Energiewende: Es fehlt an Geld und an politischer Steuerung
Im Energie- und Klimafonds zur Finanzierung des Wandels gibt es nur noch halb so viel Geld wie geplant. Weil die Politik das Projekt nicht steuert, machen sich Wissenschaftler und Zivilgesellschaft Gedanken.
Der Energiewende fehlt es an Geld. Weil die Preise für Kohlendioxid-Zertifikate eingebrochen sind, ist dem dafür vorgesehenen Energie- und Klimafonds das Geld ausgegangen. In einem Bericht an den Haushaltsausschuss, der dem Tagesspiegel vorliegt, hat das Finanzministerium vorgeschlagen, in diesem Jahr nur die Hälfte der vorgesehenen Mittel auszugeben. Statt der geplanten 17 Euro pro Tonne CO2 lag der Zertifikatepreis 2012 zwischen sieben und neun Euro.Die Einnahmen aus dem Emissionshandel dürften nach Berechnungen des Finanzministeriums bei nur noch 345,2 Millionen Euro liegen. Dazu kommen 28,9 Millionen Euro, die im vergangenen Jahr nicht ausgegeben werden konnten, weil sich die beteiligten Ressorts zum Teil monatelang nicht auf Vergaberichtlinien einigen konnten. Das Finanzministerium schlägt zudem vor, dass der Bund ein sogenanntes Liquiditätsdarlehnen in Höhe von 78 Millionen Euro vergibt, das jedoch innerhalb von zwei Jahren zurückgezahlt werden muss. Insgesamt stehen für die Energiewende alles in allem in diesem Jahr nur noch 452,1 Millionen Euro zur Verfügung. Deshalb haben die Grünen im Bundestag in einem Antrag gefordert, nun auch Haushaltsmittel für die Energiewende einzuplanen. Zudem soll sich die Regierung für einen wirksamen Emissionshandel in der Europäischen Union einsetzen.
An diesem Freitag hat Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Chance, die Finanzierungsbasis für die Energiewende beträchtlich zu verbessern: Dann berät der EU-Umweltministerrat über ein langfristiges Klimaziel und zum wiederholten Mal über eine Anhebung des Zwischenziels für die Europäische Union bis 2020. 2008 hatte sich die EU verpflichtet, ihren Treibhausgasausstoß bis 2020 um mindestens 20 Prozent zu vermindern. Nun will eine Reihe von EU-Staaten das Ziel auf minus 30 Prozent anheben. Das würde die Zahl der CO-2-Zertifikate verknappen und die Preise auf ein tragfähiges Niveau heben. Da das deutsche Kabinett im Fortschrittsbericht zur Nachhaltigkeitsstrategie vor ein paar Wochen vereinbart hat, sich nunmehr für das 30-Prozent-Ziel einzusetzen, dürfte Röttgen nun auch die Rückendeckung der Kanzlerin haben.
Allerdings hat Röttgen auch einen starken Gegenspieler. Der polnische Umweltminister Marcin Korolec hat sich in einem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt, dagegen gewandt und verklausuliert mit einem Veto gedroht, wenn der Rat ein langfristiges EU-Klimaziel vereinbaren sollte. Korolec führt in seinem Brief aus, dass die Klimapolitik der EU bisher „gegen die wirtschaftlichen Verwerfungen isoliert worden“ sei, nun aber die Auswirkungen zu spüren bekomme. Er weist auf die Staaten hin, die bereits damit angefangen hätten, ihre Förderung für den Ausbau erneuerbarer Energien zu kürzen. Damit meint Korolec neben Deutschland auch Spanien, das die Förderung komplett gestoppt hat und Großbritannien, wo die Förderpolitik seit Monaten vor den Gerichten verhandelt wird.
Bis Dezember muss die Europäische Union ihr verbindliches Ziel zur Verminderung von Treibhausgasemisseionen für die beim Weltklimagipfel in Durban im Dezember 2011 vereinbarte Verlängerung des Kyoto-Protokolls an das UN-Klimasekretariat in Bonn melden. Der polnische Umweltminister bringt nun individuelle Staatenziele ins Gespräch und kündigt damit die gemeinsame EU-Verhandlungsposition in der internationalen Klimadiplomatie auf. Dass die beiden Staatenblöcke der am wenigsten entwickelten Staaten und der kleinen Inselstaaten in Durban ihr 20 Jahre stabiles Bündnis mit der Entwicklungsländergruppe G 77 aufgegeben haben, ist der Hoffnung zuzuschreiben, dass zumindest die EU ein glaubwürdiges Klimaschutzziel anzubieten in der Lage schien. Die WWF-Klimaexpertin Regine Günther sagte Tagesspiegel.de: „Die EU gerät in Gefahr, ihre internationale Glaubwürdigkeit zu verlieren.“
Drei Denkfabriken wollen der Energiewende auf die Sprünge helfen
Doch auch der deutschen Energiewende fehlt es nicht nur an Geld, sondern auch an politischer Steuerung. Der „ehrenamtliche Energiewende-Beauftragte“ Klaus Töpfer hat am Mittwoch den Anfang gemacht. Töpfer, Ex-Umweltminister und Direktor des Nachhaltigkeitsforschungsinstituts IASS in Potsdam, war vor einem Jahr gemeinsam mit dem Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft Matthias Kleiner Vorsitzender der von Bundeskanzlerin Angela Merkel etwas überstürzt einberufenen Ethikkommission. Die aus Töpfers Sicht wichtigste Forderung des Beratungsgremiums, ist bis heute nicht umgesetzt: „Es gibt kein Projektmanagement.“ Genau das hat sich das IASS mit seiner „Plattform Energiewende“ nun vorgenommen. Dazu soll auch ein jährlicher Bericht dienen, in dem das IASS vorhat, anhand von verschiedenen Messgrößen den Fortschritt der Energiewende zu bewerten.
In Themenforen will das IASS mit Vertretern aus Forschung, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über die Folgen der Energiewende für den Strommarkt, den Netzausbau, über Stromspeicher, über Energieeffizienz und über Partizipation debattieren. Wichtig ist Töpfer, bei aller Detaildiskussion stets das Gesamtprojekt im Auge zu behalten.
Tatsächlich ist das Bewusstsein für ein Gesamtprojekt in der Bundesregierung nicht erkennbar. Zum einen werden bei jeder Detailentscheidung wieder die Grundsatzdebatten darüber geführt, ob Energiewende denn tatsächlich eine grundlegende Veränderung des Energieversorgungssystems bedeutet, oder ob nicht doch das meiste irgendwie beim Alten bleiben kann. Ein gutes Beispiel für diese Haltung ist die Werbekampagne von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der wochenlang vor seinem Haus das Plakat „Kraftwerke, ja bitte!“ hängen hatte. Eine Million Euro hat er übrigens dafür ausgegeben. Aber auch die Vorschläge aus der Unionsfraktion, den Ausbau der erneuerbaren Energien so auszubremsen, dass er an das Tempo des Stromnetzausbaus angepasst wird, gehört in diese Kategorie. Im Ergebnis glauben sogar viele Wissenschaftler nicht, dass das Projekt Energiewende tatsächlich ernst gemeint ist.
Diesen Mangel hat auch Gesine Schwan gesehen. Schon an diesem Donnerstag beginnt die Chefin der Humboldt-Viadrina School of Governance einen „Trialog“ zur Energiewende. Ein ganzes Jahr lang will sie Akteure aus der Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ins Gespräch über das Wie der Energiewende bringen. Am Donnerstag zum Auftakt sollen SPD-Chef Sigmar Gabriel, die Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands BDEW, Hildegard Müller, und der Chef der Deutschen Energieagentur, Stephan Kohler, ihre Vorstellungen von der Energiewende vortragen. Auf dieser Gesprächsbasis sollen dann die wichtigsten Themen für eine Begleitung der Energiewende identifiziert werden.
Komplettiert werden diese beiden Diskussionsforen von einer weiteren Initiative, der „Agora Energiewende“, die im April ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Mercator-Stiftung und die Europäische Klimastiftung finanzieren den Dialogprozess, der unter der Leitung von Rainer Baake, Ex-Staatssekretär im Umweltministerium und bis vor kurzem Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), ebenfalls die Energiewende voranbringen soll.
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