Zehn Entwicklungen, die Hoffnung machen: Es gab auch Gutes im Jahr 2020
Es sind nicht viele positive Nachrichten, die das Jahr 2020 gebracht hat. Doch es gibt sie - und das macht Hoffnung.
Natürlich wird 2020 in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem die Corona-Pandemie weltweit wütete. Alles was mit dem Virus und seinen negativen Folgen zusammenhängt, hat das Leben der Menschen bestimmt. Doch am Rande hat es auch einige positive Entwicklungen gegeben, zum Beispiel ist nicht nur an Weihnachten das Spendenaufkommen deutlich gestiegen, was für die Solidarität unter den Menschen spricht. Es sind vielleicht nicht viele gute Nachrichten, die das Jahr 2020 gebracht hat, aber es gibt sie.
Die mutigen Frauen in Belarus
Sie trotzen Knüppeln, Tränengas, Haft und Folter: Aus Protest gegen die gefälschten Präsidentenwahlen demonstrieren mutige Menschen in Belarus seit August gegen den Betrug bei den Präsidentenwahlen. Alexander Lukaschenko, der letzte Diktator Europas, hatte sich zum Wahlsieger ausrufen lassen und setzt seither die ganze Härte seines Sicherheitsapparats gegen die friedlich protestierenden Bürger ein. Aber die lassen sich nicht entmutigen in ihrem Kampf für einen friedlichen Machtwechsel.
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Unter den Führern der Oppositionsbewegung sind viele Frauen, darunter Swetlana Tichanowskaja, die im Dezember vom Europäischen Parlament den Sacharow-Preis für die demokratische Opposition in ihrem Heimatland entgegennahm. Die mutigen Frauen von Belarus beweisen, dass Menschen Unterdrückung und Unfreiheit nicht hinnehmen, selbst wenn das mit großen Gefahren verbunden ist. Hans Monath
Mehr Wertschätzung für Pflegekräfte
Endlich, 2020 ist das Jahr der Pflegekräfte. Ob in Altenheimen oder Krankenhäusern – die breite Öffentlichkeit hat mitbekommen, unter welchen Bedingungen die knapp 800.000 Pflegekräfte in der stationären Altenpflege und mehr als eine Million Beschäftigte in den Krankenhäusern und deren Nebenbetrieben arbeiten.
Mangelnde Wertschätzung und schlechte Bezahlung führen zu Personalmangel: In den Krankenhäusern fehlen rund 100.000 Vollzeitkräfte und in den Altenheimen sind es etwa 120.000. Vollzeit, wohlgemerkt. Da jedoch die meisten Pflegenden wegen Stress nur Teilzeit arbeiten, ist der Bedarf noch deutlich höher.
Jetzt aber tut sich etwas. In einem neuen Tarif für den öffentlichen Dienst vereinbarten die Sozialpartner überdurchschnittliche Erhöhungen für Krankenschwestern und Altenpflege. Es gibt nun ein Pflegezulage, die dazu in der Intensivmedizin noch etwas höher ausfällt. Endlich! Alfons Frese
Donald Trumps Wahlniederlage
Die meisten Europäer haben aufgeatmet, als die US-Präsidentenwahl nach Tagen endlich ausgezählt und die Hängepartie vorüber war. Joe Bidens Vorsprung gegenüber Amtsinhaber Donald Trump war deutlich, die juristischen Einsprüche gegen seinen Sieg wurden abgeschmettert.
Doch Joe Biden tritt ein schweres Erbe an. Der Demokrat wird Jahre brauchen, die innen- und außenpolitischen Schäden zu reparieren, die sein Vorgänger Trump ihm hinterlassen hat. Sein Spielraum wird klein sein, weil die Republikaner seine Reformarbeit boykottieren wollen. Trumps Lügen, seine Hetze und seine Behinderungsmanöver richten schwere politische und gesellschaftliche Schäden an, doch einer zweiten Amtszeit bringen sie ihn bisher nicht näher. Die Demokratie in den USA, sie hat sich am Ende als lebendig und durchsetzungsstark erwiesen. Hans Monath
Mehr Frauen in den Vorständen
Auch dafür wird Angela Merkel als Kanzlerin in Erinnerung bleiben: Ende November einigt sich die schwarz-rote Koalition auf eine verbindliche Frauenquote in Vorständen. Merkel sagte, das sei nicht nur zumutbar und machbar. Es sei auch etwas, was sie mit vollem Herzen unterstütze.
Dem Koalitionsbeschluss zufolge muss den Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern spätestens ab einer Neubesetzung eine Frau angehören. Die Pläne der Koalition sehen noch strengere Vorgaben für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes vor.
Hier soll es in Zukunft eine Aufsichtsratsquote von mindestens 30 Prozent und eine Mindestbeteiligung in Vorständen geben. Laut einem kürzlich veröffentlichten Gutachten im Auftrag der Bundesregierung haben freiwillige Selbstvorgaben bislang kaum Effekte auf die Frauenquote in Vorständen gehabt. Marie Rövekamp
Der ewige „Tatort“
Ende November feierte die ARD das 50-jährige „Tatort“-Bestehen mit einer Doppelfolge aus Dortmund und München. Fast wäre dieses Jubiläum der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen, weil die Dreharbeiten in München wegen des ersten Lockdowns gestoppt werden mussten. Gefährdet durch diese notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz von Schauspielern und Drehteams war jedoch nicht nur diese besondere Doppelepisode, sondern die Fortführung der erfolgreichsten Krimi-Reihe des deutschen Fernsehens insgesamt genauso wie die aller anderen fiktionalen Produktionen. Sicher, der Fundus an alten „Tatort“-Episoden ist gewaltig, doch allein mit Wiederholungen lässt sich kein Fernsehprogramm gestalten.
Der „Tatort“ – und mit ihm viele andere Filme, Serien, Reportagen, Dokumentationen – sind glücklicherweise aus der Sommerpause zurückgekehrt. Mit Hilfe von Ausfallgeldern und Hygieneregeln – und durch kreative Anpassung so mancher Drehbücher wie beim gerade ausgestrahlten Münsteraner Mittelalter-„Tatort“ – müssen die Fernsehzuschauer nicht auf diese Form von Unterhaltung verzichten. Nachrichten und Brennpunkte erleben in Zeiten wie diesen zwar neue Zuschauerrekorde, aber ohne die Ablenkungen durch fiktionale Stoffe wäre die Stimmung in Deutschland sicherlich schlechter.
Apropos Hoffnung. Vielleicht sollten die Programmmacher angesichts der Lage das Primat von Mord, Totschlag und Krimis beenden. Kurt Sagatz
Vorsorge mit Aktien wird beliebter
Eigentlich raten Verbraucherschützer schon seit Jahren, ergänzend zur Altersvorsorge in Aktienfonds zu investieren. Doch die Deutschen haben ein distanziertes Verhältnis zur Aktie. Spätestens seit die Dotcom-Blase geplatzt ist – und tausende Kleinanleger etwa mit der „Volksaktie“ der Telekom viel Geld verloren haben, gelten Wertpapiere als etwas Windiges, etwas Unsicheres.
Doch in diesem Jahr hat sich das geändert. Der Deutschen Bank zufolge handelten Anleger mehr an der Börse als 2019. Allein im ersten Halbjahr wurden rund 500.000 neue Depots eröffnet. Und dieser Trend dürfte anhalten. Denn die Aktionärsstruktur hat sich in diesem Jahr deutlich verjüngt.
Laut einer Studie von Comdirect, der Consorbank und ING nahm die Zahl der Aktienbesitzer bei den unter 25-Jährigen um 13 Prozentpunkte auf 39 Prozent zu. So hoch liegt der Wert sonst nur bei den 45 bis 54-Jährigen. Insgesamt halten 34 Prozent der Deutschen Aktien. 2017 waren es noch 24 Prozent. Das tut der Wirtschaft hierzulande gut.
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Erstens freut das zusätzliche Kapital die Unternehmen. Zweitens sorgt es für ein neues Verständnis von Wirtschaft – schließlich blickt man ganz anders auf die Entwicklung eines Unternehmens, wenn einem selbst ein noch so kleiner Anteil daran gehört. Drittens könnte es das Vermögen der Deutschen erhöhen – aber nur, wenn richtig investiert wird.
Haben die Börsenneulinge in breit angelegte ETFs investiert, dürften sie in einigen Jahren profitieren. Sind sie allerdings nur zum Zocken an die Börse gekommen, könnte die Freude auch schnell wieder vorbei sein – und sich das neue Verhältnis zur Aktie wieder abkühlen. Thorsten Mumme
Arabische Aussöhnung mit Israel
Im August war die Überraschung perfekt: Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate gaben bekannt, dass sie einen Vertrag über die Normalisierung ihrer Beziehungen schließen wollen. Die Emirate scherten damit als erster Staat aus der Phalanx arabischer Staaten aus, die Israel feindlich gegenübergestanden und es boykottiert hatten.
Weitere Länder folgten dem Beispiel, Israels Premier Benjamin Netanjahu besuchte sogar Saudi-Arabien. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist deshalb nicht gelöst. Immer mehr arabische Regierungen nutzen ihn aber nicht mehr als Vorwand, um den jüdischen Staat zu diskriminieren.
Die Normalisierung der Beziehung zwischen Israel und seinen einstigen Feinden gibt Hoffnung, dass selbst in seit Jahrzehnten festgefahrene Konflikte wieder Bewegung kommen kann, die eine Region dem Frieden näherbringt. Hans Monath
Die Musik hört niemals auf
Die Musik ist im Lockdown – und geht aus sich heraus wie nie. Im März fing es an mit Balkon-Konzerten in Italien. Wehmütige Volkslieder wehen über leergefegte Straßen, Topfdeckel, Tamburin und Trompete sorgen für Schwung. Igor Levit versammelt über viele Abende Tausende von Twitter-Followern rund um seinen heimischen Flügel. Instrumentalisten, Sängerinnen und Tanz-Ensembles treten in Parks und vor den Fenstern von Alten- und Pflegeheimen auf, Popstars veranstalten kollektive Gigs im Netz, die Berliner Philharmoniker schalten eine Zeit lang ihre Digital Concert Hall frei.
Klicken Sie doch mal auf die Webseite des Rundfunkchors Berlin. Die schönste „Stille Nacht“ des Jahres ist da zu hören und zu sehen, der Chor steht im Hamburger Bahnhof vor Katharina Grosses Farbrausch-Installation „It Wasn’t Us“. Der Mensch ist erfinderisch in der Krise, vom Splitscreen-Bolero der New Yorker Juillard-Studenten und -Dozenten, der die Grenzen der Disziplinen sprengt, bis zum Berliner Clubabend, live in die Küche gestreamt.
Gesang spendet Trost, Töne machen Laune: Das öffentliche Leben in Deutschland mag weiter erliegen, aber die Musik hört nie auf. Weihnachten ohne Weihnachtslieder in großer Runde? Versuchen Sie es doch im Internet mit rudelsingen.de, an Heiligabend und den Feiertagen jeweils ab 14 Uhr. Christiane Peitz
Abschied von kolonialen Schildern
Gute Nachrichten in diesem Jahr gab es für einige Straßenschilder Berlins. In Mitte und Neukölln haben sich die Verordneten mehrheitlich dafür ausgesprochen, Straßen umzubenennen, die an rassistisch geprägte Begriffe (Mohr) oder brutale Kolonialherren (Wissmann) erinnern. Im Bezirk Mitte soll es bald eine Anton-Wilhelm-Amo-Straße geben, nach einem ehemaligen afrikanischen Sklaven, der im 18. Jahrhundert als Philosoph und Rechtswissenschaftler an deutschen Universitäten lehrte. Im Bezirk Neukölln soll eine Straße nach Lucy Lameck benannt werden, der ersten Frau in einer Regierung in Tansania.
Bis die neuen Namen tatsächlich auf den Schildern stehen, werden noch Monate vergehen. Aber die langjährige Arbeit von Einwohnerinitiativen zeigt schon jetzt ihren Erfolg: in der kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte – und auch in dieser Zeitung. Judith Langowski