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Diese Flüchtlinge haben Glück gehabt. Ein Militärschiff hat sie rechtzeitig aus dem Mittelmeer gezogen. Nun warten Sie darauf, in Italien an Land zu gehen.
© Giovanni Isolina/AFP

Schriftstellerin zu Flüchtlingskrise im Mittelmeer: "Es sind Schwarze und Araber, die sterben, und ihre Leben sind billiger“

Die Schriftstellerin Fatou Diome ist empört darüber, wie wenig das Leben von Schwarzen oder Arabern wert sind. Würden auf dem Mittelmeer Weiße ertrinken, "dann würde die ganze Erde erbeben", sagt sie.

Fatou Diome hat sich in Rage geredet, bei einer Talkshow über die Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Die männlichen, weißen Anzugträger um sie herum kamen kaum noch zu Wort, verschränkten die Arme vor sich und sahen mitgenommen aus. Denn die französische Schriftstellerin, die aus dem Senegal eingewandert war, hat ihnen klipp und klar die Wahrheit gesagt: „Wenn diese Menschen, deren Körper an den Küsten angeschwemmt werden – ich wähle meine Worte sorgfältig – Weiße wären, dann würde die ganze Erde erbeben. Aber es sind Schwarze und Araber, die sterben, und ihre Leben sind billiger.“

Fatou Diome ist 2004 mit ihrem ersten Roman „Der Bauch des Ozeans“ bekannt geworden. Sie wurde auf einer Insel vor Senegal geboren, verließ ihr Dorf mit 13 Jahren, um in die Schule zu gehen und heiratete einen französischen Entwicklungshelfer, dem sie vier Jahre später ins Elsass folgte. Die Eltern ihres Mannes konnten sich mit der schwarzen Schwiegertochter nicht abfinden. Die Ehe zerbrach an dieser Ablehnung. Diome studierte an der Universität Straßburg, dort lehrt sie heute Literatur. Finanziert hat sie ihr Studium mit Putzjobs. Trotz ihres literarischen Erfolgs (sie schrieb zwei weitere Romane) und der Promotion musste sie acht Jahre lang darum kämpfen, Französin zu werden. Sie weiß also genau, wovon sie redet, wenn sie die Motivation der Einwanderer beschreibt. Wie die Dörfer Geld sammeln, um die gut ausgebildeten jungen Männer nach Europa zu schicken – immer in der Erwartung, dass sie das tausendfach zurückzahlen werden. Wie die Emigranten mehr schlecht als recht über die Runden kommen und trotzdem das bisschen Geld, das sie verdienen, in die Heimat schicken und bei den wenigen Besuchen zu Hause versuchen, die Fassade aufrechtzuerhalten.

Die französische Schriftstellerin Fatou Diome, die im Senegal geboren wurde, hat vor kurzem in einer Talkshow gesagt, dass die Welt längst erbeben würde, wenn die Tausenden Flüchtlinge auf dem Mittelmeer weiß wären.
Die französische Schriftstellerin Fatou Diome, die im Senegal geboren wurde, hat vor kurzem in einer Talkshow gesagt, dass die Welt längst erbeben würde, wenn die Tausenden Flüchtlinge auf dem Mittelmeer weiß wären.
© Frank May/picture-alliance/dpa

Migranten zahlen nach Recherchen des britischen Senders BBC zwischen 1000 und 4000 Dollar für eine Fahrt von Libyen nach Italien. Von der Türkei nach Griechenland kostet die Reise rund 2500 Dollar. Tausende haben die Überfahrt nicht überlebt. Fatou Diome stellt die Frage „Was ist ein Menschenleben wert?“ und liefert die Antwort gleich mit: Wenn es das Leben eines schwarzen oder arabischen Flüchtlings ist, eindeutig weniger als der „Wert eines statistischen Lebens“, das beispielsweise für deutsche Männer nach Berechnungen von Ökonomen auf 1,72 Millionen Euro, für Frauen auf 1,43 Millionen, für Amerikaner aber auf sieben Millionen Dollar geschätzt wird. Das Leben der Rohingya-Flüchtlinge und der Migranten aus Bangladesch, die auf dem Meer vor Thailand, Indonesien oder Malaysia treiben, ist offenkundig ebenfalls nicht viel wert.

Das Leben des Forschers Johannes Westhauser, der 2014 aus einer Höhle gerettet worden ist, war 700 Helfer und ein ganzes Arsenal von technischen Geräten einschließlich Hubschrauber wert. Die westlichen Geiseln in der Hand von Al Qaida waren unterschiedlich wertvoll: zwischen 156 250 Dollar im Fall der deutschen Saharageiseln 2003 und 7,5 Millionen Dollar im Fall von vier Franzosen, die 2013 aus Niger freigekauft worden sind. Der Wert eines Menschenlebens ist relativ, ökonomisch gesehen. Moralisch ist es eine Bankrotterklärung. Darauf hat Fatou Diome hingewiesen.

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