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Easyjet-Vorstandschef Johan Lundgren setzt auf Berlin als neues Drehkreuz.
© Jörg Carstensen/dpa

Drehkreuz Berlin: Es geht auch ohne Lufthansa

Berlin lohnt sich, könnte die frohe Botschaft sein, die von Easyjets neuem Engagement in Berlin ausgeht. Wenn da nicht so viele Unwägbarkeiten wären. Ein Kommentar.

Reiner Zufall natürlich. Am Tag, an dem der Senat mitteilt, dass er den Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tegel nicht umsetzen wird, würdigt Senatschef Michael Müller eben dort die Expansionspläne von Easyjet. Wie symbolträchtig. Denn auf dem schließungsgeweihten Airport wird es dadurch noch enger werden. Knapp sechs Millionen Reisende will die Airline 2018 in Tegel abfertigen – 60 Prozent mehr als bislang. Für Berlins Tourismuswerber und das Hotelgewerbe sind das gute Nachrichten. Zumal sich auch Ryanair stärker engagieren will. 2017 stagnierten die Besucherzahlen durch die Insolvenz von Air Berlin erstmals seit Jahren.

Bedeutsamer noch sind Easyjets Pläne, Berlin zum firmeneigenen Luftkreuz ausbauen zu wollen. Von hier sollen 100 europäische Ziele angeflogen werden und in Kooperation mit anderen Airlines sind Umsteigeverbindungen zu Langstreckenzielen geplant. Könnte sein, dass Berlin auf unerwartete Weise doch noch ein Umsteigezentrum wird. Genau am Aufbau eines solchen Hubs war Air Berlin gescheitert. Auch der Senat hatte sich längst von der einst mit dem neuen Flughafen BER verbundenen Hoffnung verabschiedet, Berlin könnte in Deutschland neben München und Frankfurt in eine Drehkreuzfunktion hineinwachsen. Kontrastiert wird damit die von der Lufthansa seit langem betriebene Vernachlässigung Berlins. Die Lufthansa, die auf München und Frankfurt setzt, hat angekündigt, von Air Berlin übernommene Langstrecken in die USA wegen angeblich zu geringer Nachfrage wieder einzustellen.

Ob der BER 2020 öffnet, darauf mag niemand wetten

Berlin lohnt sich, könnte die frohe Botschaft sein, die von Easyjets Engagement ausgeht; und von der Lufthansa ist die hiesige Entwicklung nicht abhängig. Könnte – wenn da nicht so viele Unwägbarkeiten wären. Denn ob der BER Ende 2020 öffnet, darauf mag niemand wetten. Steigen die Fluggastzahlen weiter so rasant, dann wird es dort eng – selbst wenn 2040 mit den Erweiterungen des Masterplans 55 Millionen Passagiere abgefertigt werden sollen. Könnte, sollte, müsste – als Entscheidungsgrundlage, alles auf BER zu setzen und Tegel in die Rente zu schicken, ist reichlich dünn. Vor allem für jene 57 Prozent Berliner, die beim Volksentscheid für den Weiterbetrieb waren.

Es überrascht nicht, dass der rot-rot-grüne Senat am Dienstag befand, er sähe nach pflichtschuldiger Prüfung keine Möglichkeit, den Volksentscheid umzusetzen. Die Gesellschafter Brandenburg und der Bund sind dagegen, auch der Landesentwicklungsplan kann nicht vor 2025 geändert werden – dann ist Tegel schon Jahre geschlossen. Das ist nachvollziehbar und unabweislich. Einen Haken aber gibt es: Ein Weiterbetrieb Tegels wäre rechtlich möglich, so das Gutachten des Ex-Bundesverwaltungsrichters Stefan Paetow, wenn am BER als einzig verbliebenem Flughafen die Kapazität dauerhaft nicht für die Nachfrage ausreichte.

Je heftiger sich also der Flugverkehr in der deutschen Hauptstadt entwickelt, auch wegen eines unerwartet entstehenden Luftkreuzes, um so wackliger wird das ganze Fundament. Vor allem, wenn etwa die Lufthansa angesichts des nachhaltig wirtschaftlichen Erfolgs der Region doch noch zum Ergebnis kommt, dass Berlin eine Reise wert ist. Setzt Easyjet seine Pläne um, dann werden 2018 in Berlin schon 36 Millionen Passagiere abgefertigt. Es sind diese Zahlen, die unruhig machen, und dem Airport Tegel ganz neue Perspektiven eröffnen könnten.

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