Wendet sich Frankreich von ihm ab?: Emmanuel Macron muss um zweite Amtszeit fürchten
Am Morgen öffneten in Frankreich die Wahllokale. Macron und Le Pen gaben ihre Stimmen ab. Erste Hochrechnungen soll es kurz nach 20 Uhr geben.
In Frankreich hat am Sonntag die erste Runde der Präsidentschaftswahl begonnen. Um 8 Uhr öffneten die Wahllokale. Rund 48,7 Millionen Wähler hatten sich für die Stimmabgabe eingeschrieben.
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Der derzeitige Staatschef Emmanuel Macron hofft auf eine zweite Amtszeit. Als seine größte Konkurrentin gilt die Rechte Marine Le Pen. Hoffnung auf einen Einzug in die Stichwahl am 24. April macht sich auch der Linke Jean-Luc Mélenchon. Insgesamt treten zwölf Kandidatinnen und Kandidaten an.
Der liberale Amtsinhaber dürfte Umfragen zufolge auf rund 26 Prozent der Stimmen kommen und in die Stichwahl in zwei Wochen gehen. Knapp dahinter (24 Prozent) liegt demnach die Kandidatin Le Pen.
Der linke Bewerber Jean-Luc Melenchon dürfte mit einer Zustimmung von 17 Prozent nach der ersten Runde ausscheiden – ebenso der Rechtsaußen-Kandidat Eric Zemmour und die Konservative Valerie Pecresse mit jeweils neun Prozent. Damit läuft es bei der am 24. April anstehenden Stichwahl wohl auf eine Neuauflage von 2017 hinaus, als sich Macron am Ende klar gegen Le Pen durchsetzte.
Der 44-jährige Macron wählte am Sonntagmittag gemeinsam mit seiner Ehefrau Brigitte im nordfranzösischen Badeort Le Touquet-Paris-Plage. Zahlreiche Unterstützer begrüßten Macron vor Ort im Wahllokal. Die drei Wahlkabinen hatten Vorhänge in den Farben der französischen Flagge, blau, weiß und rot. Macron wählte die mittlere Kabine, die Präsidentengattin ging in die linke Kabine. Zuvor hatte die 53-Jährige Le Pen im nordostfranzösischen Hénin-Beaumont bei Lille gewählt. Mit Macron haben nun alle Kandidaten ihre Stimme abgegeben.
Geringe Wahlbeteiligung befürchtet
Der französische Wahlkampf kam nur schleppend in Gang und wurde vom Krieg in der Ukraine überschattet. Kaum Themen verfingen, viele Bewerberinnen und Bewerber wurden als schwach wahrgenommen. Mit dem Ukraine-Konflikt und seinen wirtschaftlichen Folgen rückte die Kaufkraft als wichtigstes Thema in den Fokus.
Befürchtet wird eine niedrige Wahlbeteiligung. Umfragen gingen zuletzt davon aus, dass bis zu 30 Prozent der Wahl fernbleiben könnten. Drei von zehn Franzosen wussten kurz vor der Wahl noch nicht, für wen sie stimmen werden. Auch die Bindung an eine Partei hat nachgelassen, es gibt weniger Stammwähler als früher.
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Bis 12.00 Uhr am Sonntagmittag hatten 25,48 Prozent der eingeschriebenen 48,7 Millionen Wählerinnen und Wähler abgestimmt. Die Wahlbeteiligung, die Institut im Vorfeld eher als gering erwartet hatten, lag damit tatsächlich leicht unter dem Vergleichswert von 28,54 Prozent am Mittag des Wahlsonntags von 2017 – allerdings auch über dem Tiefststand von 21,39 Prozent bei der bisher schlechtesten Wahlbeteiligung im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl 2002.
Der französische Präsident hat weitreichende Machtbefugnisse und amtiert für fünf Jahre. Er ist mächtiger als der von ihm bestimmte Premierminister und beeinflusst die Geschicke des Landes maßgeblich.
Auch für Brüssel und Berlin ist der Wahlausgang von erheblichem Interesse. Ein Sieg der Populistin Le Pen wäre ein Schock. Frankreich ist politisch und wirtschaftlich einer der wichtigsten Partner Deutschlands.
Die Achse Paris-Berlin, derzeit als Tandem zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Macron, ist eine treibende Kraft in der Europäischen Union. In Brüssel versuchte der 44-Jährige Macron zuletzt verstärkt, sich als Reformer der EU zu inszenieren. In der Ukraine-Krise profilierte er sich als einer der führenden Vermittler.
Wahl entscheidend für Deutschland und Europa
Die Euroskeptikerin Le Pen droht jedoch mit einer grundsätzlichen Neuausrichtung des französischen Kurses, in der Europa nur noch eine nachgeordnete Rolle spielen würde und Deutschland nicht mehr der Partner der Wahl wäre. Stattdessen würde ein Frankreich unter Le Pen sich Ländern wie Ungarn oder Polen stärker zuwenden. Konfrontationen mit Brüssel wären vorprogrammiert und Frankreich könnte mit Le Pen vom Antreiber zum Bremser von EU-Initiativen werden.
Bei einem Sieg von Le Pen könnte in der aktuellen Krise angesichts des Kriegs die geschlossene Front Europas gegen Russland und die Pro-Ukraine-Koalition in Gefahr geraten. Auch in den USA wird dies mit großer Sorge gesehen. Wahlwerbung zeigte die 53-Jährige bis Ausbruch des Krieges noch bei einem Treffen 2017 mit Kremlchef Wladimir Putin. Nach einem Ende des Krieges könne Russland in absehbarer Zeit wieder ein Partner Europas werden, formulierte die Putin-Freundin Le Pen bereits.
Die Wahllokale sind in Frankreich bis 19 Uhr und mancherorts bis 20 Uhr geöffnet. Wegen der Zeitverschiebung wurde in einigen französischen Überseegebieten, etwa in der Karibik, bereits am Samstag abgestimmt. (dpa, Reuters)