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Die Wahl 2014 hat der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan mit seinen Maßnahmen bereits im Blick.
© AFP

Türkei: Erdogan enttäuscht die Christen

Der türkische Premier Erdogan hat mit seinem Reformpaket die Erwartungen hoch gesteckt: Kurden und Christen sollten mehr Rechte erhalten. Doch für letztere werden diese nur zögerlich umgesetzt - denn Erdogan will Zugeständnisse.

Die Erwartungen waren hoch. Über Wochen ließ die türkische Regierung die Bürger über die Medien wissen, dass das neue Paket demokratischer Reformen für viele Teile der Gesellschaft merkliche Verbesserungen bringen werde, besonders auf dem Gebiet der Religionsfreiheit. Unter den Christen der Türkei machte sich die Hoffnung breit, dass der lang erhoffte Durchbruch bei der Gleichstellung nichtmuslimischer Gemeinschaften bevorstehen könnte. Doch die Hoffnungen wurden enttäuscht. Eine Woche nach der Vorstellung des Reformpakets durch Premier Recep Tayyip Erdogan wächst bei den türkischen Christen die Kritik.

Zwar erhält das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel in Südostanatolien auf der Basis von Erdogans Ankündigungen jetzt Ländereien zurück. Die Rückgabe ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung der Existenz des aus dem vierten Jahrhundert stammenden Klosters. Doch bei anderen Problemen der christlichen Minderheit in der Türkei, die nicht einmal ein halbes Prozent der Bevölkerung in dem 76-Millionen-Land ausmacht, blieb Ministerpräsident Erdogan hinter den Erwartungen zurück.

Hürden für die Priesterausbildung in der Türkei

Besonders deutlich wurde das in der Frage der Priesterausbildung für die griechisch-orthodoxe Kirche. Das Priesterseminar auf der Insel Halki bei Istanbul ist seit mehr als 40 Jahren geschlossen, was den Klerus im früheren Konstantinopel, dem Sitz des ökumenischen orthodoxen Patriarchats, immer weiter überaltern lässt. Nach den Andeutungen aus der Regierung in Sachen Reformpaket war ein Schritt zur Wiedereröffnung des Seminars erwartet worden, doch der blieb aus.

Erdogan selbst erläuterte in einer Rede am Dienstag, warum das so war. Die Wiedereröffnung des Seminars an sich sei kein Problem, sagte er. Doch wenn man etwas gebe, dann wolle man dafür im Gegenzug auch etwas erhalten. Der Premier verwies auf den bisher nicht erfolgten Bau einer Moschee in Athen und auf Probleme der türkisch-muslimischen Minderheit in Nordgriechenland.

Mit diesem Denken liegt der Ministerpräsident ganz auf der Line der türkischen Nationalisten: Er macht mehr Rechte für türkische Staatsbürger christlichen Glaubens von einer Besserstellung der muslimischen Minderheit in Griechenland abhängig. Religiöse Rechte der Christen werden in dieser Logik nicht als selbstverständlicher demokratischer Anspruch gesehen, sondern als Teil eines Gebens und Nehmens zum Wohle muslimischer Türken im Ausland.

Christen in der Türkei fühlen sich als Bürger zweiter Klasse

Einmal mehr fühlen sich die Christen als Bürger zweiter Klasse. „Sind wir etwa Gefangene?“, fragte der armenische Journalist Hayko Bagdat in der Zeitung „Today’s Zaman“. Orhan Kemal Cengiz, ein auf Minderheitenrechte spezialisierter Rechtsanwalt, kritisierte im selben Blatt, es sei ja gut und schön, für mehr Rechte der Muslime in Griechenland einzutreten. „Aber es geht nicht an, den eigenen Bürgern ihre Rechte vorzuenthalten.“

Nach Beobachtung von Dimitrios Triantaphyllou, eines griechischen Politologen an der Istanbuler Kadir-Has-Universität, hatte die griechische Gemeinde in der Türkei einiges von Erdogans Reformpaket erwartet. Immerhin habe Erdogan in den vergangenen Jahren viel für die Christen getan, sagte Triantaphyllou dem Tagesspiegel. Die Rückgabe enteigneten Eigentums und die Erlaubnis für Gottesdienste an symbolträchtigen Orten gehörten dazu. Doch dann habe sich Erdogan beim Reformpaket dafür entschieden, konservative und nationalistische Wählerkreise zu bedienen, sagte der Politologe weiter. Wahrscheinlich hänge diese Entscheidung mit den bevorstehenden Wahlen zusammen; die Türken wählen 2014 neue Kommunalparlamente und einen neuen Präsidenten. Dabei sind die Stimmen der Nationalisten für Erdogan offenbar wichtiger als die der Christen.

Weitaus tatkräftiger geht Erdogan bei anderen Glaubensfragen ans Werk. Die ebenfalls im Reformpaket angekündigte Freigabe des islamischen Kopftuches in staatlichen Institutionen wurde am Dienstag in Kraft gesetzt.

Thomas Seibert

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