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Gideon Saar könnte Benjamin Netanjahu bei der nächsten Wahl in Israel wichtige Stimmen stehlen.
© Amir Cohen/REUTERS

Neuwahlen in Israel: Eine neue rechte Partei könnte in Israel die Machtverhältnisse durcheinanderwirbeln

Vor kurzem hatte es ausgesehen, als könnte Netanjahu bei Neuwahlen seine Wunschkoalition bilden. Die Partei „Neue Hoffnung“ von Gideon Saar könnte das ändern.

Es ist kein Rekord, dessen Israel sich rühmen kann: Alle zwei, drei Jahre finden in dem Land Wahlen statt, öfter als in 19 anderen westlichen Demokratien seit 1996, die der israelische Politikwissenschaftler Ofer Kenig miteinander verglichen hat. Dabei hat er die kommende Wahl, die für März 2021 angesetzt ist, bereits berücksichtigt. Nach dem ein Haushaltsstreit am Dienstag die Auflösung der Knesset erzwang, werden die Israelis zum vierten Mal in nur zwei Jahren an die Wahlurnen gerufen – und das inmitten einer Pandemie.

Das Ende der von Beginn an konfliktreichen Koalition zwischen der rechten Likudpartei des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dem zentristischen Blau-Weiß-Bündnis des Verteidigungsministers Benny Gantz hatte sich wochenlang abgezeichnet. Ein letzter Versuch, die Frist für die Verabschiedung eines Haushalts zu verlängern, scheiterte Dienstag im Parlament.

Unter den 49 Gegenstimmen waren zwei Abgeordnete von Blau-Weiß sowie die Likud-Abgeordnete Michal Shir. „Ich bin mit mir im Reinen, das Mindeste in meiner Macht dafür zu tun, diese peinliche Vorstellung einer festgefahrenen und zerstrittenen Regierung zu beenden, die ein ganzes Land zur Geisel nimmt“, schrieb Shir auf Twitter, um im nächsten Satz ihren Beitritt zur „Neuen Hoffnung“ zu verkünden, der neuen Partei des ehemaligen Likud-Politikers Gideon Saar. Ihr folgte kurz darauf eine weitere Parteifreundin, die bis dahin jüngste Likud-Abgeordnete Sharren Haskel.

Neue Partei verschiebt Machtverhältnisse

Mit der „Neuen Hoffnung“ ist eine Partei aufgetaucht, die die Machtverhältnisse bei den kommenden Wahlen durcheinanderwirbeln könnte. Denn obwohl die Partei erst wenige Wochen alt und programmatisch kaum vom Likud zu unterscheiden ist, könnte sie Umfragen zufolge zur zweitstärksten Kraft werden – und Netanjahus Partei wichtige Stimmen kosten.

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Noch vor Wochen hatte es ausgesehen, als könnte der Ministerpräsident im Falle von Neuwahlen seine Wunschkoalition aus rechten und religiösen Parteien bilden, die ihm, der wegen Verdacht auf Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vor Gericht steht, gesetzliche Immunität verschaffen könnte. Viele Analysten vermuteten, dass Netanjahu daher selbst Neuwahlen anstrebte, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die kürzlich gestartete Impfkampagne gegen das Coronavirus Wirkung zeigt – ein Erfolg, für den der Premier sich hätte rühmen können. „Netanjahus Prozess ist vermutlich der dominanteste Faktor, der die israelische Politik in den letzten zwei Jahren geprägt hat“, meint Yohanan Plesner, Präsident des Israel Democracy Institute, eines liberalen Thinktanks.

Saar schmälert Netanjahus Chancen

Mit seiner Rebellion jedoch schmälert Saar, dessen erklärtes Ziel die Ablösung des Langzeit-Premiers ist, die Chancen Netanjahus auf eine weitere Amtszeit. Zudem will Naftali Bennett, Vorsitzender der rechten Yemina-Partei, Netanjahu aus dem Amt drängen. Gemeinsam könnte den rechten Politikern gelingen, woran Israels Linke bislang scheitert.

Es ist nicht nur Netanjahus Politkarriere, die auf dem Spiel steht. Zugleich könnte die Wahl den Abgang des Verteidigungsministers Gantz von der politischen Bühne einläuten. Dessen Blau-Weiß-Bündnis, zuletzt zweitstärkste Kraft, könnte an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern. Gantz gibt sich zwar selbstbewusst. Doch nur noch vier Prozent der Befragten halten ihn für das Amt des Ministerpräsidenten geeignet. Die meisten Beobachter halten sein politisches Schicksal für besiegelt.

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