylregeln und einer kompletten Überarbeitung der Sicherheitsgesetze in einer tief verunsicherten Gesellschaft. Darf man dieser Regierung den Befund wirklich verwehren, dass sie uns in diesen vier Jahren alles in allem gut regiert hat? Wohl nicht.

Defizite bei Digitalisierung und Modernisierung der Infrastruktur

Nein, sexy ist das nicht. Mit Rentenpunkten, Excel-Tabellen und Gefährderdateien gewinnt man keine Zukunftspreise. Die Digitalisierung haben drei verantwortliche Ministerien schlicht verschlafen. Geredet wurde, aber gegen Funklöcher und für moderne Infrastruktur wurde zu wenig getan. Und auch die Energiewende und moderne Verkehrssysteme wurden mehr verwaltet als gestaltet. Viel Kleinteiliges, halbherzig abgearbeitet. Man kennt das aus dem richtigen Leben: Immer dort, wo die Großen den Takt angeben und die Kleinen zu schwach sind, um ihnen Beine zu machen, da dreht sich das Rad langsamer und langsamer – und jetzt, wo es vorbei ist, da weiß man: Nun aber dalli. So behäbig wie bisher kann es, darf es, nicht weitergehen.

Die Wähler können großen Bündnissen immer viel abgewinnen

Wer also regiert uns in Zukunft am besten durch die Wirren der Außen- und die Wünsche und Notwendigkeiten der Innenpolitik? Schwarz-Grün, Schwarz-Gelb, Jamaika oder noch einmal Angela Merkels Groko? Die Experten warnen beständig davor: Stagnation, Stärkung der politischen Ränder, Schaden für die Demokratie. Doch die Wähler, auf die es ja ankommt, die können den großen Bündnissen noch immer viel abgewinnen. Sie schätzen den Ausgleich und die Sicherheit mehr als jedes Experiment.

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