Entschädigungen: Erinnerung muss warten
Deutsch-italienische Projekte zur Aufarbeitung von Krieg und Zwangsarbeit stocken. Entschädigungen schließt die Bundesregierung weiter kategorisch aus.
Deutschland lässt sich Zeit mit der deutsch-italienischen Erinnerungsarbeit. Mehr als ein Jahr, nachdem eine Kommission mit Historikern beider Länder ihre Empfehlungen zur Aufarbeitung von Krieg und italienischer Zwangsarbeit in Deutschland vorlegte, gibt es noch keine konkreten Verabredungen dazu. Wie aus den Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion hervorgeht, die dem Tagesspiegel vorliegt, scheinen auch den Mitteln für den geplanten „Zukunftsfonds“ enge Grenzen gezogen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amts ist die Finanzierung des deutsch-italienischen Zukunftsfonds lediglich „für die Dauer der Legislaturperiode sichergestellt“.
Die gemeinsame Bearbeitung der Vergangenheit war im November 2008 als symbolische Geste beschlossen worden, nachdem die jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen überlebenden früheren italienischen Zwangsarbeitern und der Bundesrepublik – Italiener waren von der Entschädigung durch den im Jahre 2000 gegründeten Zwangsarbeiterfonds ausgeschlossen worden – einen für die deutsche Seite unangenehmen Höhepunkt erreicht hatten: Italiens oberster Gerichtshof hatte im Sommer 2008 die Beschlagnahme deutschen Eigentums in Italien erlaubt, um Entschädigungsforderungen Nachdruck zu verleihen. Einen Monat vor dem deutsch-italienischen Gipfel in Triest folgte ein Urteil der Corte di Cassazione, das Deutschland zu 800 000 Euro Schadenersatz für Massaker in der Toskana verurteilte.
Italiens damaliger Außenminister Franco Frattini und sein Kollege Frank- Walter Steinmeier (SPD) vereinbarten daraufhin die Einsetzung einer Historikerkommission, um die gemeinsame Geschichte seit dem Beginn der deutschen Besatzung Italiens 1943 bis Kriegsende aufzuhellen. 2012 urteilte der Internationale Gerichtshof in Den Haag allerdings im Sinne Deutschlands: Staaten könnten auch von ihren Opfern nicht individuell verklagt werden.
Nun stockt anscheinend auch die Symbolpolitik: Auf die Frage der Linken nach dem weiteren Vorgehen antwortet das Auswärtige Amt, man sei über Umfang, Rahmen und Form möglicher Projekte „zurzeit mit der italienischen Regierung im Gespräch“. Wissenschaftler, die bereits Anträge gestellt hätten, habe man „über die baldige Einrichtung eines Forschungsprogramms“ informiert.
Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke kritisiert, dass „weit über ein Jahr nach Vorstellung des Kommissionsberichtes noch nicht Nägel mit Köpfen gemacht“ seien. Die Einrichtung eines Zukunftsfonds „sei prinzipiell eine gute Sache“, es reiche aber nicht aus, um daraus auch die Museumspläne in Berlin – hier ist an den Ausbau der Gedenkstätte in den ehemaligen Zwangsarbeiterbaracken in Schöneweide gedacht – und Rom zu finanzieren. Und es sei „hochgradig bedauerlich, dass die Bundesregierung Erinnerungspolitik gegen Entschädigungspolitik ausspielt“, sagt Jelpke. „Die noch lebenden NS-Opfer verdienen nicht nur Denkmäler, sie haben auch ein Recht auf Entschädigung.“
Die Bundesregierung bekräftigt in ihrer Antwort nämlich auch ihr hartes Nein zur Entschädigung für die „italienischen Militärinternierten“ (Imi). Deren italienischer Interessenverband beziffert die Ansprüche auf 250 Millionen Euro; für die historische Aufarbeitung veranschlagt die Bundesregierung dagegen nur vier Millionen.
Die Imi waren Soldaten der italienischen Armee, die nach dem Kriegsaustritt Italiens 1943 zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt und dort ähnlich grausam behandelt wurden wie ihre osteuropäischen Leidensgefährten. Ein Gutachten des Berliner Völkerrechtlers Christian Tomuschat im Auftrag des Finanzministeriums hatte ihren Ausschluss damit begründet, dass der Fonds für Zivilisten eingerichtet wurde, nicht für Soldaten. Polnische Kriegsgefangene allerdings waren entschädigt worden.
Auch der Haager Gerichtshof, der die Entschädigungsklagen 2012 zurückwies, forderte Deutschland zu weiteren Verhandlungen auf. Die Antwort des Auswärtigen Amts auf die Anfrage wiederholt jedoch den alten Standpunkt: Kriegsgefangenschaft, wenn sie nicht durch ein Konzentrationslager führte, heißt es im Text, „begründet keinen Leistungsanspruch“.
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