G-7-Gipfel in Italien: Einigkeit herrscht nur über die Uneinigkeit
Trump lässt sich im Handelsstreit in letzter Minute von den G7 einbinden. In der Flüchtlingspolitik und beim Klimaschutz sieht es anders aus. Das Bündnis taumelt – wegen des US-Präsidenten.
Vor dem Gipfel in Taormina hatte der von Gastgeber Italien redigierte Entwurf für die Abschlusserklärung noch zehn Seiten umfasst. Deutlich weniger zwar als die 30 bis 40 Seiten, die bisher nach einem G-7-Treffen üblich waren, aber immerhin. Am Ende umfasste die Abschlusserklärung noch sechs Seiten – auf Druck von US-Präsident Donald Trump, der bekanntlich keine langen Dossiers mag und der vieles, was er im Entwurf vorgefunden hatte, nicht unterschreiben wollte.
Allein die Kürze des Schlussdokuments verdeutlicht, dass in fast allen Fragen nur ein Minimalkonsens möglich war. „Aber dass sich mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten die internationalen Beziehungen verändert haben, das wissen wir nicht erst seit diesem Gipfel hier“, sagte Italiens Premier Paolo Gentiloni als Gastgeber nach dem Treffen.
Die größte Kluft tat sich beim Klimaschutz auf: Trump mochte sich partout nicht zum Pariser Klimaabkommen bekennen. Aber nachdem der US-Präsident bereits im Wahlkampf versprochen hatte, den „Krieg gegen die Kohle“ zu beenden, und er als eine seiner ersten Amtshandlungen im Beisein von klatschenden Bergbauarbeitern den „Clean Power Plan“ seines Vorgängers Barack Obama beerdigte, mit dem erstmals landesweit verbindliche Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasen im Energiesektor vorgeschrieben wurden, musste sich die Überraschung bei den anderen Staatschefs über den Dissens in Klimaschutzfragen in Grenzen halten.
Große Differenzen weiter bei protektionistischen Maßnahmen
In der Abschlusserklärung wurde die Formulierung gewählt, dass sechs der sieben Teilnehmerstaaten sich nach wie vor vollumfänglich hinter die Pariser Klimavereinbarungen stellen, aber gleichzeitig „zur Kenntnis nehmen“, dass die US-Regierung derzeit noch dabei sei, ihre Position dazu zu überdenken. Gentiloni erklärte im Anschluss an den Gipfel, dass er hoffe, dass das Nachdenken in Washington „möglichst bald zu einem guten Ende“ kommen werde. Unsicherheit in diesem wichtigen Bereich sei schädlich. Gentiloni bekräftigte zugleich, dass sich die Position seines Landes unabhängig davon „um keinen Millimeter“ verändern werde.
Weit auseinander lagen die Positionen in Taormina auch bezüglich der Handelspolitik. In intensiven und freimütigen Debatten seien zwar „signifikante Schritte“ unternommen worden, erklärte Gentiloni. Nach wie vor gebe es aber unterschiedliche Vorstellungen darüber, ob und wie darbende Wirtschaftssektoren und die dort beschäftigten Menschen geschützt werden könnten. Trump, der noch kurz vor dem Gipfel Deutschland massiv für seine Exportüberschüsse kritisiert hatte, stemmte sich in Taormina bis zuletzt gegen eine deutliche Verurteilung protektionistischer Maßnahmen. Für das Abschlussdokument hat man sich schließlich auf eine Formulierung einigen können, die beiden Seiten erlaubt, ihr Gesicht halbwegs zu wahren.
Für Italien besonders bitter war die Haltung des US-Präsidenten bei der Migration. Auf Druck der USA wurde der Entwurf zur Abschlusserklärung umformuliert: Statt der humanitären Aspekte der Migration steht nun das Recht der Staaten im Vordergrund, „ihre Grenzen zu schützen und klare zahlenmäßige Grenzen der Immigration“ festzulegen. Das klingt mehr wie eine Duldung der von Donald Trump angekündigten Mauer gegen Mexiko als nach Solidarität mit Italien, das in diesem Jahr schon mehr als 50000 Bootsflüchtlinge aufgenommen hat und sich von der internationalen Gemeinschaft alleingelassen fühlt.
Dabei hatte Italien den G-7-Gipfel unter anderem deswegen in Sizilien organisiert, um die Teilnehmer symbolisch für die Flüchtlingsfrage zu sensibilisieren. Gentiloni tröstete sich damit, dass man sich darauf verständigt habe, die Hilfe für die Herkunftsländer zu verstärken. Außerdem sei der der G-7-Gipfel für eine Lösung der Probleme Italiens ohnehin nicht der geeignete Ort. Hier sei es an Europa, sich solidarisch zu zeigen, nicht an den USA, Japan oder Kanada. Am Samstagmorgen waren die Gipfelteilnehmer auch mit Vertretern aus Äthiopien, Kenia, Niger, Nigeria, Tunesien und Guinea zusammengekommen, um über die Flüchtlingskrise und die Hungersnöte in Afrika zu sprechen.
Entwicklungshilfeorganisationen sind tief enttäuscht
Gentiloni hatte nach dem Gipfel der Uneinigkeit große Mühe, positive Aspekte hervorzuheben. Er nannte die schnell und ohne lange Diskussionen verabschiedete Gipfelerklärung zur gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus, bei dem auch die Betreiber von sozialen Netzwerken in die Pflicht genommen werden sollen: Diese müssten dafür sorgen, dass radikale Hetze keinen Platz auf ihren Plattformen mehr haben werde.
Einig war man sich Gentiloni zufolge auch in internationalen und geopolitischen Themen wie Libyen, Syrien und Nordkorea. Trotz der insgesamt sehr mageren Bilanz des Gipfels empfindet Gentiloni das Format der G-7-Treffen nicht als überholt: Die Diskussionen sein „authentischer und echter“ gewesen als bei früheren Gelegenheiten, und dass Differenzen als solche benannt und diskutiert würden, sei „positiv“.
Entwicklungshilfeorganisationen sahen dies vor allem wegen der Frage der Flüchtlinge anders: „Der Skandal des Gipfels ist doch, dass die G-7-Führer direkt hier nach Sizilien ans Meer kommen, wo allein seit Jahresanfang 1400 Menschen ertrunken sind, und nichts ernsthaft dagegen tun“, sagte Edmund Cairns von Oxfam in Taormina auf Sizilien.