zum Hauptinhalt
Die spanische EU-Abgeordnete Iratxe Garcia Perez wurde am Dienstag zur Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion gewählt.
© imago/PanoramiC

Europaparlament: Einfluss von SPD und Union schwindet

Angesichts des schlechten Wahlergebnisses müssen Sozialdemokraten und CDU/CSU um ihren Einfluss im neuen Europaparlament kämpfen.

Das waren noch Zeiten, als die SPD im Europaparlament mit Martin Schulz den Parlamentspräsidenten stellte. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Schulz sein Amt in Straßburg zu Gunsten des Italieners Antonio Tajani aufgab und sein Glück in der Bundespolitik versuchte. Damals, im Januar 2017, sahen die Umfragewerte für die SPD und die Union in Deutschland noch besser aus. Doch dann kam die Europawahl im vergangenen Monat. Die SPD brach im Vergleich zur letzten Europawahl vor fünf Jahren um 11,5 Prozentpunkte ein, die Union verlor 6,4 Punkte. Das hat nun Folgen für die geschrumpften Volksparteien in Straßburg: Die SPD hat keinen Zugriff mehr auf den Fraktionsvorsitz bei den Sozialdemokraten. Und wie die Union könnten die Sozialdemokraten auch den Vorsitz in wichtigen Ausschüssen verlieren.

Zwar tragen die meisten EU-Parlamentarier den Europagedanken in so weit mit, dass die Besetzung von wichtigen Posten in der Straßburger Kammer nicht zwangsläufig durch die nationale Brille gesehen wird. Aber dennoch war bei der Europawahl nicht zu übersehen, dass etwa Spaniens Sozialisten sehr stark abschnitten, während die Gruppe der SPD-Abgeordneten auf nur noch 16 Parlamentarier dezimiert wurde. Spaniens sozialistischer Premierminister Pedro Sanchez pochte daher darauf, dass eine Europaabgeordnete aus seinem Land die Führung der sozialdemokratischen Fraktion übernimmt: Sanchez’ Vertraute Iratxe Garcia Perez wurde am Dienstag zur Fraktionschefin gewählt.

Der SPD-Mann Udo Bullmann, der zuvor seit 2018 Fraktionschef gewesen war, hatte am Vortag nicht ganz freiwillig einen Rückzieher gemacht. In einem Brief an seine Parlamentskollegen konnte sich Bullmann einen Seitenhieb auf den Verlauf der Debatte um den Fraktionsvorsitz nicht verkneifen. Er hätte sich gewünscht, dass die Diskussion „visionärer und inhaltlicher“ und weniger unter nationalstaatlichen Gesichtspunkten geführten worden wäre, ließ Bullmann seine Fraktionskollegen in dem Schreiben wissen.

Die SPD kann künftig weniger Ausschüsse "ziehen"

Allerdings ändert die Verbitterung von Bullmann nichts daran, dass die Straßburger Delegation der deutschen SPD-Abgeordneten angesichts des schlechten Wahlergebnisses weniger als bisher in der Lage sein wird, den Vorsitz in wichtigen Straßburger Ausschüssen zu „ziehen“. Zu diesen Ausschüssen gehört der einflussreiche Handelsausschuss. Dort führt bislang der SPD-Mann Bernd Lange den Vorsitz. Ob er ihn behalten kann, ist aber noch offen.

Ähnlich muss auch die Union um die Erhaltung ihres Einflusses im Europaparlament kämpfen. CSU-Vize Manfred Weber ist zwar gerade erst im Vorsitz der konservativen EVP-Fraktion bestätigt worden. Sollte Weber – was aber keineswegs sicher ist – auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten wechseln, dann dürfte kaum erneut ein Unionsvertreter den Fraktionsvorsitz übernehmen. Für den Fall, dass Weber die Nachfolge von Kommissionschef Jean-Claude Juncker übernehmen sollte, haben bereits der Spanier Esteban Gonzalez Pons und die Niederländerin Esther de Lange Interesse für den Fraktionsvorsitz bekundet.

Ungarische Fidesz beansprucht Vorsitz in wichtigen Ausschüssen

Auch bei der Verteilung von Vorsitzenden-Ämtern in wichtigen Ausschüssen könnte die Union demnächst das Nachsehen haben. Ausgerechnet die rechtspopulistische Fidesz-Partei aus Ungarn, deren Parlamentarier zur EVP-Fraktion gehören und die bei der Europawahl etwas stärker geworden sind, könnten der Union den Vorsitz im einen oder anderen wichtigen Gremium – etwa dem Auswärtigen Ausschuss – streitig machen. Die ungarische Regierungspartei verfolge das Ziel, „einige Führungspositionen – Vorsitze und stellvertretende Vorsitze – in den wichtigsten Ausschüssen des Europaparlaments zu bekommen“, sagte der gerade ins Europaparlament gewählte Fidesz-Abgeordnete Balazs Hidveghi dem Tagesspiegel.

Wird die Grüne Ska Keller Parlamentschefin?

Unterm Strich bleibt es aber dabei, dass Deutschland in Straßburg mit 96 Abgeordneten so viele Parlamentarier stellt wie kein anderes EU-Land. Und was für die SPD und die Union angesichts des schlechten Wahlergebnisses ein Problem darstellt, eröffnet für die vor allem in Deutschland erstarkten Grünen umgekehrt neue Chancen. Es wird bereits darüber spekuliert, dass Ska Keller, die Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, in der neuen Straßburger Kammer zur Parlamentspräsidentin gewählt werden könnte. Der Posten hat durchaus mehr als eine repräsentative Funktion. Dass sich die öffentliche Sichtbarkeit der Straßburger Versammlung deutlich erhöhen lässt, hat Martin Schulz in seiner Zeit als EU-Parlamentschef vorgemacht.

Zur Startseite