Westafrika: Elfenbeinküste wartet auf Aussöhnung
Präsident Ouattara betreibt Siegerjustiz.
Es ist noch nicht lange her, da schien in Westafrika ein wenig mehr Stabilität einzukehren: In Nigeria kam zur Jahrtausendwende nach 15 Jahren Militärherrschaft eine Zivilregierung an die Macht – und mit ihr die Hoffnung auf mehr Demokratie und wirtschaftliches Wachstum. Wenig später gingen in Liberia und Sierra Leone zwei lange und besonders blutige Bürgerkriege zu Ende. Und auch in der Elfenbeinküste, dem einstigen Entwicklungsmodell von Westafrika, schien es trotz der Zweiteilung des Landes in einen christlichen Süden und muslimischen Norden möglich, Ende 2010 zum ersten Mal nach fast zehn Jahren eine halbwegs freie Wahl abzuhalten.
Doch statt die Wahlniederlage zu akzeptieren und den politischen Gegner ans Ruder zu lassen, klammerte sich der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo verzweifelt an die Macht. In den vergleichbaren Krisen in Simbabwe und Kenia zuvor hatte die Afrikanische Union (AU) noch klein beigegeben und etablierte in beiden Ländern Regierungen der nationalen Einheit, in denen die eigentlichen Wahlverlierer nicht nur weiterherrschen durften, sondern am Ende sogar den Ton angaben. In der Elfenbeinküste zog die AU dann aber einen Strich, nicht zuletzt, weil hier der regionale Staatenbund Ecowas eine klare und harte Linie einschlug. Als der ivorische Staatschef Laurent Gbagbo sich weigerte abzutreten und ein weiterer ruinöser Bürgerkrieg drohte, kamen die frühere Kolonialmacht Frankreich und die im Land stationierten Friedenstruppen der Vereinten Nationen seinem Widersacher Alassane Ouattara zu Hilfe und drängten Gbagbo am 11. April 2011 nach heftigen Gefechten in der Wirtschaftsmetropole Abidjan gewaltsam aus dem Amt. Kurz vor dem Jahresende wurde er an den Strafgerichtshof nach Den Haag ausgeliefert, wo er nun auf seinen Prozess wartet.
Doch genauso plötzlich wie die Elfenbeinküste damals in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten war, wurde das Land über die Ereignisse in Nordafrika auch wieder vergessen. Dabei ist der Frieden in dem Land auch ein Jahr nach der Verhaftung Gbagbos noch immer ausgesprochen fragil: Zum einen liegt dies daran, dass beide Rivalen stets die ethnische Karte gespielt und das religiös gespaltene Land dadurch weiter polarisiert haben. Während die christliche Bevölkerung weiterhin an der Seite Gbagbos steht, stützt sich der neue Staatspräsident Ouattara auf seine muslimischen Anhänger im Norden.
Ob Ouattara die versprochene Aussöhnung gelingt, ist keineswegs sicher: Schließlich hatten in den blutigen Kämpfen nach der verhängnisvollen Wahl vor 16 Monaten nicht nur Gbagbos Soldaten, sondern auch viele Anhänger Ouattaras schwere Verbrechen begangen. Verschiedene Organisationen berichten zum Beispiel übereinstimmend von einem Massaker im Westen der Elfenbeinküste, bei dem Kämpfer des heutigen Präsidenten mehr als 800 Zivilisten ermordet haben sollen. Allerdings ist bislang noch kein Einziger der Schuldigen dafür von Ouattara zur Rechenschaft gezogen worden. Verfolgt wurden bislang von ihm nur Anhänger Gbagbos. „Schon deshalb klingen die Versprechen der neuen Machthaber nach Gerechtigkeit für alle eher hohl“, konstatiert Matt Wells von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Inzwischen gilt eine im September eingerichtete Kommission für Dialog, Wahrheit und Versöhnung gemeinhin als Lackmustest für die Fähigkeit der verfeindeten Lager, die tiefe Spaltung des Landes zu überwinden.
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