US-Präsidentschaftswahlkampf: Erfolgreich aus dem Keller
Während sich Donald Trump bei Wahlkampfevents blamiert, zieht sein designierter Herausforderer Joe Biden in den Umfragen davon - ohne viel dafür tun zu müssen.
Auch wenn US-Präsident Donald Trump es am liebsten ausblenden würde: Die Corona-Pandemie in den USA nimmt gerade wieder dramatische Ausmaße an. Nach mehreren Wochen, in denen die Bundesstaaten anfingen, Ausgangsbeschränkungen aufzuheben und das wirtschaftliche Leben wieder hochzufahren, droht die Situation zu kippen.
Am Mittwoch meldeten die USA laut „Washington Post“ und „New York Times“ die höchste Zahl an Neuinfektionen an einem Tag seit Beginn der Pandemie. Besonders deutlich ist der Anstieg der Zahlen im Süden des Landes – was den Präsidentschaftswahlkampf einmal mehr durcheinander wirbeln könnte.
Vor allem die Lage in den drei bevölkerungsreichsten Staaten Kalifornien, Texas und Florida ist alarmierend, die alle Höchststände von Neuinfizierten zu verzeichnen hatten. In Jacksonville in Florida soll Trump im August offiziell zum Kandidaten der Republikaner gekürt werden – bei einem Mega-Event mit Zehntausenden Teilnehmern. Schon ist zu hören, dass ein Teil der Einwohner von Jacksonville gegen die Masseninvasion aufbegehren.
Trump verarbeitet noch die Blamage von Tulsa
Dabei verarbeitet Trump gerade noch die Blamage bei seiner ersten großen Wahlkampf-Rallye seit dem Corona-Shutdown. Die Arena bei seinem Auftritt am Samstag in Tulsa im Bundesstaat Oklahoma war nur zu einem Drittel gefüllt, mangels Interesse wurden Auftritte draußen vor dem Gelände abgesagt – das große Comeback, das Trump sich gewünscht hatte, fiel aus.
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Der US-Präsident soll angesichts der halbleeren blauen Sitzreihen so außer sich gewesen sein, dass er beinahe nicht auf die Bühne gegangen wäre. Klar, dass es einen Schuldigen braucht. Trump selbst, der sich vorab lautstark mit „mehr als einer Million“ Interessenten gebrüstet hatte, darf es nicht sein. Aber wer dann?
Vielleicht derjenige, der die Kampagne managt und damit ihren Erfolg oder Misserfolg zu verantworten hat: Brad Parscale. Der 44-Jährige, der im Wahlkampf 2016 Direktor für Digitales war, erwähnte die „mehr als eine Million“ am 15. Juni erstmals, der Präsident griff das dann auf.
Der Wahlkampfmanager steht auf der Kippe
Es wäre nicht das erste Mal, dass Trump mit Parscale unzufrieden ist: Ende April soll er ihm angesichts sinkender Umfragewerte sogar eine Klage angedroht haben. Aber auch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der vom Weißen Haus aus die Kampagne steuert und ein enger Vertrauter von Parscale ist, sei in dieser Rolle gefährdet, heißt es. Und manch anderer, die Laune des Präsidenten sei schlecht.
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Das ist kaum verwunderlich, denn Trumps designierter Herausforderer Joe Biden vergrößert seit Wochen seinen Umfragevorsprung, ohne viel dafür tun zu müssen. Laut einer aktuellen, landesweit durchgeführten Erhebung von der „New York Times“ und dem Siena College liegt er unter registrierten Wählern schon 14 Prozentpunkte vor Trump. Besonders gut schneidet der ehemalige Vizepräsident bei Frauen und nicht-weißen Wählern ab.
Biden sammelte im Mai mehr Spenden ein als Trump
Selbst beim Spendensammeln lag Biden im Mai vorne. Schon heißt es, das einzige Problem, das Bidens Kampagne habe, sei, dass nicht schon in dieser Woche gewählt werde. Noch sind es mehr als vier Monate bis zur Wahl im November, und 2016 hat gezeigt, dass beim Ausgang mit allem zu rechnen ist.
Das Trump-Team sucht nun nach einem gangbaren Weg, um den Wahlkampf zu intensivieren. Ob es dabei aber schon bald wieder eine „Make America Great Again“-Rallye wie in Tulsa geben wird, ist offen. Zwar sind solche Großveranstaltungen das Markenzeichen des Präsidenten, aber in Corona-Zeiten bergen sie ein hohes Infektionsrisiko. Offenbar scheuen selbst viele Trump-Anhänger vor Indoor-Massenevents zurück, bei denen wie in Tulsa kaum einer Maske trägt. Überlegt wird daher nach Berichten von US-Medien, nur noch Auftritte im Freien zu planen, oder kleinere Hallen zu suchen und weniger Leute zuzulassen. Ob Trump, der es liebt, vor Zehntausenden aufzutreten, da mitspielt, ist schwer zu sagen.
Die Demokraten wollen ihren Parteitag in großen Teilen virtuell abhalten
Die Demokraten agieren deutlich vorsichtiger. Biden ist seit Beginn der Krise kaum öffentlich aufgetreten und wendet sich vor allem virtuell aus dem Keller seines Hauses in Wilmington/Delaware an die Wähler. Seit Mittwoch ist klar, dass der auf Mitte August verschobene Parteitag in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin in deutlich reduzierter Form stattfinden wird. Hier soll Biden formell zum Präsidentschaftskandidaten gewählt werden.
Statt Zehntausende einzufliegen, sollen die Delegierten lediglich virtuell an der Versammlung vom 17. bis 20. August teilnehmen. Immerhin soll es ein physisches Treffen von relativ wenigen Parteimitgliedern geben, zu dem auch Biden selbst anreisen will, wie seine Wahlkampfmanagerin Jen O’Malley Dillon ankündigte.
Die USA haben mit mehr als 2,3 Millionen bekannten Corona-Infektionen mehr nachgewiesene Fälle als jedes andere Land der Welt. Mehr als 121.000 Menschen starben infolge einer Covid-19-Erkrankung.