Regierungserklärung des Kanzlers: „Einen Diktatfrieden wird es nicht geben“
Vor dem Bundestag rechtfertig Kanzler Scholz die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Frieden sei nur selbstverständlich, wenn er verteidigt werde.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat einem von Russland militärisch durchgesetzten Diktatfrieden in der Ukraine eine klare Absage erteilt. „Einen Diktatfrieden wird es nicht geben, weil die Ukrainer ihn nicht akzeptieren und wir auch nicht“, sagte Scholz am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag.
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Scholz verteidigte die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine gegen Kritik in der Bevölkerung und aus der Politik. „Einem brutal angegriffenen Land bei der Vereidigung zu helfen, darin liegt keine Eskalation. Sondern ein Beitrag dazu, den Angriff abzuwehren und damit schnellstmöglich die Gewalt zu beenden“, sagte er.
Auch er mache sich Sorgen, sagte der Kanzler, betonte aber zugleich: „Uns alle eint ein Ziel: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die Ukraine muss bestehen.“
Die Bundesregierung stärke der Ukraine auch militärisch den Rücken, „überlegt, abgewogen und international eng abgestimmt“, sagte Scholz. Es werde keine deutschen Alleingänge geben, die Bundesregierung werde zudem nichts unternehmen, was die Nato zur Kriegspartei werden lasse.
Scholz rief zu einer entschlossenen Verteidigung des Friedens auf. Krieg sei auch in Europa nicht unvorstellbar geworden, sagte er. „Frieden ist nur dann selbstverständlich, wenn wir bereit sind, ihn zu verteidigen. Das ist die Lehre, die wir aus Russlands brutalem Angriff auf die Ukraine ziehen.
Scholz sagte, die Europäische Union habe in den vergangenen Jahren unterschiedliche Herausforderungen und Krisen bewältigt. Der Krieg in der unmittelbaren Nachbarschaft sei ohne jeden Zweifel die größte. „In einem aber ähnelt auch diese Krise den vorangegangenen. Einmal mehr erleben wir: Je größer der Druck von außen ist, desto entschlossener und geeinter handelt die Europäische Union.“
Merz wirft Scholz „doppeltes Spiel“ vor
Unionfraktionschef Friedrich Merz (CDU) warf dem Kanzler in der anschließenden Debatte ein „doppeltes Spiel“ vor, weil er militärische Unterstützung für die Ukraine zusage, tatsächlich aber Lieferungen schwerer Waffen verhindere. „Die Wahrheit ist doch, dass seit Wochen so gut wie nichts geliefert wird.“ Auch der angekündigte Ringtausch von Waffen habe bislang nicht stattgefunden.
Merz äußerte sich zudem erneut kritisch dazu, dass Scholz seit Kriegsbeginn im Gegensatz zu anderen deutschen Politikern noch nicht nach Kiew gereist ist. Er wolle jenen, die bereits in Kiew waren, seinen Respekt aussprechen, sagte der CDU-Chef, der auch selbst in die Ukraine gereist war.
Zudem drängte Merz auf die Entlassung von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die seit Wochen in der Kritik steht.
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Scholz sprach zum außerordentlichen EU-Gipfel am 30. und 31. Mai in Brüssel. Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs dürfte es vor allem um den Ukraine-Krieg und seine Folgen gehen. Mögliche Themen sind das geplante Öl-Embargo gegen Russland und der Plan der EU-Kommission zur Lösung von Energieimporten aus Russland.
Außerdem könnte es um die EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine gehen. Über den Kandidatenstatus des Landes soll aber frühesten im Juni entschieden werden. Für die Regierungserklärung sind 20 Minuten angesetzt, darauf folgt eine Debatte von knapp zwei Stunden. (dpa, AFP)