Antisemitismus und Kirche: EKD-Synode will Schuld gegenüber Juden eingestehen
Mit einer historischen Erklärung will die Synode der evangelischen Kirche am Montag auf Distanz zu Luthers Antijudaismus gehen.
Martin Luther übernahm in seinen späten Lebensjahren alle judenfeindlichen Denkmuster seiner Zeit, deren Traditionen bis in die biblischen Zeiten zurückreichen. Er beschimpfte die Andersgläubigen als „verstockte Gotteslästerer“ und „Lügner“ und rechtfertigte theologisch, dass sie aus der Gemeinschaft ausgestoßen würden.
Reformator rief dazu auf, Synagogen anzustecken
In seinen frühen Schriften gestand er Juden noch eine Menschenwürde zu. Doch als die wenigen Rabbiner, die er persönlich kannte, keine Begeisterung für seine neue Lehre zeigten, rief er offen zu Gewalt gegen sie auf: Man solle ihre Synagogen anstecken und ihre Häuser zerstören. Generationen von Protestanten nahmen seine Aussagen auf, auch die Nazis begeisterten sich dafür.
„Diese Aussagen Luthers sind völlig inakzeptabel“, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, am Sonntag in Bremen. Dort sind die 120 Synodalen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu ihrer jährlichen Tagung zusammengekommen. Schuster sprach bei der Eröffnung ein Grußwort.
Am Montag wollen die Synodalen eine Erklärung zu Luthers Antijudaismus beraten. Eine solche Erklärung vom obersten evangelischen Kirchenparlament ein Jahr vor Beginn des Reformationsjahres 2017 wertete Schuster als wichtiges Zeichen für den christlich-jüdischen Dialog. Zugleich warb er für ein „beherztes Engagement“ gegen jegliche Form von Antijudaismus und Israelfeindlichkeit heute. „Das wäre für mich die praktische Umsetzung dieser Erklärung“, sagte Schuster.
Im Entwurf der Erklärung ist von einer „Schuldverstrickung der Reformatoren und der reformatorischen Kirchen“ die Rede und von einem „schuldhaften Versagen gegenüber dem Judentum“ in der Zeit des Nationalsozialismus. Das seien „wirklich deutliche Worte“, lobte Schuster. Aber er vermisse eine ebenso deutliche Distanzierung von der Missionierung der Juden.
Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode, sagte daraufhin, das Thema werde deshalb in dem Entwurf nicht angesprochen, weil es in der evangelischen Kirche dazu „deutlich unterschiedliche Auffassungen“ gebe. In pietistischen Kreisen ist die Missionierung der Juden nach wie vor erklärtes Ziel. Sie selbst schließe sich der Position der Landeskirchen an, die eine klare Ablehnung jeder Judenmissionierung beschlossen hätten, sagte Schwaetzer. Sie hoffe auf einen Klärungsprozess in diesem Sinne, könne aber nichts versprechen.
Ratsvorsitzender Bedford-Strohm stellt sich gegen Thomas de Maizière
Am Dienstag wählen die Synodalen einen neuen 15-köpfigen Rat der EKD, das höchste Entscheidungsgremium der Kirche. Wahrscheinlich wird der Münchner Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm als Ratsvorsitzender bestätigt werden.
In seinem Bericht warb er am Sonntag für eine „Ethik der Einfühlung“ gegenüber Flüchtlingen und lobte den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Er hoffe, dass sie „auch unter schwierigen Bedingungen“ dabei bleibe und der Versuchung widerstehe, „auf einen Kurs der Abschottung und des Einzäunens von Europa einzuschwenken“.
Von der Idee des Bundesinnenministers, den Status syrischer Flüchtlinge herabzustufen und den Familiennachzug zu verbieten, hält er nichts. Er sei sich da mit Kardinal Reinhard Marx, dem Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz, einig. „Eine Politik der Abschreckung und der Abschottung gegenüber Menschen, die vor dem Horror des IS fliehen, ist nicht akzeptabel“, sagte Bedford-Strohm. Man werde die rechtliche Ausgestaltung des Familiennachzugs genau verfolgen.