Ministerium schlägt Oktober vor: Ende der kostenlosen Schnelltests in Sicht – ein Impfanreiz?
Das Gesundheitsministerium will Schnelltests ab Oktober kostenpflichtig machen. Der Plan hat gewiss nicht nur steuerliche Gründe.
Der 12. Mai 2021 wird in die Corona-Impfgeschichte in Deutschland eingehen. Mehr als eine Million Erstimpfungen wurden damals verabreicht. Ein Rekord, den man sehr wahrscheinlich nicht mehr wird brechen können. Ein Blick auf die Zahlen der vergangenen Woche zeigt: Nur noch an wenigen Tagen gibt es mehr als 100.000 Erstimpfungen.
Natürlich muss man hierbei erwähnen, dass inzwischen fast 62 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einmal geimpft ist. Andererseits fehlen damit aber immer noch 38 Prozent. Während das Impftempo von Tag zu Tag abnimmt, diskutiert die Politik eifrig, wie man denn nun auch die restlichen 38 Prozent von einer Impfung überzeugen kann. Eine Impfpflicht schließt die Bundesregierung aus. Auch „nicht durch die Hintertür“, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer jüngst betonte.
Wie also zwei Monate vor der Bundestagswahl weitermachen? Immer konkreter wird nun die Abschaffung kostenloser Schnelltests. Diese brauchen aktuell vor allem Ungeimpfte für Urlaub, kulturelle Aktivitäten und vieles andere. Alle anderen können einen Impf- oder Genesenennachweis vorweisen.
Am Dienstag machte das Bundesgesundheitsministerium nun einen Vorschlag: Das Ende der kostenlosen Corona-Schnelltests solle auf Mitte Oktober fallen.
Da mittlerweile allen Bürgern ein unmittelbares Impfangebot gemacht werden könne, sei eine dauerhafte Kostenübernahme durch den Steuerzahler nicht angezeigt, heißt es in einem Bericht des Gesundheitsministeriums zum weiteren Vorgehen im Herbst und Winter, der den Ländern und dem Bundestag zugesandt wurde. Der Bund übernimmt seit März die Kosten für mindestens einen Schnelltest pro Woche und Person.
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Das Ministerium von Jens Spahn (CDU) schlägt vor, dass der Bund das Angebot kostenloser Bürgertests für alle Mitte Oktober beendet - etwa zum 11. oder zum 18. Oktober. Nur für Personen, die nicht geimpft werden können oder für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliege, wie Schwangere oder Unter-18-Jährige, solle es weiterhin kostenlose Schnelltests geben.
Der Vorschlag hat gewiss aber nicht nur steuerliche Gründe, er dürfte auch als Anreiz für Zögernde verstanden werden. Denn: Müssen Ungeimpfte die Tests aus eigener Tasche zahlen, könnten sie die Impfung vorziehen. So die Hoffnung dahinter.
Ob es tatsächlich zu dem Ende der kostenlosen Tests kommt, darüber soll auch am 10. August in der Runde von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten gesprochen werden. Es zeichnet sich allerdings ab, dass es bei dem Thema weniger um ein „Ob“ als um ein „Wann“ gehen wird. Die stellvertretende Regierungssprecherin betont allerdings, dass Schnelltests „ganz sicher nicht über Nacht plötzlich kostenpflichtig“ würden, sondern noch eine ganz Weile kostenlos bleiben sollten.
Aus Fairnessgründen solle erst allen Menschen die Chance gegeben werden, sich mit dem gebotenen Abstand zweimal impfen zu lassen und die dann vorgesehenen 14 Tage zusätzlich einhalten zu können, nach denen der Impfschutz als vollständig gilt.
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In den vergangenen Tagen hatten sich die Stimmen für ein Ende der kostenlosen Tests gemehrt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hatte sogar schon einen früheren Termin ins Gespräch gebracht: das Ende des Sommers, den 20. September. Die Kosten für einen Antigen-Schnelltest durch geschultes Personal betragen nach Angaben der Landesregierung in Kiel derzeit, abhängig vom Anbieter, 20 bis 30 Euro.
Söder: „Testen kostet enorme Summen“
In Bayern sprach sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ebenfalls dafür aus. „Testen kostet enorme Summen“, sagte er. Daher müsse auch darüber nachgedacht werden, ob die Corona-Tests kostenlos bleiben könnten, wenn alle Menschen ein Impfangebot bekommen hätten.
In der Koalition mit den Freien Wählern kommt der Druck nicht gut an. „Wir dürfen nicht allen die Pistole auf die Brust setzen, die sich nicht impfen lassen wollen“, sagte Parteichef und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger dem Tagesspiegel.
Wohlwollend zu der Idee äußerte sich Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). „Irgendwann wird der Punkt erreicht werden, wo man der Mehrheit der Menschen in diesem Land die Frage beantworten muss, warum die Solidargemeinschaft 15 Euro jeden Tag für einen Schnelltest bezahlt und verschenkt, damit Impfverweigerer weiter shoppen oder an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können“, sagte Holetschek der „Bild am Sonntag“.
Der langjährige Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte: „Wer sich nicht impfen lässt und somit die Gefährdung anderer Menschen in Kauf nimmt, sollte den Corona-Test künftig aus eigener Tasche bezahlen müssen. Diese Kosten dürfen nicht mehr der Gemeinschaft in Rechnung gestellt werden“, sagte Kauder der „Heilbronner Stimme“.
Die SPD unterstützt diesen Vorschlag. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte: „Auf Dauer werden wir uns kostenlose Tests nicht leisten können.“ Wer sich nicht impfen lasse, könne nicht erwarten, dass die Allgemeinheit dauerhaft alles für ihn finanziere.
Derzeit sei es jedoch noch zu früh für kostenpflichtige Tests, deutete Schneider an. Im Moment müsse man die Menschen vor allem besser von der Impfung überzeugen. „Wir müssen an die Vernunft appellieren“, sagte Schneider. „Gleichzeitig sollten wir den Leuten auch die Konsequenzen aufzeigen, wenn sie sich nicht impfen lassen.“
Werde die Herdenimmunität nicht erreicht, „gibt es das alte, normale Leben nicht zurück“. Dann drohten etwa im Herbst und Winter auch wieder stärkere Einschränkungen im öffentlichen Leben.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz dürfte ein Ende erst im Oktober zu spät sein. Jüngst sagte er: "Corona-Tests sollten kostenpflichtig werden, wenn alle sich hätten impfen lassen können - also in wenigen Wochen."
Seehofer warnt vor „verstecktem Infektionsgeschehen“
Ablehnende Stimmen gibt es derzeit nur vereinzelt: Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen etwa warnte vor der Annahme, dass auf diese Weise Menschen zum Impfen bewegt werden könnten. „Ich bin als Arzt und Politiker nicht davon überzeugt, dass wir zum aktuellen Zeitpunkt Menschen mit Debatten über Druck, Zwang und Bestrafung zum Impfen bekommen“, betonte er.
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist dagegen, Corona-Tests für Nicht-Geimpfte bald kostenpflichtig zu machen. „Solange die Pandemie anhält, würde ich nichts an der Kostenfreiheit ändern. Ich möchte, dass denen, die weder geimpft noch genesen sind, die Chance des Tests bleibt“, sagte Seehofer. „Was glauben Sie, wie viele Leute den Test nicht mehr machen oder machen können, wenn er nicht kostenfrei ist? Damit könnte ein verstecktes Infektionsgeschehen stattfinden“, warnte er.
Eine Impfpflicht etwa von Unternehmen für ihre Mitarbeiter lehnte Seehofer strikt ab.. „Der Staat hat noch genügend Möglichkeiten, für die Impfung zu werben. Er sollte die notwendige Gelassenheit aufbringen. Es braucht nicht jeden Tag ein Stimmengewirr, was alles am Horizont droht, wenn sich die Leute nicht impfen lassen.“ (mit Agenturen)
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