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Navi Pillay
© dpa

Interview: "Es ist wie bei Nelson Mandela“

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay über Menschenrechte, Barack Obama und den aktuellen Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo.

Frau Hochkommissarin, am Mittwoch feiert die Welt den Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Jahr 1948 durch die UN-Vollversammlung. Wo sehen Sie heute, 60 Jahre später, die größten Probleme für die Menschenrechte?

Bewaffnete Konflikte, autoritäre Herrschaft und Straffreiheit für Verbrechen sind nicht besiegt worden. Unglücklicherweise werden im Namen der Sicherheit die Menschenrechte zeitweise an den Rand gedrängt. Wir erleben Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen Überzeugungen, der nationalen oder gesellschaftlichen Herkunft, des persönlichen Wohlstandes, der Geburt. Die Rechte auf Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Versammlungsfreiheit werden in allen Regionen der Welt angegriffen. Ohne diese Rechte kann eine zivile Gesellschaft aber nicht funktionieren. Eine Welt ohne Diskriminierung bleibt für viele Menschen ein fernes Ziel.

Was hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte überhaupt gebracht?

Zum ersten Mal bekamen alle Menschen, jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, egal, welcher Rasse, Farbe und Bekenntnis, eine klare Aufzählung ihrer Rechte. Alle 192 UN-Mitgliedsländer haben die Erklärung unterschrieben. Das Problem liegt aber in der mangelhaften Umsetzung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, nicht in ihrem Inhalt.

Sie haben als Richterin am Ruanda-Tribunal sichergestellt, dass Vergewaltigung als Kriegsverbrechen geahndet werden kann. Hat dieses Verbrechen im aktuellen Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) einen neuen traurigen Höhepunkt erreicht?

Die Häufigkeit und die Brutalität der sexuellen Gewalt in der DRC ist jenseits jeder Beschreibung. Wir können das ganze Ausmaß nur schwer schätzen, die Zahl der Vorfälle ist aber sicherlich die höchste weltweit in den vergangenen zehn Jahren. Zehntausende Frauen aller Altersklassen, alte Frauen bis hin zu Babys im Alter von einigen Monaten, sind betroffen. Alle bewaffneten Gruppen – kongolesische und ausländische – benutzen Vergewaltigung als eine Kriegswaffe in der DRC.

Warum haben die Vergewaltigungen im Kongo diese Dimension erreicht?

In der Demokratischen Republik Kongo hat dieses Verbrechen aufgrund eines simplen Grundes seuchenartige Ausmaße angenommen: Es ist erlaubt. Kaum ein Täter wurde bestraft. Das muss sich ändern. Die Straffreiheit ist die größte Herausforderung.

... Täter kommen aber nicht nur im Kongo trotz der von ihnen verübten sexuellen Gewalt ungeschoren davon ...

Ein gewisses Niveau an Straffreiheit für sexuelle und andere Formen der Gewalt gegen Frauen gibt es überall in der Welt. Und in einigen Gesellschaften wissen die Männer, dass sie ihre Ehefrauen oder Töchter schlagen, verletzen und sogar töten können, ohne vor Gericht gestellt zu werden.

Was sind Ihre stärksten Waffen als UN-Hochkommissarin?

Man muss daran glauben, dass man einen positiven Wandel erreichen kann, dass man eine Wirkung erzielt. Ich glaube daran. Nicht zuletzt aufgrund meiner persönlichen Erfahrung. Ich wuchs auf als ein Bürger zweiter Klasse. Man wusste, man konnte nicht in einen Park und an Strände gehen, weil sie für weiße Personen reserviert waren. Ich dachte, dass dieses System niemals enden würde.

Der Wandel kam aber …

Wie viele Südafrikaner verdanke ich den Wandel der Vision Nelson Mandelas. Er befürwortete Kompromisse und Verhandlungen. Als Studentin verachtete ich diese Wörter, aber in unserem besonderen Fall in Südafrika halfen sie, die Vergangenheit zu überwinden. Südafrika hat heute eine der stärksten Verfassungen der Welt. Allerdings muss sich auch Südafrika bemühen, die Rechte in der Realität anzuwenden.

Kann die Wahl Barack Obamas zum nächsten Präsidenten der USA helfen, den Rassismus in der Welt zu überwinden?

Das wäre wunderbar, aber ich befürchte, es ist nicht so einfach. Immerhin sahen wir in den Tagen nach der Wahl eine überwältigende positive Reaktion in der ganzen Welt. Es ist wie bei Nelson Mandela. Obamas Erfolge haben bisher gezeigt, dass es möglich ist hohe Hürden zu überwinden, einschließlich Vorurteile und Diskriminierung.

Das Gespräch führte

Jan Dirk Herbermann.

Navi Pillay (67) ist UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Im vergangenen

September trat die Südafrikanerin ihr Amt in Genf an.

Pillay stammt aus

einer Tamilenfamilie.

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