Tödlicher Polizeischuss auf Daunte Wright: Erneute Ausschreitungen in Minneapolis – mehr als 60 Festnahmen
Nach der Tötung eines 20-jährigen Afroamerikaners bei einer Polizeikontrolle gehen die Proteste in den USA weiter. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Nach dem Tod eines jungen Schwarzen bei einem Polizeieinsatz im US-Bundesstaat Minnesota hat es erneut Proteste und Ausschreitungen gegeben. In Brooklyn Center im Norden der Stadt Minneapolis kam es zu Festnahmen, teilte die Polizei in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) mit.
Was ist bei der Polizeikontrolle in Minneapolis passiert?
Am 11. April kommt es im Bundesstaat Minneapolis (USA) zu einer Polizeikontrolle. Während der Kontrolle stellten die Beamten fest, dass gegen den 20-jährigen Daunte Wright, den Fahrer des Wagens, ein Haftbefehl vorliegt. Beim Versuch der Festnahme, soll Wright versucht haben, mit seinem Auto vor den Beamten zu flüchten.
Einer der Beamten schoss auf den Wagen und traf dabei den 20-jährigen Fahrer. Er starb noch vor Ort. Eine Beifahrerin erlitt „nicht lebensbedrohliche Verletzungen“ und wurde in ein örtliches Krankenhaus gebracht.
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Warum wurde Daunte Wright angehalten?
Die Polizei sagte, dass Wright am Sonntag wegen eines abgelaufenen Registrierungsetiketts angehalten wurde und dass die Beamten bemerkten, dass etwas am Rückspiegel baumelte, nachdem sie an ihm vorbeifuhren.
Der Haftbefehl gegen Wright lag vor, weil er eine Gerichtsverhandlung wegen zweier Vergehen verpasst hatte. Er soll illegal eine Pistole besessen haben und im Juni vor Polizisten aus Minneapolis geflohen sein.
Was geschah nach dem Vorfall bei der Polizeikontrolle?
Noch am selben Abend versammelten sich mehrere hundert Demonstranten in Brooklyn Center. Hier kam es zu Ausschreitungen. Die Polizei ging mit Gummigeschossen gegen die Protestierenden vor. Nach rund einer Stunde zog sich die Polizei zurück. Die Protestierenden entzündeten Kerzen.
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Wenig später versammelten sich erneut hunderte Demonstranten vor der örtlichen Polizeistation. Es kam zum Einsatz von Tränengas und Blendgranaten seitens der Polizei, berichtete ein AFP-Journalist.
Die Demonstrierenden forderten unter anderem eine unabhängige Untersuchung, wie US-Medien berichteten. Randalierer warfen laut Behörden Gegenstände wie Ziegelsteine und volle Flaschen in Richtung der Beamten.
In Minneapolis und der benachbarten Stadt Saint Paul traten daraufhin am Montagabend eine nächtliche Ausgangssperre für die Metropolregion in Kraft, die bis Dienstagmorgen um 6 Uhr (Ortszeit) andauerte. Die Behörden kündigten zudem eine verstärkte Präsenz von Sicherheitskräften der Polizei und der Nationalgarde an.
Daunte Wright verbrachte letzte Momente im Gespräch mit seiner Mutter
Wie die New York Times berichtet, habe Daunte Wright seine letzten Momente im Gespräch mit seiner Mutter, Katie Wright, verbracht.
Das zittern in seiner Stimme habe ihr gesagt, dass etwas nicht stimme. „Die Polizei hat mich aufgehalten“, sollen die Worte ihres Sohnes gewesen sein. Sie bat ihn, sie mit der Polizei sprechen zu lassen. Am Telefon habe sie noch gehört wie ihr Sohn fragte, ob er in Schwierigkeiten sei.
Was folgte waren polternde Geräusche und eine Frau, die im Hintergrund schrie. Der Anruf wurde abrupt abgebrochen.
Welche Beweise werden angeführt?
Der Polizeichef von Brooklyn Center, Tim Gannon, zeigte bei einer Pressekonferenz Aufnahmen der Kameras, die die Polizisten am Körper trugen (Bodycams). Darauf ist zu sehen, wie Sicherheitskräfte Wright Handschellen anlegen wollen. Dabei löst sich Wright aus dem Griff und steigt wieder in sein Auto.
Die 48-jährige Polizistin Kimberly A. Potter richtete dann eine Waffe in seine Richtung und schrie: „Taser! Taser! Taser!" Die Behörden sagten, sie habe stattdessen eine Waffe abgefeuert. Potter entfährt daraufhin erst einen erschreckt wirkenden Kraftausdruck und dann sagt sie: „Ich habe gerade auf ihn geschossen.“
Welche Reaktionen gibt es zur Tötung von Daunte Wright?
US-Präsident Joe Biden rief zur Ruhe auf. „Friedlicher Protest ist verständlich“, sagte Biden am Montag (Ortszeit) im Weißen Haus. Für Gewalt gebe es aber „absolut keine Rechtfertigung“. Ermittlungen zum Vorfall in Minneapolis müssen abgewartet werden, so Biden. Die Frage sei, ob es ein Unfall oder Absicht war.
Biden drücke via Twitter sein Mitgefühl für die Familie des 20-Jährigen aus. „Heute denke ich an Daunte Wright und seine Familie – und an den Schmerz, die Wut und das Trauma, das Black America jeden Tag erlebt“, so der Präsident. „Während wir auf eine umfassende Untersuchung warten, wissen wir, was wir tun müssen, um voranzukommen: Vertrauen aufbauen und Rechenschaftspflicht sicherstellen, damit niemand über dem Gesetz steht.“
Polizeichef Gannon, sagte, er gehe davon aus, dass Polizistin Potter versehentlich einen Schuss abgegeben habe. Nach ersten Erkenntnissen habe sie statt eines Elektroschockers (Taser) irrtümlich ihre Pistole gezogen.
Der Präsident der Bürgerrechtsorganisation NAACP, Derrick Johnson, erklärte: „Ob es sich um Nachlässigkeit und Fahrlässigkeit handelt oder um einen unverhohlenen modernen Lynchmord, das Ergebnis ist das gleiche. Ein weiterer schwarzer Mann ist durch Polizistenhand gestorben.“
Wie geht es weiter?
Erste Konsequenzen nach dem tödlichen Schuss gab es am Dienstag in Brooklyn Center: Die verantwortliche Polizistin Potter und der örtliche Polizeichef Tim Gannon reichten ihre Kündigungen ein. Damit beginne hoffentlich eine neue Phase, sagte Bürgermeister Elliott. Medienberichten zufolge wollen die Ermittler am Mittwoch mitteilen, ob gegen die Polizistin Anklage erhoben wird.
Mittwochnacht gingen die Proteste in Minneapolis weiter. Auch die Nationalgarde war im Einsatz. Wie schon am Dienstag, galt auch am Mittwoch eine nächtliche Ausgangssperre in mehreren Städten der Region, darunter auch Brooklyn Center. Gegen die Beschränkung hatten in der vorangegangenen Nacht Hunderte Menschen verstoßen.
Mehr als 60 Menschen seien in Brooklyn Center im Norden der Stadt unter anderem wegen Unruhestiftung festgenommen worden, teilte die Polizei in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz mit.
Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin nur 20 Kilometer entfernt
In der knapp 20 Kilometer entfernten Stadt Minneapolis läuft derzeit der Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin wegen des gewaltsamen Todes des Afroamerikaners George Floyd im Mai vergangenen Jahres.
Anders als bei Floyd, dem der Polizist Chauvin rund neun Minuten lang mit seinem Knie die Luft abpresste, geht die Polizei in Minneapolis beim Tod von Daunte Wright von einen „tragischen Unfall“ aus.