Nach den Attentaten von Paris: Eine wehrhafte Demokratie
Die richtige Antwort auf die Anschläge von Paris hängt auch mit den Ressourcen eines Staates zusammen - bei der Bekämpfung von Terroristen und bei der Hilfe für Jugendliche aus gefährdeten Milieus. Ein Kommentar.
Es ist schon bemerkenswert, wie unterschiedlich die Debatten nach den Attentaten von Paris in Frankreich und Deutschland verlaufen. Während Frankreich immer noch in Schockstarre verharrt und versucht, das Puzzle rund um die Attentäter Said Kouachi, Chérif Kouachi und Amédy Coulibaly zusammenzusetzen, ist Deutschland schon wieder bei den ganz großen Debatten angelangt – um den Islam, um die Einwanderung.
Natürlich wird auch in Frankreich bereits heftig darüber diskutiert, wie man mit jenen – mutmaßlich muslimischen – Menschen im Land umgehen soll, die munter auf Twitter die Parole #JeSuisKouachi ausgeben und sich damit im Schutz der Anonymität mit den Attentätern von Paris solidarisieren. Dies scheint auch irgendwie die Stunde der Provokateure zu sein – man sollte ihnen aber auf Dauer keinesfalls das Wort überlassen, weder unter jungen Muslimen noch im Lager derer, die zwar „Charlie Hebdo“-Karikaturen vorzeigen, aber eigentlich gegen Muslime hetzen wollen.
Aber die ganze Debatte über den Islam, den Salafismus und die unterschiedlichen Ausprägungen des muslimischen Glaubens trifft eben auch nur eine Facette dessen, was es seit dem 7. Januar zu bewältigen gibt. Zunächst einmal gilt es – und Frankreich tut das gerade –, die Geschehnisse noch einmal zu verarbeiten. Für die Franzosen gehört es in diesen Tagen beispielsweise zur Trauerarbeit, sich noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, wie sich jener junge Mann gefühlt haben muss, der sich achteinhalb Stunden in einem Schränkchen in einer Druckerei in Dammartin zusammenkauerte, während einer der Brüder Kouachi in seiner unmittelbaren Nähe einen Schluck Wasser aus dem Wasserhahn nahm – und ihn nicht bemerkte.
Zur Trauerarbeit für die Menschen in unserem Nachbarland gehört auch, zu verstehen, wie sich junge Menschen wie die Brüder Kouachi und Amédy Coulibaly, die zunächst nichts mit dem Koran am Hut hatten, radikalisieren konnten. Im Fall eines Kleinkriminellen wie Amédy Coulibaly geschah das im Gefängnis Fleury-Mérogis bei Paris, wo er in den Dunstkreis des einflussreichen Islamisten Djamel Beghal geriet.
Unter dem Eindruck der Attentate von Paris beginnt man in Frankreich und in Deutschland zu ahnen, dass die Frage nach dem richtigen Antworten auf dem 7. Januar auch mit den Ressourcen eines Staates zusammenhängt. Frankreichs Präsident François Hollande, der nun den geplanten Personalabbau bei der Landesverteidigung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus überprüfen will, hat bereits eine erste Antwort gegeben. Es geht aber auch um Ressourcen im Inneren des Landes – bei der Überwachung von Gefährdern und bei der Sozialarbeit mit jungen Leuten, die irgendwann zu Gefährdern werden könnten. Es geht, wie immer, um den Dialog, vor allem mit jungen Menschen, die beispielsweise auch in Berlin behaupten, „die Medien“ hätten im vergangenen Jahr nicht ausreichend über die Gräuel der Bombardierungen im Gazastreifen berichtet.
Nach dem 7. Januar stehen wir erst am Anfang. Wir alle.