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Aussichtsreichster Bewerber um die Präsidentschaft in Frankreich: Emmanuel Macron.
© REUTERS

Frankreich: Emmanuel Macron will weder links noch rechts sein - ist das glaubwürdig?

Frankreichs Präsidentschaftskandidat Macron kämpft gegen das Image der Beliebigkeit – dennoch gilt der Sozialliberale als Favorit.

Er weiß, wie gefährlich der Vorwurf ist. Emmanuel Macron, 39 Jahre alt und Favorit bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich, ist trotz seiner guten Umfragewerte noch nicht am Ziel angekommen, dem Elysée-Palast. Wenn er bei der ersten Runde am 23. April und der entscheidenden Stichwahl am 7. Mai erfolgreich bestehen will, muss er vor allem einen Verdacht ausräumen: dass er ein Kandidat der Beliebigkeit sei, der es sowohl den Linken als auch den Konservativen in Frankreich um jeden Preis recht machen will.

Seine Gegner haben Macrons Schwachstelle inzwischen erkannt. Der konservative Kandidat François Fillon verspottet ihn regelmäßig als „Emmanuel Hollande“, also als politischen Wiedergänger des gescheiterten sozialistischen Präsidenten François Hollande. Fillon hat einen guten Grund, den politischen Blitzaufsteiger Macron hart anzugehen. In den Umfragen liegt der konservative Ex-Premierminister an dritter Stelle hinter Macron und der Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen. Deshalb muss er noch einige Punkte im Wahlkampf sammeln, wenn er tatsächlich in die zweite Runde einziehen will.

Ganz aus der Luft gegriffen ist der Vorwurf, dass Macron mehr oder minder nahtlos an die Arbeit des glücklosen Hollande anknüpfen wolle, aber offenbar nicht. Die Zeitung „Le Monde“ berichtete, dass Hollande und sein früherer Wirtschaftsminister Macron auch weiterhin per SMS in Kontakt stehen. Dabei beschwöre der demnächst abtretende Staatschef seinen möglichen Nachfolger, „links zu bleiben“, berichtete das Blatt.

Viele halten ihn für eher links: Präsidentschaftsbewerber Emmanuel Macron.
Viele halten ihn für eher links: Präsidentschaftsbewerber Emmanuel Macron.
© REUTERS

Aber nicht nur Fillon, sondern auch Präsidentschaftskandidaten auf der linken Seite des politischen Spektrums machen sich mittlerweile über Macron als Kandidaten des „Sowohl als auch“ lustig. So erklärte der sozialistische Präsidentschaftsbewerber Benoît Hamon, dass Macron im Wahlkampf an geraden Tagen als Bewerber der Konservativen und an ungeraden Tagen als Vertreter der Linken auftrete.

Es ist ein Jahr her, dass Macron unter den Augen einer zunächst kritischen Öffentlichkeit seine Bewegung „En Marche!“ in seiner Geburtsstadt im nordfranzösischen Amiens gründete. Mit der Bewegung möchte der frühere Wirtschaftsminister die klassische französische Parteienlandschaft durcheinanderwirbeln. Bei einem zweistündigen Fernsehinterview des Senders „France 2“ führte der sozialliberale Kandidat am Donnerstagabend aus, worum es ihm bei „En Marche“ geht: Er wolle nicht nur nach den fünf Jahren der Ära von François Hollande ein neues Kapitel aufschlagen, sondern einen Neubeginn nach den vergangenen zwei Jahrzehnten schaffen, erklärte er. Seit der Gaullist Jacques Chirac 1995 Staatschef wurde, haben sich sowohl Konservative als auch Sozialisten an Reformen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Belebung der Wirtschaft versucht. Die Erfolge blieben überschaubar. Vor allem Hollande, der sein Versprechen zur Senkung der Arbeitslosigkeit nicht einhalten konnte, enttäuschte die Franzosen.

Macron distanziert sich von Hollande

Macron will nun mit seiner Bewegung, die mehr als 230 000 Mitglieder umfasst, die Kluft zwischen links und rechts, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, überwinden. Die tiefen Spaltungen in Frankreich haben Reformen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder vereitelt. Falls er am 7. Mai zum Staatschef gewählt werden sollte, so wird spekuliert, könnte Macron möglicherweise anschließend den 69-jährigen JeanYves Le Drian zum Premierminister machen. Der Sozialist Le Drian, der derzeit das Amt des Verteidigungsministers innehat, gilt als politisches Schwergewicht. Die Nominierung eines derart erfahrenen Politikers zum Regierungschef könnte jene Franzosen beruhigen, die dem jungen Macron nicht ganz über den Weg trauen.

Der aussichtsreiche Kandidat distanzierte sich in dem Fernsehinterview am Donnerstagabend von seinem früheren Chef Hollande, der ihn 2012 zunächst als Berater für Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Elysée-Palast holte und ihn dort später zum stellvertretenden Generalsekretär machte. Er habe zwar gegenüber Hollande immer Respekt gezeigt, beteuerte der Sozialliberale. Das habe ihn aber nicht davon abgehalten, seinen Posten im Präsidentenpalast nach zwei Jahren wegen eines Konfliktes mit Hollande wieder aufzugeben. Kurze Zeit später berief ihn Hollande, der damals eine halbherzige sozialliberale Politikwende versuchte, erneut – diesmal als Wirtschaftsminister. „Ich konnte mit seiner Unterstützung Reformen durchführen, aber dann gab es andere Meinungsverschiedenheiten. Das habe ich auch klar gesagt“, erzählte Macron im Rückblick auf seine Zeit als Ressortchef. Im vergangenen August trat er von seinem Ministeramt zurück.

Anders als seinerzeit Hollande will Macron im Wahlkampf keine Versprechen zur Erhaltung von bedrohten französischen Unternehmen abgeben. Ohne den amtierenden Staatschef beim Namen zu nennen, kritisierte der Mitte-Kandidat dessen Auftritt vor Gewerkschaftern vor den Hochöfen im lothringischen Florange, wo der Stahlkonzern ArcelorMittal ein Stahlwerk betrieb. Im Februar 2012, vor seiner Wahl zum Staatschef, kletterte Hollande damals zu den Gewerkschaftern auf einen Bus und versicherte der Belegschaft, dass er sich für ihre Arbeitsplätze einsetzen werde. Ein Jahr später kam dennoch das Aus für den Industriestandort in Florange. Macron präsentiert sich hingegen als ein Politiker, der den grundlegenden wirtschaftlichen Wandel – etwa das Entstehen der Internet-Ökonomie – nicht aufhalten, sondern gestalten will.

Er gilt als ausgabenfreudig

Dass der unabhängige Bewerber Macron dennoch in erster Linie als ein Kandidat der Linken gilt, hängt vor allem mit seiner Ausgabenfreudigkeit zusammen. Macron glaubt an den Segen öffentlicher Programme, mit denen er mittelfristig Wachstumspotenziale in der französischen Wirtschaft wecken will. So sieht sein Programm Ausgaben in Höhe von 50 Milliarden Euro vor, die unter anderem in die Energiewende sowie die Ausbildung von Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen gesteckt werden sollen. Auch in Deutschland, so lautet jedenfalls sein Wunsch für die künftige Europapolitik, soll der Staat künftig kräftiger investieren.

Trotz seiner Bemühungen, politisch eine klare Kante zu zeigen, bekam Macron übrigens am Ende des Fernsehinterviews dennoch ein Trainingsleibchen geschenkt, das sich wahlweise auf die Farbe Blau (für die Konservativen) oder Rot (für die Sozialisten) wenden lässt. Der Kandidat nahm es mit Humor. Denn die althergebrachten Kategorien von „links“ und „rechts“ haben in den Augen der meisten seiner Landsleute offenbar ohnehin ihre Bedeutung verloren. Nach einer Umfrage glauben 75 Prozent der Franzosen inzwischen, dass das alte Links-rechts-Schema überholt ist.

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