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Dramatische Lage. Die Menschen brauchen jede Art von Hilfe.
© Wojtek Jargilo/dpa

Medizinische Situation in der Ukraine: Erst Corona, dann Krieg

Flüchtende und Verletzte leiden in der Ukraine unter akuter Not. Hilfsorganisation scheitern an Stau an den Grenzen.

Der russische Krieg gegen die Ukraine verschärft die Probleme, vor denen das Gesundheitswesen wegen der Pandemie ohnehin steht. Die medizinische Versorgung ist akut gefährdet. Kürzlich warnte die Weltgesundheitsorganisation vor Sauerstoffengpässen. Lastwagen seien nicht in der Lage, Nachschub von Fabriken zu liefern. Inzwischen seien auch Apotheken leergefegt.

„Die Lage ist dramatisch. Überall sind die Vorräte aufgebracht“, berichtet Dorota Zadroga von der Polish Medical Mission (PMM) am Telefon. Die Hilfsorganisation sammelt Informationen von ukrainischen Krankenhäusern im ganzen Land und ist im direkten Kontakt mit dem Ukrainischen Roten Kreuz.

Die Listen mit dringend benötigten Medizinprodukten, die PMM erreichen, sind lang. „Es fehlen Verbände, Blutbeutel, Fixierschienen und Tragen, um Verwundete zu versorgen“, sagt Zadroga. Auch Medikamente werden langsam knapp. „Unsere Hilfe ist unverzichtbar“, betont sie.

Transport bleiben an der Grenze stecken

Während Hunderttausende Ukrainer: innen aus ihrem Land fliehen, versuchen Hilfsorganisationen möglichst schnell dorthin zu gelangen. Aber sie stoßen auf Hindernisse: Weil humanitäre Korridore noch nicht geschaffen wurden, stecken die Konvois mit lebensrettenden Hilfsgütern in riesigen Schlangen an Grenzübergängen.

„Die ukrainischen Retter, die die Hilfstransporte an der Grenze entgegennehmen, haben keine Priorität bei der Durchfahrt. Das ist momentan unsere größte Sorge, weil es zu erheblichen Verzögerungen führt“, sagt Zadroga. Bei Hrebenne an der polnisch-ukrainischen Grenze muss man aktuell bis zu 60 Stunden ausharren.

Angesichts des Krieges scheint die Pandemie in den Hintergrund zu rücken. „Bisher haben uns keine Appelle erreicht, dass Ärzt:innen Unterstützung beim Kampf gegen Corona brauchen“, sagt Zadroga. Dabei ist die Impfquote der Ukrainer:innen niedrig: Nur 35 Prozent sind vollständig geimpft und gerade einmal zwei Prozent geboostert.

[Alle aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg können Sie hier in unserem Newsblog verfolgen.]

Doch das ist nicht das einzige Problem: Krankheiten, die in Deutschland kaum noch vorkommen oder gut behandelbar sind, wüteten in den vergangenen Jahrzehnten in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Die Ukraine hatte etwa die vierthöchste Tuberkulose-Inzidenz in Europa, dazu sind viele Patient:innen von antiobiotikaresistenter Tuberkulose betroffen. Die ist nur mit sehr teuren Medikamenten behandelbar, außerdem muss die Behandlung konsequent zu Ende gebracht werden, denn sonst bilden sich neue Resistenzen.

Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ betrieb deshalb in den vergangenen Jahren ein Tuberkulose- und ein HIV-Zetrum in Serverodonezk und Schytomyr sowie medizinische Angebote in der Krisenregion Donezk. Diese Angebote sind atuell eingestellt.

Hilfsprojekte mussten schließen

Die Fortschritte der vergangenen Jahre sieht die Organisation nun in Gefahr – zumal Flucht, enge Lebensbedingungen, schlechte Ernährung und Kälte die Ausbreitung von Tuberkulose noch begünstigen. „Wir sehen Zehntausende auf den Straßen, die Angst haben und auf der Flucht sind“, sagt eine Sprecherin.

Bevor die Angriffe begannen, versorgte die Organisation ihre Patienten mit einem Medikamentenvorrat für einen Monat. „Der Mangel war bereits groß, denn die Menschen haben acht Jahre bewaffneten Konflikt durchgemacht und wir machen uns Sorgen um die Folgen längerer Kämpfe für unsere Patienten, von denen viele alt und chronisch krank sind“, erklärt eine Sprecherin des ukrainischen Ärzte-ohne-Grenzen-Teams.

Kurz vor der Eskalation habe man Krankenhauspersonal in Donezk und Luhansk in Notfallmedizin und -chirurgie ausgebildet. Außerdem erhielt ein Krankenhaus in der Hafenstadt Mariupol Ausrüstung für einen Massennotfall, wie etwa einen Bombenangriff.

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