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Die Lage hat sich beruhigt. Eine türkische Fahne hängt am Zaun eines Flüchtlingslagers nahe der syrischen Grenze.
© dpa/Sedat Suna

Flüchtlingspakt mit der Türkei: Es bleibt bei Plan A

EU und Bundesregierung stehen fest zum Flüchtlingspakt mit der Türkei – trotz Kritik der Menschenrechtsbeauftragten und aus Athen.

Das Ansprechen heikler Themen ist in der deutschen Außenpolitik den Menschenrechtsbeauftragten vorbehalten. Dass sie beunruhigende Entwicklungen in autoritär regierten Ländern offen benennen, ermöglicht es dem jeweiligen Außenminister, sich in diplomatischer Zurückhaltung zu üben. Doch am Mittwoch musste sich das Auswärtige Amt von der im selben Hause angesiedelten Menschenrechtsbeauftragten, Bärbel Kofler (SPD), distanzieren. „Es steht ihr frei, das zu sagen, was sie für richtig hält“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer. Das Ministerium betonte damit, dass eine Äußerung der Beauftragten der Bundesregierung nicht unbedingt als Position der Bundesregierung verstanden werden kann. Kofler hatte das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei infrage gestellt und eine Neubewertung gefordert.

„Das Abkommen setzt Rechtsstaatlichkeit auf allen Seiten voraus, in der Türkei ist diese zurzeit nicht gegeben“, sagte Kofler den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland. „Wir wissen, dass die Bearbeitung der Asylanträge von Afghanen, Irakern und Iranern in der Türkei nicht nach rechtsstaatlichen Regeln erfolgt.“ Darüber könne die EU nicht hinwegsehen, betonte die Menschenrechtsbeauftragte. Mit dieser Haltung steht Kofler in der SPD-Fraktion nicht allein da. Besonders im linken Flügel gibt es Vorbehalte gegen das Abkommen mit der Türkei. So betonte Frank Schwabe, der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Kofler habe deutlich gemacht, dass die Türkei den Flüchtlingspakt gar nicht kündigen müsse. „Er funktioniert sowieso nicht.“

Kein perfektes Abkommen

Die Bundesregierung stellte sich am Mittwoch demonstrativ hinter das Abkommen und machte zugleich deutlich, dass der von Griechenland angeblich geforderte „Plan B“ für den Fall eines Scheiterns nicht auf der Agenda steht: „Die EU und die Bundesregierung stehen zu der Vereinbarung mit der Türkei und gehen davon aus, dass die Türkei das Abkommen erfüllt“, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Zuvor hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu damit gedroht, das Abkommen aufzukündigen, falls die EU nicht bis Oktober Visafreiheit für türkische Bürger beschließen würde. Außenamtssprecher Schäfer sagte, es sei „kein perfektes Abkommen“ und auch noch nicht vollständig umgesetzt. Bei der Bearbeitung der Asylanträge aus Drittstaaten sei die Türkei aber „auf gutem Wege“, betonte er unter Verweis auf einen Fortschrittsbericht der EU vom Juni. Die Lage der Flüchtlinge in der Türkei habe sich mit dem Putschversuch am 15. Juli nicht geändert.

Auch die EU-Kommission will von einem alternativen Szenario für den Fall, dass die Türkei sich nicht mehr an die Verabredungen hält, nichts wissen. Einen „Plan B“ hatte der griechische Migrationsminister Giannis Mouzala laut Medienberichten gefordert. Am Mittwochabend dementierte die griechische Regierung die Aussage jedoch per Pressemitteilung. Die EU blieb unbeeindruckt. „Wir haben einen Plan A“, sagte eine Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die Kommission setze sich mit ganzer Kraft für eine erfolgreiche Umsetzung des Deals ein.

Unmut in Brüssel wegen Griechenland

Das Abkommen sieht vor, dass illegal nach Griechenland eingereiste Flüchtlinge von der Türkei zurückgenommen werden und die EU bereit ist, im Gegenzug für jeden zurückgebrachten Zuwanderer einen syrischen Bürgerkriegsflüchtling aus der Türkei aufzunehmen.

Über den Vorstoß des griechischen Ministers ist man in Brüssel verärgert. Hinter vorgehaltener Hand ist aus Kommissionskreisen zu hören, die griechische Regierung täte gut daran, ihren Teil des Deals zu erledigen und endlich dafür zu sorgen, dass die Berufungsinstanz bei Asylverfahren reibungslos arbeite und so der Weg frei werde für die schnelle Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei.

Unterstützung kommt vom Außenpolitik-Experten der Union im Europaparlament, Elmar Brok. „Wer einen Plan B fordert lässt den Plan A sausen“, sagte Brok dem Tagesspiegel. Dafür fehle ihm jedes Verständnis. „Es kommen gerade einmal 50 Flüchtlinge am Tag in Griechenland an, im Oktober waren es noch 10 000 an einem Tag, warum soll das Abkommen jetzt von unserer Seite aufgekündigt werden?“ Brok weist zudem darauf hin, dass die EU sechs Milliarden Euro zugesagt habe, um die Lage der drei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern. „Derjenige, der jetzt mit der Türkei brechen will, versündigt sich an den Menschen, die unter den barbarischen Folgen des Krieges leiden.“

Grünen-Fraktion kritisiert das Abkommen

Die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, Rebecca Harms, sieht die Lage der Flüchtlinge in der Türkei ähnlich. „Der Teil des Abkommens, der die Lebensbedingungen der Syrer in der Türkei verbessern will, darf nicht infrage gestellt werden“, sagte Harms dem Tagesspiegel. Sie kenne Flüchtlinge, die in der Türkei geblieben wären, wenn etwa die Schulen für die Kinder besser wären. Kritik übt sie am zweiten Teil des Abkommens, der die Rückführung in die Türkei und anschließende Übersiedlung von Bürgerkriegsflüchtlingen in EU-Staaten vorsieht. „Dieser Teil hat nie richtig funktioniert.“ Schuld daran seien aber die Regierungen Europas. „Die EU-Länder ziehen nicht an einem Strang und können sich nicht auf zuverlässige Quoten für die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen einigen.“

In Ankara wurde die Kritik aus Deutschland unterdessen zurückgewiesen. Dass es in der Türkei keine Rechtsstaatlichkeit gebe, entspreche nicht den Tatsachen, sagte der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament, Mustafa Yeneroglu, im Deutschlandfunk. „Das weiß auch, glaube ich, die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung“, sagte der Abgeordnete der Regierungspartei AKP. Die Massenentlassungen der vergangenen Wochen rechtfertigte er unter Verweis auf den Putschversuch: Die Türkei habe sich in einer „Notsituation“ befunden. (mit dpa)

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