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Bundeswehr: Eine offene Truppe

Die Bundesregierung will die Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee umbauen. Wie sollen genügend Bewerber für den Dienst in der künftigen Truppe gefunden werden?

Die Wehrpflicht wird zum 1. Juli abgeschafft, die Bundeswehr zu einer Armee mit 170 000 Zeit- und Berufssoldaten und 15 000 Männern und Frauen, die einen freiwilligen Wehrdienst von zwölf bis 23 Monaten leisten. So sieht es die Reformplanung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor, so hat es die schwarz-gelbe Regierung im Dezember beschlossen. Aber es zeigt sich: Die Suche nach ausreichend Freiwilligen ist schwierig. Bisher hat kaum einer auf die Werbungsschreiben der Kreiswehrersatzämter reagiert.

Im vergangenen Jahr hatte die Bundeswehr 32 000 Stellen für Berufs- und Zeitsoldaten sowie für freiwillige Längerdienende zu besetzen. Dabei konnte sie aus 67 500 Bewerbern auswählen. Die kamen zu etwa 40 Prozent aus dem Reservoir der Wehrpflichtigen. Das entfällt nun. Stattdessen muss die Bundeswehr in Konkurrenz mit der Wirtschaft um die besten Köpfe werben. Wie? Der Soldatenberuf muss attraktiver, das Image der Bundeswehr als Arbeitgeber besser werden.

Eine interne Arbeitsgruppe des Verteidigungsministeriums hat eine Liste mit 82 Vorschlägen erstellt, die unter anderem die Möglichkeit schnellerer Karrieren umfasst, eine höhere Besoldung – Freiwillige sollen 1000 bis 1400 Euro netto im Monat bekommen –, und eine bessere Vereinbarkeit von Dienst und Familie. Finanzielle Anreize bei einer Verwendung fern des Wohnortes gehören ebenso dazu wie eine Erhöhung des Frauenanteils in der Truppe auf 15 Prozent. Auch die bereits bestehenden Möglichkeiten zu einer Berufsausbildung während und nach dem Dienst sollen verbessert werden. Teilzeitarbeit und ein ausreichendes Angebot an Kindergartenplätzen an den Standorten sowie Eltern-Kind-Arbeitszimmer, Ferienbetreuung für Kinder und Betriebskindergärten stehen auf der Liste. Auch sollen Möglichkeiten geschaffen werden, Prämien zu zahlen, wenn die freiwillig Dienenden sich weiterverpflichten wollen – von 100 Euro monatlich ist die Rede.

Der Bundeswehrverband, der ein eigenes Modell vorgelegt hat, rechnet für ein effektives Attraktivitätsprogramm mit Mehrkosten von einer Milliarde Euro.

Historiker Michael Wolffsohn hat Bedenken gegen diese Überlegungen. Er warnte jüngst vor dem „Prekarier in Uniform“, weil nur noch schlecht Ausgebildete aus dem Osten freiwillig zur Armee gehen würden. Und der Professor an der Bundeswehr-Universität München dürfte sich bestätigt sehen durch Vorschläge wie jenen, gezielt Geringqualifizierte anzuwerben. Angesichts der demografischen Entwicklung müssten verstärkt „junge Menschen mit unterdurchschnittlicher schulischer Bildung beziehungsweise ohne Schulabschluss“ angesprochen werden, heißt es in dem Maßnahmenpaket.

Der Entwurf sieht auch eine Öffnung der Truppe für in Deutschland lebende EU-Ausländer vor, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. „Bestehende Regelungen sind so zu erweitern, dass Inländer bei entsprechender Eignung, Befähigung und Leistung auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft regelmäßig in die Streitkräfte eingestellt werden können“, heißt es. Ausgeschlossen wird indes die Aufstellung einer rein mit Ausländern besetzten Einheit wie die französische Fremdenlegion. Der Vorschlag verdeutlicht gleichwohl das Ausmaß der Probleme, die für die Nachwuchsgewinnung in Zukunft erwartet werden. Einen hohen General veranlasste das zu der Feststellung, Minister Guttenberg presche ständig vor, „ohne letztlich das Ende seiner Vorhaben zu bedenken“.

Laut Soldatengesetz dürfen nur deutsche Staatsbürger Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit werden. Aber das Gesetz sieht Ausnahmen in Einzelfällen vor – „wenn dafür ein dienstliches Bedürfnis besteht“, wie es in Paragraf 37 heißt.

An Erfahrungen mit der Umwandlung einer Wehrpflichtarmee in eine Freiwilligentruppe mangelt es nicht. 17 Staaten der Nato haben diese Wandlung bereits vorexerziert. Einige davon, zum Beispiel Spanien, Großbritannien und Belgien öffneten ihre Streitkräfte danach ebenfalls für Bewerber anderer Nationalitäten. In den USA werden Ausländer und Immigranten mit der Hoffnung auf eine Einbürgerung in die Armee gelockt. Zwar benötigen die Bewerber eine Green Card für die USA, an Bewerbern, vor allem aus Lateinamerika, fehlt es aber nicht.

Als in Spanien die Wirtschaft vor dem Platzen der Immobilienblase 2008 boomte, senkte das spanische Militär die Anforderungen für Freiwillige drastisch, um genügend Nachwuchs zu finden. Es wurden Abstriche bei der körperlichen Tauglichkeit und den sportlichen Anforderungen gemacht sowie das Höchstalter von Erstbewerbern auf 28 Jahre heraufgesetzt. Wie prekär die Lage war, ermisst man aber erst an der Tatsache, dass selbst die geistigen Anforderungen an die Bewerber gesenkt wurden. Der zu erreichende Wert des Intelligenztestes der Eignungsprüfung wurde deutlich unter den Durchschnittswert der Bevölkerung gesenkt. Dennoch gelang es dem spanischen Militär nie, die erforderlichen Rekrutierungszahlen zu erreichen.

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