Misstrauensantrag in Südafrika: Es wird eng für Präsident Jacob Zuma
Der Präsident ist angeschlagen, den Misstrauensantrag am Dienstag wird Zuma aber wohl überstehen. Dennoch könnte seine Ära bald zu Ende gehen.
Südafrikas Wirtschaft schickte er mit seinen willkürlichen Entscheidungen auf Talfahrt, die Landeswährung Rand verlor massiv an Wert. Seine Villa ließ er trotzdem für 19 Millionen Euro an Steuergeldern renovieren. Mehr als 700 Klagen wegen Korruption und Geldwäsche lacht Staatspräsident Jacob Zuma einfach weg. „Teflon-Mann“ wird er bereits genannt, weil Skandale an ihm ebenso abprallen wie Rücktrittsforderungen. Am Dienstag soll das Parlament in Kapstadt an der Teflon-Beschichtung kratzen: Die Abgeordneten müssen über einen von der Opposition eingebrachten Misstrauensantrag abstimmen. Für das Staatsoberhaupt könnte es erstmals seit seiner Wahl 2009 eng werden. Auch weil seine eigene Partei – der regierende Afrikanische Nationalkongresses (ANC) – um die Macht bangt.
Wie ist die Lage im Land?
Südafrika zählt zu den entwickelsten Staaten Afrikas und ist eines der Länder mit dem größten Potenzial. Doch Misswirtschaft und Korruption der Regierung haben das Leben für die meisten Südafrikaner immer teurer gemacht. Die Krise des Landes wird durch eine Arbeitslosenrate von 26 Prozent und ein erwartetes Wirtschaftswachstum von weniger als 0,5 Prozent verschärft. Dem ANC ist es nach der demokratischen Wende 1994 zwar gelungen, die Ärmsten der Armen aus der Perspektivlosigkeit zu holen – zum Großteil jedoch durch Sozialhilfe anstatt durch Wachstum und neue Arbeitsplätze. 2017 übertraf die Zahl der Sozialhilfeempfänger erstmals die der arbeitenden Bevölkerung. Noch immer leben etwa 14 Prozent der Südafrikaner in Townships. Nachdem Zuma im April fünf Minister entlassen und 20 Kabinettsposten neu besetzt hatte, stuften mehrere Ratingagenturen Südafrikas Wirtschaft auf „Ramschniveau“ herab.
Zu schaffen macht dem ANC auch, dass sich Armut und Reichtum zunehmend weniger an der Hautfarbe orientieren. Heute macht die ehemals unterdrückte schwarze Bevölkerung mit 41Prozent den größten Teil der Mittelschicht aus. Dass diese in einer ANC-bestimmten Wirtschaft um ihre Autos, Häuser und Schulplätze fürchten muss, spielt der Opposition in die Hände. In einer Umfrage des Instituts Ipsos befürworteten mehr als 60 Prozent der ANC-Wähler Zumas frühzeitigen Abgang.
Was ist Auslöser des Misstrauensvotums?
In Südafrika hat Vetternwirtschaft jetzt einen Namen: Gupta. Fast täglich veröffentlichen Zeitungen neue Enthüllungen um die drei indischen Brüder Ajay, Atul und Rajesh Gupta. In der Kaprepublik betreibt die Unternehmerfamilie einen TV-Sender und eine Zeitung. Auch Bergwerke und Technikkonzerne gehören zu ihrem millionenschweren Portfolio.
Vor kurzem gelangten 200.000 Emails zwischen den Gupta- Brüdern und Regierungsfunktionären an die Öffentlichkeit. Deren Inhalt: Die Beweise für Korruption und illegale Beeinflussung – unter anderem von Präsident Zuma und dessen Sohn Duduzane. Selbst bei der Besetzung von Ministerposten sollen die Brüder mittels Geld und Beziehungen mitgewirkt haben. „Hier geht es nicht um Schmiergeld für zu schnelles Fahren. Diese Aktionen untergraben die gesamte Wirtschaft“, kritisiert der Ökonom Mike Schussler.
Wie ist die Stimmung im ANC?
Jeden Tag erhält Makhosi Khoza einen Countdown auf ihr Mobiltelefon – die Tage bis zu ihrem Tod. „Gestern riefen sie sogar an, um zu sagen, ich solle um Vergebung bitten. Wenn sie mich töten wollen, dann ist es eben so. Jedenfalls werde ich mich nicht entschuldigen.“ In den vergangenen Wochen wurde die Parlamentsabgeordnete des ANC zu einer der größten Kritikerinnen von Partei- und Regierungschef Zuma. Für ihre Rücktrittsforderungen muss sich Khoza auch vor einem parteiinternen Disziplinarkomitee verantworten.
Die meisten in der Partei stehen hinter Zuma. Khoza und die Handvoll anderer ANC- Abgeordneten, die am Dienstag gegen Zuma stimmen wollen, bezeichnete ein Parteifunktionär als „Selbstmordattentäter“. Polizeiminister Fikile Mbalula drohte: Der ANC werde jeden „disziplinieren“, der beim Votum mit seinem Gewissen entscheide – und gegen die Parteilinie.
Wie hoch ist das Risiko für Zuma?
„Wir appellieren an die Parlamentarier, dem Misstrauensantrag zuzustimmen. Das ist nötig, um unserem Land Hoffnung und Vertrauen zurückzugeben und den angerichteten Schaden der vergangenen Dekade rückgängig zu machen“, sagt der Bürgeraktivist Neeshan Bolton. Wie bereits im April sind am Rande des Votums in Kapstadt wieder Proteste geplant: Für Montag und Dienstag werden insgesamt 30.000 Demonstranten erwartet, die für und gegen Zuma auf die Straße gehen.
Dass das Misstrauensvotum Zumas politisches Ende einläuten wird, ist aber zweifelhaft. Mit 249 von 400 Sitzen hält die Revolutionspartei die Mehrheit im Parlament. Daher müssten mindestens 50 ANC-Abgeordnete gegen ihren Anführer stimmen.
Julius Malema, Anführer der linksradikalen Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer, behauptet: Mindestens 60 ANC-Parlamentarier würden gegen Zuma stimmen – sofern das Votum geheim stattfinde. Ob anonym oder öffentlich, darüber schweigt Parlamentspräsidentin Baleka Mbete bis jetzt. Der Politologe Ralph Mathekga schätzt: „Es wird Zumas bisher schwierigstes Misstrauensvotum, aber höchstwahrscheinlich wird er auch dieses überleben.
Wie ist die Lage für die Opposition?
Die wittert Morgenluft. Spätestens als die Demokratische Allianz (DA) 2016 den ANC bei Kommunalwahlen schlug und seitdem Johannesburg, Pretoria, Kapstadt und Port Elizabeth regiert, ist sie sich ihrer neuen Führungsrolle bewusst. Vergangene Woche übergab der charismatische DA-Chef Mmusi Maimane eine Million Unterschriften gegen Zuma an Vizepräsident Cyril Ramaphosa und bat um dessen Unterstützung. Der erst 37-jährige Maimane ist sich sicher: Distanziert sich der ANC nicht von Zuma, so werde er bei den Wahlen 2019 erstmalig die Mehrheit verlieren. In diesem Fall könnte eine von der DA angeführte Koalition die Regierung bilden.
Wie dürfte es weitergehen?
Als richtungsweisend für Südafrikas Zukunft gilt der Parteitag im Dezember. Nicht nur, weil sich der ANC zwischen Vizepräsident Ramaphosa und Zumas Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma als neuen Anführer entscheiden muss, sondern auch, weil damit Zumas Parteivorsitz endet. An der Spitze des Landes bliebe Zuma laut Verfassung noch bis zu den Wahlen 2019. Allerdings: Parteivertretern könnte der Wahlkampf unter Zuma zu prekär werden. Denn Politologen prognostizieren dem ANC erstmals seit 1994 den Verlust der Mehrheit. Beim Parteitag könnte Zuma das Schicksal seines Vorgängers in Südafrika ereilen: Auch Thabo Mbeki wurde 2008 abgewählt – ein Jahr vor seinem eigentlichem Amtsende.
Markus Schönherr
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