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Kritisiert die Legitimierung von Gewalt im Koran.  Der scheidende EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider.
© dpa

Zur Koran-Kritik von Nikolaus Schneider: Es ist heikel, auf den Islam zu zeigen

Ausgerechnet der höchste Repräsentant der evangelischen Kirche weist die muslimischen Verbände auf die Legitimierung von Gewalt im Koran hin. Dabei erinnern wir uns gerade heute, wie Pfarrer vor 100 Jahren Waffen segneten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Es verrät schon einen guten Sinn für Humor, dass der höchste Repräsentant der evangelischen Kirche in Deutschland die Auseinandersetzung mit  religiösen Traditionen der Gewalt aufruft. Schließlich schreiben wir das Jahr 2014 und Bücher, Podiumsdiskussionen und Gedenkstunden zum Weltkriegsbeginn 1914 haben gerade wieder an evangelische Pfarrer erinnert, die Waffen segneten und Gott auf der richtigen, der deutschen Seite des großen Schlachtens sahen. Nur noch zwei Jahre sind es bis zum 500. Geburtstag der Reformation, und im Vorfeld der Jubelfeiern ist auch wieder Unappetitliches über Martin Luther und sein zwiespältiges Verhältnis zur Gewalt zu hören. Von dem zu Juden ganz zu schweigen.

Aber nicht darüber spricht EKD-Ratspräsident Nikolaus Schneider, er spricht von der Konkurrenz: Was von den muslimischen Verbänden „an Auseinandersetzung mit Ansatzpunkten für die Legitimierung von Gewalt im Koran und in der islamischen Tradition bisher kommt, ist mir zu wenig", sagte er jetzt der „Welt“.  Die Terrormiliz IS berufe sich auf den Islam, „darüber haben wir zu debattieren.“

Haben wir? Oder haben wir nicht seit Jahren nichts anderes getan? Die Distanzierungen der Islamverbände von Terror im Namen ihres Glaubens, von Al Qaida bis IS, werden praktisch im Stundentakt herausgegeben. Und praktisch immer folgt zuverlässig die Aufforderung an sie, sich doch endlich vom Terror im Namen des Islams zu distanzieren.

Auf moralisch hohem Ross

Es ist dieses traurig-sinnfreie Spiel, das endlich aufhören sollte. Zitierst du meinen gewalttätigen Koran, hau ich dir ein grausames Stück Altes Testament um die Ohren – das führt nur zur nicht mehr so frischen Erkenntnis, dass die monotheistischen Religionen da alle ein schweres, schwarzes Erbe mit sich schleppen. Und, da wäre die Debatte schon ein Stück weiter, dass es vielleicht nicht auf jahrtausendealte Buchstaben ankommt, sondern darauf, wie Glaube hier und jetzt gelebt wird. 

Natürlich weiß auch Schneider, dass es heikel ist, auf den Islam zu zeigen, weswegen er nachschiebt, dass auch seine Kirche „eine sehr problematische Gewaltgeschichte" habe. „Wir sitzen nicht auf dem moralisch hohen Ross."

Doch, leider sitzen sie dort. Schneiders Vorvorgänger Wolfgang Huber irritierte die  Muslime vor Jahren mit einer auch innerkirchlich hart kritisierten „Handreichung“, Schneider nun gibt ihnen ausgerechnet in einem seiner letzten Interviews im Amt eins mit. Von der Tradition der Staatskirche, gewalttätig oder nicht,  scheint der deutsche Protestantismus auch 100 Jahre nach dem Untergang des Wilhelminismus und seiner Einheit  von „Thron und Altar“ nicht lassen zu können. Wenn der Spitzenvertreter einer christlichen Kirche klingt wie ein Spitzenbeamter des Bundesamts für Verfassungsschutz, dann stimmt etwas nicht. Auch darüber ließe sich debattieren.  

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