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Gut befreundet. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (links), seine Frau Doris Schröder-Köpf sowie AWD-Gründer Carsten Maschmeyer.
© dpa

Gerhard Schröder und Carsten Maschmeyer: Eine innige Beziehung

Carsten Maschmeyer soll Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder rund zwei Millionen Euro für die Rechte an dessen Autobiografie gezahlt haben. Wie nah standen sich der Politiker und der AWD-Manager? Und gab es einen Zusammenhang zur Reform der Riester-Rente während Schröders Amtszeit?

Wenn Geschäftsleute mit Politikern Geschäfte machen, ist allemal Misstrauen angezeigt. Als 2011 bekannt wurde, dass Carsten Maschmeyer dem abgewählten Kanzler Gerhard Schröder für eine Million Euro die Rechte für seine Autobiographie abgekauft haben soll, ging bereits ein Raunen durch die Polit-Szene. Maschmeyer, Chef des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD mit Sitz in Hannover, war öfter durch diskret-großzügige Förderung niedersächsischer Politiker aufgefallen. Und eine Million für eine Politiker-Biographie sind sehr viel Geld.

Zwei „Stern“-Journalisten haben nachrecherchiert, das Ergebnis ist seit Donnerstag in einem Buch („Geld – Macht – Politik: Das Beziehungskonto von Carsten Maschmeyer, Gerhard Schröder und Christian Wulff“) nachzulesen: Danach hat Maschmeyer nicht nur eine, sondern sogar zwei Millionen Euro auf den Tisch gelegt – und vereinbart war der Deal schon vor dem Wahltag, der den SPD-Kanzler Gerhard Schröder das Amt kostete. Das wirft eine heikle Frage auf: Steht hinter der Abmachung mehr als nur ein Buchgeschäft, das sich kaum rechnen konnte? Womöglich sogar eine Neuauflage jener „politischen Landschaftspflege“, die seit der Flick-Affäre in den 80er Jahren für Gefälligkeiten steht, mit denen sich Firmen Politiker gewogen machen?

Wie reagieren die Beteiligten?

Schröder hält es wie schon bei früheren Gelegenheiten: Kein Kommentar. Eine Sprecherin Maschmeyers bestätigt die zwei Millionen Euro, erklärt die Differenz aber zur „Darstellungssache“: Nach Abzug von Steuern und Abgaben sei genau die bekannte eine Million geblieben. Maschmeyer selbst hat das bisher aber anders dargestellt. „Dass ich für eine Million die Rechte erworben habe, ist bekannt“, hatte der Unternehmer im vergangenen Jahr der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt. Mit Vorabdrucken, dem Buch selbst, den Auslandsversionen und Folgeauflagen sei das für ihn „sogar ein sehr gutes“ Geschäft gewesen. Langjährige Verlagsexperten erklärten dagegen am Donnerstag, es sein ein Ding der Unmöglichkeit, dass Maschmeyer bei einem Aufwand von zwei Millionen Euro seine Kosten wieder eingespielt oder gar Gewinn gemacht haben könnte.

Wie eng war das Verhältnis zwischen Maschmeyer und Schröder?

Die Grundlage legte Maschmeyer im Februar 1998 mit Zeitungsanzeigen im niedersächsischen Landtagswahlkampf, in denen anonym zur erneuten Wahl Schröders zum Ministerpräsidenten aufgerufen wurde. Kosten: 650 000 Mark. Mit dem Wahlsieg sicherte sich Schröder im Konkurrenzkampf mit dem damaligen SPD-Chef Oskar Lafontaine die SPD-Kanzlerkandidatur. Für Maschmeyer war die Anzeigen-Kampagne auch deshalb ein lohnendes Investment, weil sich Schröder schon damals für die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge ausgesprochen hatte. Maschmeyer suchte in den folgenden Jahren immer wieder den engen Kontakt zu Schröder, schrieb ihm Briefe, in denen er dessen politische Leistungen als Kanzler pries. Zu Schröders 60. Geburtstag am 7. April 2004 schenkte er drei Flaschen französischen Weins im Wert von rund 1000 Euro. Schröder wiederum fand nichts dabei, im Dezember 2014 vor 2000 Mitarbeitern von Maschmeyers Allgemeinem Wirtschaftsdienst im Neuköllner Hotel Estrell eine Rede zu halten. Die von Maschmeyer im Nachhinein angebotene Bezahlung lehnte Schröder jedoch ab. Daraufhin wandte sich der Finanzprofi an Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf und kündigte eine Spende in Höhe von 10 000 Euro an die Stiftung Deutsche Kinder-, Jugend- und Elterntelefone an.

Welche Interessen verfolgte Maschmeyer?

Carsten Maschmeyer gilt in der Finanz- und Versicherungsbranche seit Jahrzehnten als einer der ganz Großen und gleichzeitig einer der ganz Umstrittenen im Vertrieb von Anlageprodukten. Sein Vertriebsunternehmen AWD hat, ganz einfach gesagt, Finanzanlageprodukte (Versicherungen, Fondsanteile und anderes mehr) verkauft und dafür von den Unternehmen Provisionen bezogen. Immer wieder musste sich Maschmeyer dabei den Vorwurf gefallen lassen, zu seinem Geschäftsmodell gehöre es, Leuten hochriskante Produkte zu verkaufen, die die Risiken nicht erkennen können und sie damit nicht selten skrupellos in den Ruin zu treiben.

Für einen Vertriebs-Unternehmer wie Maschmeyer musste die 2002 eingeführte Riester-Rente als Form der privaten Altersvorsorge ein Geschenk sein. Schließlich hatten Versicherer und Banken ein Interesse daran, ihre Riester-Produkte zu verkaufen. Das Riester-Geschäft jedoch hatte zunächste einige Haken: Die Förderbedingungen waren undurchsichtig, die Produkte unattraktiv und nicht zuletzt durfte die Provision an Vermittler wie den AWD nur im Zeitraum von zehn Jahren ausgezahlt werden. Damit konnte das Massengeschäft aus Sicht der Verkäufer nicht richtig rund laufen.

Die Chance, diesen Umstand zu ändern, durften Branchenkenner wie Maschmeyer aber erkennen, als das Bundesverfassungsgericht die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder verpflichtete, bis 2005 die Rentenbesteuerung grundsätzlich zu regeln. In diesem Moment kam der Ökonom und „Wirtschaftsweise“, Bert Rürup ins Spiel. Rürup, SPD-Mitglied, galt als Renten- und Sozialversicherungsexperte. Unter seiner Führung wurde ein Konzept zur Neuorientierung der Altervorsorge erarbeitet, das Rot-Grün Ende 2004 als Blaupause für das Alterseinkünftegesetz diente. Zum Vorteil für Unternehmer wie Maschmeyer. Denn mit dem Gesetz wurde nicht nur der Katalog der Förderbedingungen für die Riester-Rente radikal entschlackt, was den Vertrieb der Produkte allein schon anheizte. Auch die Provision wurde rascher fällig – zum Vorteil auch von AWD-Vermittlern.

Zur Gelddruckmaschine allerdings taugte die zeitgleich und nach ihrem Erfinder benannte „Rürup-Rente“, ein Sparmodell für Besserverdiener, bei dem die Einzahlungen direkt steuermindern geltend gemacht werden können – ein Gottesgeschenk für Versicherungs- und Fondsanteil-Verkäufer in Kundengesprächen. Was der Politiker Gerhard Schröder als Zukunftsmodell für die alternde Gesellschaft stolz verkünden konnte, war für den Unternehmer Maschmeyer eine Geschäftsgarantie. Im Februar 2005 zahlte Maschmeyer Bert Rürup für einen 45-minütigen Vortrag beim AWD 12 000 Euro. Wenige Jahre später wechselte der Wissenschaftler schließlich ganz zum AWD und gründete mit Maschmeyer eine Beratungsgesellschaft für Versicherungsunternehmen.

Wie nutzte Maschmeyer den Kontakt zu Schröder, um auf Reform der Riester-Rente zu drängen?

Die dem „Stern“ vorliegenden Dokumente belegen: Der Finanz-Unternehmer wandte sich bei dem Thema direkt an den Kanzler oder an dessen damalige Sekretärin im Kanzleramt, Sigrid Krampitz. So schrieb Maschmeyer im Juni 2003 an Schröders Hannoveraner Privatadresse, er komme gern dessen „Wunsch“ nach, einen „pragmatischen Vorschlag zu formulieren, Millionen von Bundesbürgern von den Vorteilen der Riester-Rente zu überzeugen und für eine große Akzeptanz in der Bevölkerung zu sorgen“. Im Mai 2004 schickte Maschmeyer ein Fax an Krampitz, in dem es um einen Termin bei Schröder zum Thema Reform der Riester-Rente ging: „Herr Schröder hat mit mir besprochen, dass wir uns Ende dieser Woche – möglichst bei ihm zu Hause – treffen, um idealerweise mit Herrn Steinmeier über Pensionsreform/Riester-Rente/Lebensversicherungsbesteuerung zu sprechen.“ Und weiter: „"Herr Schröder deutete an, dass ihm Freitag- oder Samstagabend am liebsten wäre.“

Ist das alles denn so schlimm?

Justiziabel sind solche Beziehungsgeflechte in der Regel nicht. Schon die Flick-Affäre endete bloß mit Strafen wegen Steuerhinterziehung – die „Landschaftspflege“ war mit Paragraphen nicht zu fassen. Ob ein Netzwerk-Flechten nach der Methode Maschmeyer noch mit demokratischen Normen vereinbart ist, steht auf einem anderen Blatt. Hier eine Plakatkampagne für Schröder, dort die Finanzierung einer Anzeigenwerbung für ein Buch des CDU-Hoffnungsträgers Christian Wulff – das „Beziehungskonto“, das Selfmademan Maschmeyer als Erfolgsgeheimnis preist, war durchaus auch wörtlich gemeint. Womit wieder Schröders Autobiographie ins Spiel kommt. Zwei Millionen für die Autobiographie eines Ex-Kanzlers rechnen sich womöglich kaufmännisch nicht. Aber in einem vom „Stern“ zitierten Brief an Schröder schreibt Maschmeyer von dem „großzügigen Sicherheitsgedanken“, der in dem Buch-Handel stecke. Was wäre eigentlich gewesen, hätte Schröder die Wahl noch mal gewonnen? Das Geschäft hätte sich erledigt. Aber der Firmenchef aus Hannover hätte den Kanzler in Berlin stets daran erinnern können, wie bereitwillig er war, den Fall des Falles abzupolstern.

Robert Birnbaum, Antje Sirleschtov, Stephan Haselberger

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