Entschädigung: Eine Villa für Zwangsarbeiter
Italiens Richter ermöglichen die Pfändung deutschen Besitzes zur Hilfe für NS-Opfer – doch Berlin wehrt sich.
Nach der aufsehenerregenden Entscheidung des italienischen Kassationsgerichts, das die Pfändung deutschen Staatseigentums in Italien zur Folge haben könnte, zeigt sich Berlin weiter hart. Man behalte sich juristische Schritte gegen den EU-Partner vor, hieß es am Donnerstag im Auswärtigen Amt. Auf einer Villa, einer deutsch-italienischen Begegnungsstätte am Comer See, liegt bereits eine Hypothek.
Das Urteil soll den italienischen früheren NS-Zwangsarbeiterin Recht verschaffen, die seit Italiens Austritt aus dem Bündnis mit Deutschland 1943 vom NS-Regime zur Zwangsarbeit gepresst wurden. Ihre Ansprüche hatte Deutschland vor Gericht bisher immer abwehren können. Von Zahlungen der vor acht Jahren gegründeten Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft waren die Italiener sogar ausdrücklich ausgeschlossen worden mit der Begründung, sie seien Kriegsgefangene gewesen und als Westeuropäer sowieso privilegiert. Tatsächlich ging das Regime mit den Sklavenarbeitern des „Verräterstaats“ Italien ebenso brutal oder schlimmer um wie – aus Rassismus – mit ihren Leidensgenossen aus Osteuropa. Gegen Klagen verschanzte sich Berlin – mit Zustimmung römischer Regierungen – hinter dem Prinzip der „Staatenimmunität“, nach der kein Staat von den Gerichten eines anderen belangt werden kann.
Dieses Prinzip aber, urteilten die Richter, dürfe bei „schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nicht angewendet werden. Zwangsarbeit gehöre dazu. In ihrer spektakulären Entscheidung ließen sie die Klagen von zwölf Piemontesen zu, die 1943/44 verschleppt worden waren, im badischen Gaggenau interniert und bei Daimler zwangsarbeiten mussten. Die Kläger verlangen jeweils eine Million Euro. 100 000 weitere Klagen könnten hinzukommen.
Bei der Durchsetzung von Schadenersatzforderungen gehen italienische Gerichte in solchen Fällen radikal vor. Zum Beispiel haben sie die noble Villa Vigoni am Comer See mit einer Zwangshypothek belegt. Damit soll griechischen Nazi-Opfern zu ihrem Recht verholfen werden, die für ein SS-Massaker 1944 in der Gegend von Delphi entschädigt werden wollen. Vor griechischen Gerichten hatten sie Recht bekommen; die Regierung in Athen lehnte eine Zwangsvollstreckung aber ab. So klagten die Opfer in Italien – und bekamen Recht.
Monika Grütters, Berliner Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Kulturausschuss, fordert die Bundesregierung nun auf, die Pfändung deutscher Kulturinstitutionen unbedingt zu verhindern: „Es wäre völlig absurd, wenn Unrecht der Nazizeit ausgerechnet auf Kosten der Kultur gesühnt würde, auf deren völkerverständigende Kraft wir gerade in Europa in der gesamten Nachkriegszeit gesetzt haben.“ Zum Rechtsweg geht Grütters auf Distanz: „Ob eine Klage gegen den italienischen Staat der richtige Weg ist, weiß ich nicht.“ Die Kulturbeziehungen beider Länder seien „herausragend gut“ und eine Klage „sicher eine große Belastung für beide Staaten“. Grütters schlägt, wie auch der Verband der ehemaligen Kriegsgefangenen und Internierten Italiens ANRP, eine politische Lösung vor: „Ich halte es zum Beispiel für naheliegend, einmal zu prüfen, ob nicht die Regeln der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft so geändert werden könnten, dass doch noch Geld für die italienischen Zwangsarbeiter fließen kann. Die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern war schließlich der Urgrund für die Gründung der Stiftung.“
Dafür wäre nur die wortgetreue Anwendung der Vorschriften nötig. Ausgeschlossen wurden die Italiener, weil der damalige Finanzminister Eichel (SPD) zweimal interpretierend eingreifen ließ. Die Fachaufsicht über die Stiftung liegt beim Finanzministerium – nach wie vor.
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