Missbrauchsfälle in Deutschland: Einige Bistümer mauern nach wie vor
Deutsche Bischöfe würdigen das Papstschreiben zum Missbrauch. Aber es gibt auch sehr kritische Stimmen. Wie kommt die Aufklärung in Deutschland voran?
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann ist des Lobes voll. „Aufrüttelnd“ sei das knapp vierseitige Schreiben des Papstes mit dem Eingeständnis von Scham und der Bitte um Vergebung für das Versagen der katholischen Kirche im Umgang mit dem Missbrauch an Kindern und anderen Schutzbedürftigen, so der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz. Niemals vorher in seiner fünfjährigen Amtszeit habe Franziskus so deutlich ausgedrückt, „dass der sexuelle Missbrauch durch Priester immer zugleich auch ein Macht- und ein Gewissensmissbrauch ist“. Und: Der an alle Christen adressierte Brief des Papstes rufe auch die deutschen Kirchenvertreter zu „Gewissenserforschung und Reue“ auf.
Das scheint nötig, wenn man einem anderen Missbrauchsbeauftragten, nämlich dem der Bundesregierung, Glauben schenkt. Johannes-Wilhelm Rörig findet, dass die katholische Kirche nach wie vor zu wenig Engagement im Umgang mit den hierzulande bekannt gewordenen Verfehlungen zeigt. 65 Missbrauchte haben sich bisher gemeldet, die Dunkelziffer ist nach Expertenschätzung weit höher. Und zu oft noch werde die nötige Aufarbeitung als Gefahr für die eigene Institution gesehen, sagte Rörig der Funke-Mediengruppe. „Diese Haltung macht leider deutlich, wie sehr Institutionen- und Täterschutz noch immer vor Opferschutz steht.“
Konkret kritisiert der Beauftragte, dass einige Bistümer nach wie vor mauerten. Nicht alle hätten ihre Archive für die große Aufarbeitungsstudie der Bischofskonferenz geöffnet, die am 25. September bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda veröffentlicht werden soll. Dem widersprachen allerdings die beauftragten Forscher. Aufgrund einer Datenschutzvereinbarung sei es zwar nicht möglich gewesen, selber in den Archiven zu forschen, sagte der forensische Psychiater und Leiter des Forschungsverbundes, Harald Dreßing. Jedoch habe man die Daten auf Fragebögen übertragen bekommen. Es gebe keine Hinweise, dass das unvollständig geschehen sei. Man habe „merkwürdige Konstruktionen gefunden, um eine Studie in Auftrag geben zu können und an diese Aktenbestände heranzukommen“, meint Matthias Katsch, Mitbegründer des Eckigen Tischs zur Aufarbeitung von Missbrauch an Jesuitenschulen. Zudem ist die Frage, was überhaupt in Personalakten festgehalten wurde. Es werde Zeit, so Katsch, dass man sich beim Ermitteln auch hierzulande nicht bloß auf kirchliche Zuarbeit verlasse. (mit kna/dpa)
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